Kommentar zur Einwanderungspolitik: Die Deutschen wollen Einwanderung
Große Teile der Gesellschaft befürworten eine verstärkte Einwanderung von Fachkräften. Die Bundesregierung könnte sich daran ein Beispiel nehmen.
D ass die Migrationsforscher um Klaus Bade bei der Vorstellung des Jahresgutachtens ihres Sachverständigenrats eine mutigere Einwanderungs- und eine offenere Flüchtlingspolitik fordern, das darf man erwarten. Überraschend aber ist die Meinung der Bevölkerung zu diesen Forderungen, die die Forscher am Mittwoch ebenfalls präsentierten: Große Teile der Bevölkerung unterstützen die Meinung der Experten. Sie befürworten eine verstärkte Einwanderung von Fachkräften und mehr Solidarität mit Flüchtlingen.
Die Bevölkerung ist also weiter, als die Angstdebatten der vergangenen Wochen und Monate vermuten ließen. Vor allem aber ist sie weiter als die Bundesregierung. Denn von dort kommt herzlich wenig in Sachen moderner Einwanderungspolitik.
Das liegt vor allem an der Union, die - trotz aller Fortschritte - weiter in einer grundsätzlichen Abwehrhaltung gegenüber Einwanderung gefangen ist. Mit Verweis auf die Arbeitslosigkeit hierzulande blockiert sie notwendige Reformen: den Abbau bürokratischer Hürden, die Senkung des vorzuweisenden Jahreseinkommens, die Einführung eines Punktesystems. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass die Einwanderung von Fachkräften nicht die Arbeitslosigkeit erhöht, sondern neue Stellen schafft. In der Bevölkerung scheint sich - trotz gegenteiliger Unions-Rhetorik - diese Erkenntnis langsam durchzusetzen.
Sabine am Orde ist stellv. Chefredakteurin der taz.
Das aber heißt nicht, dass sich die Deutschen generell für eine verstärkte Einwanderung aussprechen. Sie wollen nützliche Migranten; zudem können politisch Verfolgte auf Solidarität hoffen. Hier scheinen weite Teile der Bevölkerung offen für Reformen zu sein. Würde sich die Union daran ein Beispiel nehmen, wäre schon etwas gewonnen.
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