Kommentar griechisches Referendum: Eine Chance für ganz Europa

Das griechische Referendum war keine Entscheidung über Finanzierungspläne, sondern über Demokratie. Und die funktioniert nicht ohne Hoffnung.

Die Hand eines älteren Menschen an einer Tür

Pensionen zu streichen, ist nicht genug: Rentner vor der griechischen Nationalbank. Foto: reuters

Das Nein der griechischen Bevölkerung zu den Sparforderungen der Gläubiger ist eine gute Nachricht für Europa. Ein Mitgliedsland der Europäischen Union hat mit großer Mehrheit die Rückkehr zur Politik gefordert. Endlich.

Wahr ist: Die Probleme von Griechenland sind durch das Referendum nicht kleiner geworden. Es ist folgerichtig, dass alle, die über den Ausgang der Volksabstimmung enttäuscht sind, das mit wirtschaftlichen Argumenten begründen. Aber um die ging es ja gar nicht. Die konkreten Vorschläge, über die abgestimmt werden sollte, waren nach Angaben der Eurogruppe ohnehin längst vom Tisch. Über die konnte überhaupt nicht mehr entschieden werden.

Das Votum der Griechen ist deshalb nicht als sorgsam austarierte Entscheidung über Finanzierungspläne zu verstehen. Sondern als Forderung nach Demokratie.

Schon bei der Einführung des Euro hatte es vereinzelt Warnungen gegeben, hier werde der Dachstuhl eines Hauses ausgebaut, dessen Fundament noch nicht gelegt sei. Sollte heißen: Eine Währungsunion sei verfrüht, solange nicht geklärt sei, wie Demokratie unter diesen Umständen funktionieren könne.

Diese Warnungen haben sich als berechtigt erwiesen.

Hätte die griechische Bevölkerung mit Ja gestimmt: ihre Regierung hätte künftig kaum mehr tun dürfen, als Bändchen vor neuen Brücken oder Gebäuden durchzuschneiden, über deren Finanzierung anderswo entschieden worden wäre. Wenn das die Zukunft ist, der alle in Not geratenen Länder und ihre Völker entgegensehen –dann braucht man sich über Zulauf zu nationalistischen Parteien nicht zu wundern. Europa hat Glück, dass die griechische Regierungspartei Syriza wenigstens nicht europafeindlich ist.

Demokratie ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft funktioniert nirgendwo auf der Welt. Trotz aller Zerstrittenheit sind sich die Verhandlungspartner in zentralen Punkten einig: Die griechische Wirtschaft wird zur Erholung sehr viel Geld brauchen. Die Kürzung von Sozialleistungen und die Privatisierung von Staatseigentum könnten allenfalls Tropfen auf einen sehr heißen Stein sein.

Weshalb jetzt nicht nur über neue Kredite verhandelt werden sollte. Sondern endlich offen über die Grenzen von Souveränität und Demokratie geredet werden muss. In dieser längst überfälligen Diskussion liegt die Chance des griechischen Referendums – für ganz Europa.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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