Kommentar zum FDP-Parteitag: Der Populismus ist wieder da
Die FDP will die Niedrigzinspolitik der EZB stoppen. So gewinnt die deutsche Erbengeneration – und Europa verliert.
E ines muss man FDP-Chef Christian Lindner lassen: Er hat bei vielen Kommentatoren den Eindruck geschaffen, seine Partei sei eine andere geworden. Lindner habe die Partei wieder auf „einen seriösen Kurs“ gebracht, lobte etwa die Deutsche Welle am Samstag.
Nichts ist falscher. Die FDP ist noch immer die Partei der Bessergestellten, die auch zu hemmungslosem Populismus greift, um ihre Interessen zu verteidigen. Dazu muss man nur die Attacken von FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gegen die Niedrigzinspolitik von EZB-Chef Mario Draghi in der FAZ nachlesen. Wäre die FDP in der Bundesregierung, würde sie diese Politik stoppen, sagte Beer.
Draghi ist der Mann, der den Euro gegen die kurzsichtigen Interessen der Deutschen gerettet hat. Das Bekenntnis zu unbegrenzten Anleihekäufen beendete die Spekulation gegen den Euro, die Niedrigzinspolitik ermöglicht dem Süden Europas zumindest wieder ein gewisses Wachstum. Sie ist nicht ohne den Nachteil zu haben, dass die Sparguthaben sinken und sich private Altersvorsorge kaum mehr rentiert.
Die deutsche Erbengeneration ist daher über die EZB ebenso verärgert wie die Mittelschicht, die privat für das Alter vorsorgt, weil der Staat es nicht mehr macht. Eine Alternative zu Draghis Politik wären höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende, die der Staat in Wachstum investieren könnte – die aber sind mit der FDP auch nicht zu machen.
Die Liberalen glauben, dass die Deutschen alles haben können: eine starke Exportwirtschaft, möglichst wenig Steuern, aber hohe Zinsen – und eine Bevölkerung in Frankreich und Italien, die die deutsche Hegemonie in Europa bei Wahlen mitträgt. Nun soll die EZB, die dieser bisher im Weg steht, unter Kontrolle gebracht werden. Da mag sich Christian Lindner auf Parteitagen noch so sehr als Proeuropäer geben: Die Gefahr, dass Marine Le Pen in Frankreich Präsidentin wird, steigt mit jedem Tag, an dem die FDP wieder in der Bundesregierung sitzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“