Umgang mit Migranten: Club der Pensionäre
Eine "hochrangige Konsensgruppe" soll Vorschläge für mehr hochqualifizierte Zuwanderung erarbeiten. Die Mitglieder sind fast ausschließlich Polit-Rentner.
BERLIN taz | Mit einer parteiübergreifenden Kommission wollen fünf deutsche Stiftungen eine Reform der Zuwanderungssteuerung anschieben. Das 13-köpfige Gremium, dem vor allem ehemalige Politiker angehören, soll bis zum Herbst einen in allen politischen Lagern konsensfähigen Vorschlag erarbeiten. Grundlage dafür werden die Vorschläge des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) sein.
Deutschland ist ein "bald demografisch vergreisendes und schrumpfendes Migrationsland", hatte der SVR vergangene Woche in seinem Jahresgutachten festgestellt. Anstatt aber den sich abzeichnenden Fachkräftemangel mit mehr Einwanderung zu bekämpfen, ist Deutschland in den vergangenen zwei Jahren zu einem Netto-Auswanderungsland geworden. Die bisherigen Regelungen sind zudem ungeeignet, um dringend gebrauchte Fachkräfte anzulocken: Zwischen 2007 und 2009 kamen nur 336 Hochqualifizierte ins Land.
Um diesen Missstand zu beheben, stehen mit den SVR-Vorschlägen drei sehr konkrete Maßnahmen im Raum: Erstens könnte das Mindestjahreseinkommen für Nicht-EU-Ausländer von bislang 66.000 Euro brutto auf etwa 40.000 gesenkt werden. Zweitens sollten ausländische Studierende verstärkt zum Bleiben bewegt werden. Und drittens empfiehlt der SVR den Testbetrieb eines Punktesystems, mit dem potenzielle Einwanderer eingestuft werden.
Diese Vorschläge sind aber noch weit davon entfernt, im politischen Prozess berücksichtigt zu werden. Das haben auch die Stiftungen erkannt, die hinter dem Rat stehen. Fünf von ihnen haben deshalb die "hochrangige Konsensgruppe Fachkräftebedarf und Zuwanderung" initiiert, die Abhilfe schaffen soll. Damit das sensible Thema Zuwanderung nicht im Parteienstreit zerrieben wird, wurden überwiegend ehemalige Politiker berufen, wie Ex-SPD-Parteichef Franz Müntefering, Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) sowie Ex-CSU-Finanzminister Theo Waigel.
Man sei so "freier von den Entscheidungen der Tagespolitik", sagte Peter Struck, Ex-SPD-Fraktionschef, der zusammen mit dem ausgemusterten Integrationsminister von NRW, Armin Laschet (CDU), die Kommission leiten soll. Neben Laschet, der in Düsseldorf weiter stellvertretender Fraktionschef ist, sitzt als einzige Noch-Nicht-Ex-Politikerin die rheinland-pfälzische Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU) im Club. Dazu kommen Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Grünen und FDP. Die Linkspartei ist nicht vertreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins