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Kommentar zum Siemens-StellenabbauDer Konzern lässt die Stadt im Stich

Siemens will in Berlin fast 900 Stellen streichen. Das ist einfallslos und unverantwortlich – und eine schwere Bürde für die Stadt.

Er wird wohl nicht mehr gebraucht: Mitarbeiter im Gasturbinenwerk von Siemens Foto: dpa

Was für ein Kahlschlag! Siemens, vor 170 Jahren an der Spree gegründet, macht bei der Produktion im Berliner Dynamowerk die Lichter aus, und auch in anderen Bereichen wird gekürzt. 870 Stellen werden in Berlin gestrichen, wie der Konzern am Donnerstag bekannt gab. Noch schlimmer trifft es Sachsen, wo zwei Werke geschlossen werden, nämlich in Görlitz und in Leipzig. Diese Tabula-rasa-Aktion ist völlig unverantwortlich und wird zu großem Unmut in Ostdeutschland führen, worüber sich allenfalls die AfD freuen kann.

Denn der Münchener Industriekonzern steht bei Weitem nicht vor der Insolvenz, sondern erwirtschaftet satte Gewinne. Aber diejenigen, die jahrelang für Renditen gesorgt haben, sind dem Management in dem Moment nicht viel wert, in dem es schwierig wird.

Es ist ja richtig: Der weltweite Markt der Energieerzeugung ist im Umbruch, die Erneuerbaren gewinnen immer mehr an Boden, bei Ausrüstungen für traditionelle Kraftwerke (etwa Gasturbinen) gibt es ein Überangebot. Darunter leidet Siemens. Selbst beim Bau von Windkraftanlagen streicht eine Siemens-Tochter massiv Stellen, weil die Konkurrenz stärker geworden ist.

Die Entwicklungen waren absehbar

All diese Entwicklungen brechen auf Siemens aber nicht herein wie ein lokales Sommergewitter, sondern sie waren lange absehbar. Viel mehr als Stellen streichen, Kosten senken und Standorte schließen ist dem Konzern bislang aber nicht eingefallen. Das ist insbesondere für Berlin eine schwere Hypothek – denn die Stadt braucht nicht nur Internet­firmen, Hotels und Clubs, sondern auch eine wettbewerbsfähige Industrie.

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8 Kommentare

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  • Das ist der Sinn einer AG: Geld für die Aktionäre zu verdienen.

  • Naja, es sind ja vermutlich eher weniger Siemens-Mitarbeiter, sondern "nur" die aus der zweiten Arbeiterklasse, von Manpower, randstad oder TUJA...

     

    Falls es doch auch ein paar "echte" Siemens-Mitarbeiter trifft*, ihr wisst schon, die mit Jahresrendite, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und diesem ganzen PiPaPo, so möchte ich doch hoffen, dass es die hochnäsigsten waren und Sie mit der berühmten, viel zitierten "klammheimlichen Freude" in der Realität begrüßen...

     

    * hat Siemens die überhaupt noch?? Schon die ausgelernten Azubis werden inzwischen in die drei oben genannten Firmen abgeschoben...

    • @Ano Nym:

      Leiharbeiter sind in der Zahl überhaupt keine drin, denn Sie sind keine Angestellten von Siemens, es sind nur Siemens MA bei den 870 dabei, alles andere kommt oben drauf.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        ...die sog. Leiharbeiter verschwinden also wieder mal einfach so, werden nicht mitgezählt, sind 'unsichtbar' und bleiben unsichtbar. Erinnert mich irgendwie an die 'geschönten' Arbeitslosenzahlen.

  • Wow, bisher schreibt der Autor stets gegen die Wirtschaft an und jetzt, wo die Wirtschaft auf die drohenden Umsatzeinbußen reagiert, beschwert er sich schon wieder. Was soll den Siemens mit den nutzlos werdenden Kapazitäten in Zukunft anfangen? Da sich offensichtlich keine Folgeverwendung anbietet ist die kaufmännische Entscheidung nicht zu beanstanden.

  • Vielleicht sollte sich Berlin - nicht die Bürger, sondern die Regierung - auch mal fragen, woran es liegt, dass wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen lieber dort die Stellen streichen als in Bayern oder anderen Regionen.

     

    Vielleicht macht Berlin ja irgendwas falsch bei den Priotitäten?

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      ...ach in Bayern wurden oder werden also keine Stellen gestrichen?

      Und was ist z.B. mit den Firmen Schott und Rodenstock, bis zum Ende des sog. Kalten Krieges und dem Mauerfall arbeiteten über 3000 Menschen in den jeweiligen Firmen im Bayerischen Wald. Kaum war der sog. Eiserne Vorhang zerschnitten, schon wurden die Arbeitsplätze nach Tschechien und Ungarn verlagert. Es geht immer nur um's Geld für die Aktionäre und sonst. nichts.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        aber natürlich werden auch in Bayern Menschen entlassen. Es entstehen aber ständig genug neue Arbeitsplätze, um den Ausfall zu kompensieren. Denn in Bayern freut man sich über eine starke Wirtschaft und macht ihr nicht das Leben schwer.