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Kommentar Zehn-Punkte-Plan der GrünenVorauseilender Gehorsam

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Das Papier ist sozialpolitisch schwach, Ökothemen fallen weit hinter Parteibeschlüsse zurück. Es leistet die Vorarbeit für Jamaika im Bund.

Bitte beachten Sie das Kleingedruckte rechts oben Foto: dpa

D ass sich die Grünen nach den Erfahrungen im letzten Bundestagswahlkampf diesmal mit progressiven steuer- und sozialpolitischen Forderungen zurückhalten, ist bedauerlich – aber zumindest nachvollziehbar.

Stattdessen will die Partei wieder mit klassischen Ökothemen punkten. Doch auch dort bleibt der „Zehn-Punkte-Plan“, den das Spitzenteam aus Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir am Mittwoch präsentiert hat, erstaunlich zahm und fällt weit hinter die Beschlusslage der Partei zurück.

So verspricht das Papier, die Ära des fossilen Verbrennungsmotors zu beenden. Doch das Jahr 2030 steht zwar im Entwurf fürs Wahlprogramm, nicht aber im Zehn-Punkte-Plan – wohl aus Rücksicht auf Diesel-Fan Winfried Kretschmann.

Auch bei der Beschleunigung der Energiewende und dem Kohleausstieg fehlt das Entscheidende: eine konkrete Angabe zum Zeitplan. Zur Erklärung heißt es von der Grünen-Spitze, das Papier sollte nicht zu lang werden. Für die sieben Worte „bis 2030“ oder „innerhalb von 20 Jahren“ war auf den vier Seiten kein Platz mehr? Das glaube, wer will.

Ein weichgespültes Programm mag Anschlussfähigkeit nach allen Seiten garantieren

Tatsächlich deutet alles darauf hin, dass Göring-Eckardt und Özdemir mit dem knappen Papier die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung erhöhen wollen: Je weniger konkret überprüfbare Forderungen aufgestellt werden, desto leichter fällt es später, auch einen Koalitionsvertrag mit Union und FDP als Erfolg zu verkaufen.

Auch die Aussage, dass das Wahlprogramm natürlich trotzdem gelte, hilft wenig. Die Grünen verkaufen den Zehn-Punkte-Plan ausdrücklich als ihr „verbindliches Angebot“. Das heißt im Umkehrschluss: Was dort nicht steht, ist unverbindlich, also Verhandlungsmasse.

Ein weichgespültes Programm mag Anschlussfähigkeit nach allen Seiten garantieren – ob es bei den WählerInnen ankommt, ist aber offen. Gerade bei ihren Kernthemen wird von den Grünen schließlich immer noch eine gewisse Konsequenz erwartet.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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32 Kommentare

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  • Ich finde es gut. Schlimmer als CSU Agrarlobbyminister Friedrich Schmidt oder Austeritätsproporz Müller kann es sowieso nicht werden. Fluchtursachen erstnehmen, Klimaschutz und Schutz der Biosphäre. Aber es hängt an der SPD. Hat Schulz den Mut zum europäisch ökologischen Wandel und sozialer Gerechtigkeit? Das geht nur mit der Seele der SPD, also der Linken.

    • @Pele :

      Ich wage zu bezweifeln, dass Schulz und der SPD "Mut" ausreichen würde, um den Grünen im Herbst als Koalitionspartner zur Verfügung zu stehen. Ein Wunder wäre hilfreicher...

       

      Mal im Ernst: Die rot-rot-grüne Mehrheit existiert nicht - im Moment nicht mal rechnerisch, und politisch gab es sie noch nie, weil SPD und Grüne die für eine "Mehrheit links der Mitte" notwendigen Stimmen aus der politischen Mitte in der Vergangenheit immer nur mit einer zentrischen Positionierung holen konnten, die sie mit der Linkspartei zwangsläufig inkompatibel machte.

       

      Würde Schulz sich also heute auf so eine Koalitionsaussage festlegen, könnte ihm das zwar Wähler bringen, aber die meisten von denen wären solche, die sonst knallrot oder grün gewählt hätten - linke Tasche-rechte Tasche, und kein Gewinn gegenüber Schwarz-Gelb und der AfD. Umgekehrt würde er jene Klientel in Richtung Union vergraulen, die hinter dem Seeheimer Kreis steht und der Linkspartei allenfalls in leidenschaftlicher gegenseitiger Ablehnung verbunden ist. "Lose-Lose" muss man das wohl nennen.

       

      In sofern kann man schon sagen: Die primären Adressaten dieses grünen Zehn-Punkte-Plans heißen nicht Schulz, Bartsch und Wagenknecht (/Kipping & Riexinger), sondern Merkel, Lindner und Herrmann(/Seehofer).

      • @Normalo:

        Ausländerhetze vorbei, das ist dann das "Wunder".

      • @Normalo:

        Sie sind Realist.

        • @Pink:

          Ist das ein Problem, wenn man sich mit den Grünen befasst? ;-)

          • @Normalo:

            Ganz und gar nicht.

            Meine Hoffnung auf RRG ist mittlerweile jedoch gähnial.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Eigentlich ist es doch ganz einfach und ganz logisch:

     

    Politik besteht -stark vereinfacht- aus zwei Schritten:

    1) Für die eigenen Ideen, Ziele und (maximal) Forderungen werben und überzeugen. Dann aber in Schritt

    2) mehrheitsfähige Kompromisse (!) anbieten und eingehen.

    Und Schritt zwei beginnt schon damit, breite (!) Wählerkreise anzuprechen, so ins Parlament zu kommen und dann ggf. in eine Regierungskoalition einzutreten.

    Insofern: Klares logisches Vorgehen.

     

    Alternativ: Alles oder nichts. Ohne Kompromisse und mit 100% der Maximalwünsche ins Parlament kommen und dann dort auch die absolute Mehrheit Erlangen, um ohne Abstriche die eigenen Ziele umsetzen zu können.

  • "Gerade bei ihren Kernthemen wird von den Grünen schließlich immer noch eine gewisse Konsequenz erwartet."

     

    Die waren nicht einmal mit der Linkspartei in Thüringen durchzusetzen, nicht einmal die sozialpolitischen. Dafür braucht es mehr Wähler, die dahinter stehen.

  • In Abwandlung eines Spruchs von Mark Twain: Berichte, dass es den Grünen glänzend geht, sind stark übertrieben. In NRW aus der Regierung geflogen, im Saarland aus dem Landtag.

    Also muss die Glaskugel her mit dem 10PunktPlan.

    - Klimaschutz

    - E-Mobilität

    - Liebende heiraten lassen

    und so weiter und so fort.

    Blöd, es gibt ja noch ein Wahlprogramm geplant für den 16.6.

    Bisher glaubte ich, Ziele würden im Wahlprogramm formuliert und werden vom Parteitag gesegnet.

     

    Im Programmentwurf wird Kohleausstieg - oh grünes Herz - bis 2037 fest terminiert. Lach, im 10-Punkte-Programm niente.

     

    Also PR-Gags aus allen Richtungen.

  • "So verspricht das Papier, die Ära des fossilen Verbrennungsmotors zu beenden."

     

    Nur mal als kleine Exkursion über die sogenannte "deutsche Angst": Als Rudolf Diesel auf der Weltausstellung 1900 seinen Motor vorstellte, betrieb er ihn mit Erdnussöl, weil ihm damals schon klar war, dass die fossilen Energieträger früher oder später zur Neige gehen müssen.

     

    Wahrscheinlich muss erst der allerletzte Rest Erdöl gefördert worden sein, bevor die Menschheit umsteigt.

  • Regel Nr.11: Hauptsache mitregieren. Nie wieder Opposition. Jamaika Hurra

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Mantis Toboggan:

      Nur in der Regierung kann mensch wirklich gestalten. Protestnoten aus der Opposition heraus mögen ideologisch sexy sein, bewirken aber i.d.R. rein gar nix.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Wenn du dich mit dem Teufel einlässt, verändert sich nicht der Teufel. Sondern der Teufel verändert dich.

        Die Grünen machen die CDU und FDP nicht grüner. Stattdessen werden sie konservativer. Sieht man schön in Hessen.

        • 7G
          74450 (Profil gelöscht)
          @Mantis Toboggan:

          Demokratische Parteien sind keine Teufel. Da liegt der Denkfehler. Es geht darum Mehrheiten für die eigenen Positionen zu finden. Wenn die links nicht zu holen sind, müssen die Grünen eben flexibel sein. In Hessen sieht mensch doch sehr schön, das es klappen kann mit Schwarz-Grün.

          • @74450 (Profil gelöscht):

            Wie bitte? In Hessen funktioniert gar nichts. Demonstranten wurden eingekesselt, Wohnen wird immer teurer, Innenstädte werden immer weiter mit Autos vollgestopft, kaum Radwege, ÖV ist unglaublich teuer.

            Hier ist nichts links oder grün.

            • @Mantis Toboggan:

              Genau so isses. Was die Radwege betrifft: Die Grünen empfehlen den Radlern, in der Fußgängerzone und in Parks " rücksichtsvoll zu fahren und plädieren für ein "friedliches Miteinander von Fußgängern und Fahrradfahrern", denn die sollen sich die wenigen Autofreien Wege teilen. Ich glaub, das sagt schon einiges über Grüne Politik.

  • Mich schaudert, wenn ich daran denke, dass ich in dieser Partei früher einmal aktives Mitglied war. Jetzt hoffe ich, dass die Grünen im September von den WählerInnen aus dem Bundestag entfernt werden. Eine solche Opportunistenvereinigung braucht keiner.

  • Anpasser-Partei

     

    "Das Papier ist sozialpolitisch schwach, Ökothemen fallen weit hinter Parteibeschlüsse zurück. Es leistet die Vorarbeit für Jamaika im Bund."

    Genau das passt und ist die durchsichtige Absicht. Man will sich Posten und Geld sichern. Links oder fortschrittlich oder sozial ist daran nichts. Die Grünen enthüllen damit ihren Kern. Und der ist schlicht Opportunismus.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    "...ob es bei den WählerInnen ankommt, ist aber offen."

     

    Bei welchen WählerInnen?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @61321 (Profil gelöscht):

      "Bei welchen WählerInnen?"

       

      Na, den "linksgrün-versifften" - natürlich...

  • Die Grünen sind neoliberaler geworden als die CDU/CSU und FDP zusammen. Den Eindruck bekomme ich nicht weg.

    Viele Grüße

    PS: Guter Beitrag. Mehr lohnt es nicht über das Thema zu schreiben.

  • Ich will keinen Ausbau der individuellen E-Mobilität, weil sie den Zustand der Straßen und den Transport von Waren und Menschen über unsäglich weite Wege verfestigen. Ich will lokale Kreisläufe zum Schutze des Planeten.

  • Zunächst sollte man sich klarmachen, dass es sich bei dem Zehn-Punkte-Plan um ein REGIERUNGS- und kein reines Wahlprogramm handelt, also einen Forderungskatalog an potenzielle Koalitionspartner (zu denen, Stand heute, zwangsläufig die Union, die FDP oder auch beide zwingend gehören werden). Wenn die Grünen diesen Plan also nicht bloß als Wunschliste, sondern, wie sie behaupten, als unverhandelbare Kernforderungen für eine eventuelle Regierungsbeteiligung betrachten, kann man ihn zumindest gleichermaßen als eine vorweggenommene Rechtfertigung für den Gang in die Opposition sehen. Denn dass sie der Union und/oder der FDP zu ALLEN diesen Punkten wirklich erhebliche Zugeständnisse abringen können, wage ich zu bezweifeln.

     

    Was der Plan NICHT macht, ist abgehobene Maximalforderungen zu formulieren, die einer utopischen grünen Mehrheit in Bund und Ländern bedürften, um eine Chance auf Umsetzung zu haben. Angesichts der hohen Sympathieverluste, die sich die Grünen in der Vergangenheit mit solchen Maximalforderungen eingehandelt haben (ohne dadurch deren Verwirklichung irgendwie näher zu kommen), ist das eine verständliche Wende in der Taktik. Insofern ist der Verzicht auf gewisse Schärfen wohl auch weniger den Kretschmanns dieser Welt geschuldet als den absehbaren Schmerzgrenzen der potenziellen Koalitionspartner.

     

    Ob die Taktik "Mindestforderungen, aber die knallhart" am Ende aufgeht, hängt von der Glaubwürdigkeit des erkennbar machtorientierten Duos KGE/Özdemir ab: Schaffen die beiden es bis zur Wahl, genug Wähler davon zu überzeugen, dass sie die zehn Punkte auch dann noch als unverhandelbar betrachten werden, wenn die Möhre eines Ministeramtes vor ihrer Nase baumelt?

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      ...und am Ende bleibt ein ziemlich fauler Kompromiss.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Ein Kompromiss ist immer nur dann faul, wenn nur EINE Seite unzufrieden ist. Stehen die zehn Punkte am Ende wirklich alle in einem Koalitionsvertrag, wage ich zu behaupten, werden auch die anderen Koalitionäre nicht wirklich glücklich aus der Wäsche gucken...

         

        Sie müssen sich natürlich auch mal kritisch fragen, ob ein Kompromiss, den SIE als "nicht faul" akzeptieren könnten, überhaupt noch ein solcher wäre. Schwebt Ihnen möglicherweise nicht weniger als eine komplette Durchsetzung grüner Maximalforderungen mit allenfalls kosmetischen Abstrichen vor, damit Sie eine Koalition mit den "Mächten des Bösen" schlucken könnten?

  • Wenn die Grünen bereits mit Kompromissen in den Wahlkampf ziehen, statt mit einem 100% „grünen“ Wahlprogramm, dann heißt das doch, die Wähler wären damit überfordert, und die Grünen wissen es.

     

    Wie schön wäre es doch, könnte man das vorhandene Wahlvolk abwählen und sich ein neues wählen, das von Kopf bis Fuß auf „grün“ eingestellt ist!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Dass sich die Grünen nach den Erfahrungen im letzten Bundestagswahlkampf diesmal mit progressiven steuer- und sozialpolitischen Forderungen zurückhalten, ist bedauerlich – aber zumindest nachvollziehbar."

     

    Schreiben Sie doch auch dazu, dass die Grünen versuchen, das Desaster von 2013 in dieser Form zu verarbeiten.

    • @571 (Profil gelöscht):

      welches Desaster? 8,4% sind bestimmt kein Desaster, sondern ein relativ normales Ergebnis für Grüne. Ein Desaster hat 2013 die FDP erlebt. Und die ist besser drüber weggekommen

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Revoluzzer:

        Das stimmt, von 8,4% können die Grünen ja momentan nur träumen.

        Sozial hat 8,4% gebracht und unsozial bringt womöglich unter 5%. Aber wie praktisch, in beiden Fällen ist das böse soziale Thema daran Schuld.

  • Vor allem Klimaschutz ist so allgemein. Was wollen wir denn schützen, um das zu erreichen? Die Meere, die Böden, die Artenvielfalt, die letzten Biotope. Wie wollen wir es erreichen? Ich möchte vor allem keine E-Mobilität, weil sie am Kernthema des begrenzten Platzes in Städten einfach vorbei geht. Da ändert sich gar nichts an den ewig weiten Transport- und Arbeitswegen. Außerdem gibt es gut funktionierende E-Mobilität: Bahn auf elektrifizierten Strecken und die Straßenbahn. Ach ich weiß auch nicht, diese Partei ist es für mich jedenfalls nicht.