Kommentar Zuzana Čaputovás Wahlsieg: Das Ende der alten Slowakei
Für ihre WählerInnen verkörpert Zuzana Čaputová einen politischen Neuanfang. Auf der künftigen Präsidentin lasten nun hohe Erwartungen.
Die Slowaken leben auf“ – stünden diese Worte nicht schon in der slowakischen Nationalhymne, müsste man sie jetzt nach dem Wahlsieg von Zuzana Čaputová glatt reinschreiben. Die 45-Jährige wurde nicht aufgrund ihrer beeindruckenden Bilanz als Anwältin der kleinen Leute und Umweltaktivistin zur neuen Präsidentin gewählt. Viele Slowaken haben auch deshalb für sie gestimmt, weil sie genug haben von der Arroganz der Macht und den mafiösen Verstrickungen, die sich unter der sozialdemokratischen Partei Smer und ihrem Vorsitzenden Robert Fico ausgebreitet haben.
Der Triumphzug Čaputovás begann mit dem Fall Ficos als Ministerpräsident im vergangenen Jahr. Ihr Wahlerfolg am vergangenen Samstag zeigt, dass die Massendemonstrationen nach dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak nicht nur ein politisches Rumoren waren. Sondern ein Aufwachen. Damals, im Frühjahr 2018 stand Čaputová noch inmitten der Tausenden von Demonstranten.
Mit ihrem Sieg ist sie nun nicht nur Präsidentin geworden, was in der Slowakei, ähnlich wie in Deutschland, ein vor allem repräsentatives Amt ist. Für die Bevölkerung ist sie eine Galionsfigur, die dafür sorgen soll, dass Fico und sein mafiöser Regierungsstil weiter im politischen Abseits bleiben, in die sie seit dem Journalistenmord geraten sind. Die größte Herausforderung, der Čaputová nun gegenübersteht, sind die Hoffnungen und Erwartungen, die die Slowakinnen und Slowaken in sie gesetzt haben und die man, wollte man es in einem Hashtag sagen, unter #füreineanständigeSlowakei zusammenfassen könnte.
Čaputovas Erfolg belegt, was viele schon während der Demonstrationen 2018 gehofft haben: Die Schüsse auf Ján Kuciak und seine Verlobte haben das Ende der alten Slowakei eingeläutet. Was andererseits – so zynisch es klingt – bedeutet, dass ohne diesen brutalen Doppelmord wohl alles beim Alten geblieben wäre. Bleibt zu hoffen, dass in Zukunft nicht wieder erst Menschen sterben müssen, um die Slowaken aufleben zu lassen.
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