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Kommunalwahlen in England und WalesKonservative nur noch am Verlieren

Die Torys erleiden massive Verluste bei den Wahlen auf der Insel. Premier Sunak rückt zunehmend in den Fokus parteiinterner Kritik.

Für Rishi Sunak könnte es zunehmend eng werden Foto: Liam Mcburney/dpa

London taz | Bei den englischen Regionalwahlen am Donnerstag haben die Konservativen nach Auswertung der meisten Resultate am Freitag massive Verluste erlitten. Sie mussten über 1060 Sitze und die Kontrolle über 48 Kommunalregierungen abgeben. Bei den Wahlen, die nahezu überall, jedoch nicht in den Städten London und Birmingham, stattfanden, gelang es Labour, den Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen und den Grünen stark zu punkten. Dies bedeute, dass die Labour Party auf Kurs sei, die nächsten Unterhauswahlen, die mit aller Wahrscheinlichkeit im Herbst 2024 stattfinden werden, zu gewinnen, behauptete ihr Vorsitzender Keir Starmer. Man habe die Partei verändert und den Glauben der Wähler an sie zurückgewonnen.

Premierminister Rishi Sunak gab zu, dass das Ergebnis der Wahl enttäuschend gewesen sei, aber seiner Einschätzung zufolge gebe es gar keinen Kurswechsel in Richtung Labour. Er würde weiter daran arbeiten, die durch die Konservative Partei deklarierten Prioritäten der Briten nach seinem Fünf-Punkte Plan abzuarbeíten: Dazu gehören die Vorhaben, die Inflation zu halbieren, die Wirtschaft zum Wachstum zu bringen, den Schuldenberg zu senken, die Wartezeiten im Gesundheitssystem zu verkürzen und die Bootüberquerungen über den Ärmelkanal zu stoppen.

Doch Wäh­le­r:in­nen überall in England scheint das nicht beeindruckt zu haben. Viele in ehemals konservativen Wahlkreisen sprachen von einer abstrafenden Protestwahl infolge der Debakel und der Lügen der vergangenen Jahre, welche die Torys unglaubwürdig gemacht hätten, und der Unzufriedenheit mit dem maroden Gesundheitssystem.

Labour gewann eine Mehrheit in 22 Wahlgemeinden, darunter in den westenglischen Städten Plymouth und Swindon, aber auch im nordenglischen Stoke-on-Trent, eine der 2019 an die Tories verlorenen roten Hochburgen. Im Süden verloren die Torys die Brexit-Gegenden Medway und Dover, beide in der Grafschaft Kent gelegen, wo sie seit 20 Jahren dominierten und wo früher auch schon mal Nigel Fargages ehemalige Ukip-Partei mit Antiimmigrationssprüchen Erfolg hatte. Zum ersten Mal seit der Ära von Tony Blair ist Labour mit über 2660 Sitzen und einem Plus von mindestens 530 Sitzen stärkste Kommunalpartei in England.

Liberaldemokraten und Grüne sichern sich Wahlkreise

Die Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen gewannen die Kontrolle über zwölf Wahlkreise mit bisheriger konservativer Mehrheit, darunter Theresa Mays kommunaler Wahlkreis Windsor und Maidenhead und das für seine Verbindungen zu Shakespeare bekannte Stratford-upon-Avon. Auch das ländliche Dacorum im Osten Englands und das südlich von London gelegene wohlhabende Surrey Heath gingen an die LibDems. Parteiführer Ed Davey nannte den Zuwachs von über 400 Sitzen bahnbrechend. Die Grünen konnten sich Mid-Suffolk im Südosten Englands holen, einer der ländlichen Wahlkreise in England, die unter Abwasseremissionen in Flüsse leiden – ein Riesenproblem im ganzen Land aufgrund der privatisierten Wasserwerke. Es ist das erste Mal, dass die Grünen eine Mehrheit in einem ganzen Landkreis besitzen, bisher war dies nur in Stadtparlamenten der Fall.

Grünen-Co-Chef Adrian Ramsay gab an, dass der Zugewinn nicht nur von links, sondern auch von desillusionierten, einst konservativ wählenden Personen gekommen sei. So zuversichtlich sind die Grünen nun, dass Ramsay in North Suffolk als Kandidat bei der nächsten Unterhauswahl den Einzug ins Westminsterparlament versuchen möchte. Andererseits verloren die Grünen das südliche Strandbad Brighton und Hove, wo sie seit Jahrzehnten stark waren und vor den Wahlen eine Minderheitsregierung führten. Insgesamt gewannen die Grünen 479 Sitze, ein Plus von 241, weit über die eigenen Erwartungen hinaus.

Die britische Wahlkommission hat derweilen eine Untersuchung eingeläutet, nachdem zahlreiche Personen angegeben hatten, dass sie nicht wählen konnten. Die Regionalwahlen am Donnerstag waren die Ersten in der Geschichte, bei denen Wäh­le­r:in­nen ihre Identität mit einem Ausweis mit Foto nachweisen mussten. Die Regierung wollte damit gegen Wahlbetrug vorgehen. Zuvor war das im Vereinigten Königreich nicht nötig.

Inwiefern die relative Waffenruhe innerhalb der eigenen Partei für Rishi Sunak jetzt vorbei ist, ist die große Frage. Aus den Rängen der Torys, die den vorherigen Parteiführern Boris Johnson oder Liz Truss nahestehen, wird gemunkelt, dass sich Sunak nicht so leicht aus dem Schlamassel ziehen könne, weil er bereits drei Jahre im Kabinett Johnson gedient habe und somit nicht erst mit seiner Wahl zum Premierminister Mitglied einer konservativ geführten Regierung wurde.

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2 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Der Grund für den Erfolg der Opposition (Labour, Lib - Dems, Greens) liegt zum Teil in der Rückkehr des taktischen Wählens. Davon profitieren Labour als auch Lib Dems. Seit 2019 gibt es in England zwei Schlachtfelder: eines zwischen Labour und den Konservativen und das andere zwischen Lib Dems und Tories. Es gibt nur wenige Wahlkreise, in denen Labour und die Lib Dems um die Macht kämpfen. Wenn die Wähler der Opposition Unterstützung leisten, um einen gemeinsamen Feind zu schlagen, geraten die Tories in Schwierigkeiten -- wie sehr schön bei diesen Wahlen zu beobachten ist. .

    2.Vor dem Brexit konnten durch die britische Integration in den europäischen Binnenmarkt sämtliche Waren – was auch immer – dank der Raffinesse der EU-Lieferkette fast über Nacht geliefert werden.

    Das ist vorbei - die leeren Regale -- besonders im Lebensmittelhandel lassen grüssen.



    Überall im Land herrscht Chaos in der Lieferkette, obwohl Sunak kürzlich das Spiel über die Lücke in seinem absurden Eintreten für den Brexit verriet, indem er zugab, dass Nordirland als Mitglied des Vereinigten Königreichs und des europäischen Binnenmarkts am besten die Vorteile beider Welten genießt.

    Da aber die Brexitverkäufer den Brexit wie mafiöse Gebrauchtwagenhändler mit verrückten Versprechungen verkauft haben schlägt der Brexit jetzt zurück: In der Form von leeren Regalen, wochenlangen Wartezeiten beim Gesundheitsdienst und stundenlangen Wartezeiten beim Grenzübertritt.

    Klartext:



    Die größten Gewinne der Opposition sind in den Gebieten zu verzeichnen in denen die Zustimmung zum Brexit am größten war. Die traurige Erfahrung, was Brexit tatsächlich bedeutet, hat sich besonders bei den Kommunen in den lokalen Wahlen niedergeschlagen --. in denen die Zustimmung zum Brexit mal über 50% gewesen ist.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      "Die größten Gewinne der Opposition sind in den Gebieten zu verzeichnen in denen die Zustimmung zum Brexit am größten war."

      Das wird ohnehin noch interessant - das Brexit-Kernland wird bis Ende des Jahrhunderts größtenteils aus unbewohnbaren Salzsümpfe bestehen.

      Und alles nur, weil ein paar schnöselige Brioche-Philosophen im frühen 18. Jahrhundert meinten, man müsse selbst dem hinterletzten Soziopathen einen Platz im Parlament freihalten, wenn er nur eine hinreichend große Horde strunzdummer und aufgehetzter Anhänger um sichsammeln könne.

      Wer haftet für den Kollateralschaden der gemeingefährlichen, menschenverachtenden Hassideologie namens "Konservativismus"? Durch Brexit verhungern, erfrieren, sterben an leicht zu behandelnden Krankheiten zehntausende unschuldige Menschen. Eine Gesellschaft, die in der Ära der Klimakatastrophe zivilisiert bleiben will, muss Konservative - insbesondere die religiöse Spielart - und ihre neofaschistischen Ziehkinder ausgrenzen.