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Kommentar über den neuen Labour-ChefRebell ohne eine Chance

Jeremy Corbyn verspricht höhere Sozialleistungen und gerechtere Steuern. Doch in politischer Verantwortung hat er wenig Erfahrung.

Noch hat er allen Grund zum Lächeln: Jeremy Corbyn ist der neue Chef der Labour Partei. Foto: ap

Seit Jahren erfährt Großbritannien Kürzungen, Entlassungen, Privatisierungen und eingefrorene Gehälter. Dabei wird die Kluft zwischen Reich und Arm weiter größer. Jeremy Corbyn, der neue Labour-Chef, erlebte die Auswirkungen dieser Finanzpolitik im eigenen Wahlbezirk, der raueren Seite des Londoner Stadtteils Islington. So fand er die richtigen Worte, um die Bedrängten des Landes für sich zu begeistern.

Rhetorisch bestechend steht er für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und eine zivilisiertere Politik; er will Sozialleistungen erhöhen, finanziert durch höhere und gerechtere Steuern und innovative Wirtschaftsprogramme.

Doch trotz seiner 66 Jahre verfügt Corbyn über wenig Erfahrung in Sachen politischer Verantwortung. Die Jahre im Parlament verbrachte er auf der Hinterbank, wo er oft gegen die Weisung der eigenen Fraktion stimmte. Natürlich kann es sich Großbritannien leisten, sozialer gerecht zu sein, das sagt sogar IWF-Chefin Lagarde. Trotzdem weiß man nicht genau, wie das vonstattengehen soll, geschweige, wer Corbyn bei dem angestrebten Politikwechsel helfen kann. Dazu kommt, dass er sich in der Vergangenheit außenpolitisch einseitig und strategisch unklug äußerte.

Besonders die jüdische Gemeinschaft ist wegen seiner boykottfreundlichen Haltung gegenüber Israel und seiner früheren Kontakte zu militanten Islamisten und einem Holocaustleugner nervös. Corbyns Vorschlag, dass Großbritannien die Nato verlassen oder in Bezug auf die Falklandinseln kompromissbereit sein soll, wird bei vielen Briten eher auf wenig Begeisterung stoßen.

Noch weniger wird er die Sparpolitik der Konservativen stoppen können. Attacken im Parlament werden ohne Konsequenz bleiben, auch die angekündigte Entschuldigung für den Irakkrieg wäre da nur eine symbolische Geste. Die nächsten Parlamentswahlen sind fünf Jahre entfernt. Zeit genug für die Tories, Corbyn mit Vorschlägen zu unterminieren, die der New-Labour-Fraktion gefallen könnten. Ob es Corbyn dann noch gelingen kann, die Mehrheit der Briten hinter sich zu bringen, bleibt offen. Aber vor Überraschungen ist man ja auch in der Politik nicht gefeit.

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7 Kommentare

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  • Na, jetzt sehn wer mal.

    Was heißt hier "ohne Chance".

    Es kommt natürlich immer auf die sozialen Bewegungen an.

    In Britain demonstrierten aber letztens wieder 100.000 gegen die Kürzungen Duncan Smiths. Mal sehen wie das mit dem imperativen Mandat wird?

  • "Rebell ohne eine Chance", das dachten sicher auch die Labour MP's, die seine Kandidatur durch ihre Unterschrift unterstützt haben. Man muss sich schon wundern, welche Positionen in Britannien als "sozialistisch" und linksradikal gelten: keine Studiengebühren, eine staatliche Bahn, eine Investitionsbank, das Verbot von "0-Stunden-Jobs", kommunale Wohnungsbauprogramme, eine Politik, die mehr als 20000 Syrer im Land aufnehmen will. Könnte einem hierzulande vertraut vorkommen, ohne dass man sich deshalb als Bewohner einer sozialistischen Volksrepublik fühlt. Der größte Erfolg ihrer Politik sei es gewesen, bemerkte Lady Thatcher einmal, dass sie auch von der Opposition geteilt werde. Zumindest damit ist jetzt Schluss.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Zeit genug für die Tories, Corbyn mit Vorschlägen zu unterminieren, die der New-Labour-Fraktion gefallen könnten."

     

    Prinzipiell würde denen alles gefallen. New Labour ist halt eine Ersatzmannschaft der Tories.

  • Was für ein Null-Kommentar ...

     

    "Trotzdem weiß man nicht genau, wie das vonstattengehen soll, geschweige, wer Corbyn bei dem angestrebten Politikwechsel helfen kann."

     

    Ach, das weiß "man" nicht? Das ist ja mal eine so allgemeine Aussage, dass sie mehr über den Autor sagt, als über Corbyn. Mit seiner Ablehnung der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern liegt er übrigens voll im britischen Mainstream. Das ist kein Kommentar, das ist bla ...

  • Liebe Taz-FreundInnen: Verantwortung besteht nicht in der Anpassung an Kapital- und Profitinteressen der politischen Administration der britischen Finanz- und Monopolbourgeoisie!

  • "Jeremy Corbyn verspricht höhere Sozialleistungen und gerechtere Steuern. Doch in politischer Verantwortung hat er wenig Erfahrung." - Klar, viel "Erfahrung" mit "politischer Verantwortung" hatten Schröder, Fischer und Konsorten, nicht wahr?

    • @reblek:

      Genau. Hatten sie - zwar nur auf Landesebene, aber immerhin. Sie kannten daher die Weisheit hinter dem Spruch "Be careful what you wish for. You just might get it.". Corbyn steht - wie man auch an einigen seiner politischen Forderungen sehen kann - noch deutlich vor dieser Erkenntnis.