Kommentar zu „Flüchtlinge fressen“: Brutalität der Wirklichkeit

Am Ende der Aktion „Flüchtlinge fressen“ bleibt eine Show übrig, die zeigt, dass dem Bundesinnenminister Flüchtlinge egal sind. Das ist wirklich nicht neu.

Aktion Flüchtlinge Fressen

Hier warten die Tiger: Käfig der Aktion „Flüchtlinge fressen“ Foto: dpa

Am Ende ist die Sache bombig ausgegangen, jedenfalls für die Aktionskünstler vom Zentrum für politische Schönheit (ZPS): Alle reden über sie. Für die 100 syrischen Flüchtlinge, die für den nun abgesagten Charterflug aus Antalya gebucht gewesen sein sollen, ist es nicht so gut ausgegangen: Sie können ihre Koffer wieder auspacken und bleiben erst einmal in der Türkei – so es sich denn wirklich um reale Personen handelt.

Dann aber wüsste man gern, was denen eigentlich in Aussicht gestellt wurde. Denn dass sie nicht nach Berlin kommen würden, wird dem ZPS klar gewesen sein, als es sich ausgerechnet die deutsche Abschiebe-Airline Nummer eins, Air Berlin, für seine „zivilgesellschaftliche Flugbereitschaft“ ausgesucht hat. Wohlweislich hatte der Airline offensichtlich niemand erzählt, wer wirklich im Flugzeug sitzen soll. Natürlich bekam die es raus und sagte ab.

All das wird einkalkuliert gewesen sein, als Teil des bis zum Anschlag aufgedonnerten Spektakels. Genauso wie die 100 Flüchtlinge, die als dramaturgische Verfügungsmasse herhalten mussten. Am Ende bleibt eine Show übrig, die zeigt: De Maizière will keine Syrer mehr kommen lassen, und es ist ihm scheißegal, was aus ihnen wird. Dass der Neuigkeitswert dieser Tatsache dürftig ist, ist dabei ebenso wenig das Problem wie die große Geste, mit der sie ausgebreitet wird. Nichts spricht dagegen, immer wieder an das Flüchtlingssterben zu erinnern, und für große Gesten ist Theater nun mal da.

Aber diese Aufführung ist, genau wie die Tigerfraßnummer und diverse Vorläufer, erkauft mit einem ins Obszöne reichenden Umgang mit den Flüchtlingen. In immer neuen Variationen werden Sterben und Töten echter Menschen als wüste Zitate der Realität hergenommen: ausgegrabene Leichen, die Suizid-Show mit den Tigern oder „Soll sterben“-Buttons auf der Liste mit den Passagieren des vermeintlichen Rettungsflugs auf der Webseite. Das ZPS glaubt sich zu diesen Inszenierungen offenbar ermächtigt durch die Brutalität der Wirklichkeit. Aber es beutet diese nur aus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.