Kommentar Zschäpe im NSU-Prozess: Das klingt nach Chaotisierung
„Etwas“ möchte Beate Zschäpe aussagen. Vielleicht. Große Erkenntnisse brächte das sicher nicht. Das Gericht sollte besser auf Zeugen setzen.
N un will Beate Zschäpe im NSU-Prozess also doch sprechen? Offene Fragen, die die Hauptangeklagte – und wahrscheinlich nur sie – beantworten könnte, gäbe es in der Tat genug. Wonach wählten die Rechtsterroristen ihre Opfer aus? Hatte der NSU Helfer an den Tatorten? Woher kamen all die Waffen?
Allein: Es wird dazu keine Antworten geben. Nicht von Beate Zschäpe. Hätte die Angeklagte diese Kernfragen beantworten und reinen Tisch machen wollen – sie hätte es längst tun können. Stattdessen kündigt sie nun, nach mehr als zwei Jahren Verhandlung, an, sich mit dem „Gedanken“ zu tragen, „etwas“ auszusagen.
Das klingt nicht nach großer Einlassung, sondern eher: Hier geht es Zschäpe darum, das Verfahren, dessen Anklage bisher nicht erschüttert wurde, zumindest noch zu chaotisieren. Und Gründe für eine spätere Neuaufnahme des Verfahrens zu schaffen – mithilfe eines vermeintlichen Zerwürfnisses mit ihren Anwälten. Sollte Zschäpe wirklich sprechen, dürfte sie allenfalls Randaspekte offenbaren.
Wichtig ist daher, dass die Richter die Ruhe bewahren und die Beweisaufnahme ordentlich zu Ende bringen. Am heutigen Dienstag etwa soll nochmals ein früherer Weggefährte Zschäpes aussagen. Kay S., einst Neonazi in Jena. Er wartete im Prozess bereits mit einer Überraschung auf: So habe er 1996 mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einen Puppentorso an einer Schlinge von einer Brücke gehängt mit der Aufschrift „Jude“.
Damals mit dabei: Beate Zschäpe. Das war bisher nicht bekannt. Und würde wieder mal beweisen, dass Zschäpe offenbar sehr wohl aktionsorientierte Rechtsextremistin war.
Kaum vorstellbar, dass dies die Angeklagte selbst eingeräumt hätte. Das zeigt: Die Erkenntnis solcher Zeugenaussagen ist größer als alles, was Zschäpe wohl aussagen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich