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Kommentar WohnungsbauHeikle Fragen für die Öko-Linke

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Neubauten in der Stadt verschlechtern fast immer die Wohnqualität der Alteingesessenen. Doch keiner gibt gern zu, eigennützig zu protestieren.

Hauptsache ich hab's schön: AnwohnerInnen geben nur ungern einen Teil des Tempelhofer Felds her Foto: dpa

N ichts bleibt, wie es ist. Und selbst AnwohnerInnen des Tempelhofer Feldes in Berlin, die sich gerne den Wind um die Nase wehen lassen, wenn sie über das Gras spazieren und den Feldlerchen lauschen, selbst die sagen sich mitunter mit einem schlechten Gewissen: Ja, es ist wunderschön hier, diese weite, leere Fläche mitten in einer europäischen Metropole. Wunderschön. Und sau-unfair.

Unfair ist, dass hier nicht mal eine Randbebauung politisch möglich ist, wegen des Volksentscheides in Berlin. Es mangelt an Tausenden von bezahlbaren Wohnungen, auch in anderen Metropolen. Wissenschaftler stellten auf der Münchner Messe BAU am Montag wieder entsprechende Zahlen vor. Aber der Neubau wird vielerorts verschleppt – wegen der Anwohnerproteste. Die Enge in den Metropolen hat zur Folge, dass das Instrument der Bürgerbeteiligung an Grenzen stößt. Die Frage auch an die Öko-Linke lautet: Welcher Wohnungsbau muss möglich sein, auch wenn die Interessen von Nachbarn dadurch verletzt werden?

Neubau in der Stadt verschlechtert fast immer die Wohnqualität der Alteingesessenen. Es gibt weniger Grün, weniger Sonne, weniger Blick, weniger Frischluftschneisen, weniger Parkplätze. Auch wenn das nicht so offen gesagt wird, es könnte ja zu egoistisch klingen. Mitunter findet sich eine seltene Tierart, die dringend geschützt werden muss, sodass auf der Brache nicht gebaut werden darf. All das hat mit „Egoismus“ nichts zu tun, es sind verständliche Interessenlagen der Alteingesessenen. Die haben aber nichts mit den Notlagen von Wohnungs­suchenden gemein.

Die politische Lösung kann nur lauten: Bauen in der Enge muss sozial sein. Wie wäre es in Berlin mit: Ja zum Wohnen auf dem Tempelhofer Feld – aber nur am Rand und mit 80 Prozent geförderten Wohnungen. 1.000 Wohnungen für Normalverdiener, Familien, Senioren, StudentInnen. Da bleibt noch viel Platz für die Feldlerche. Es gibt sogar AnwohnerInnen, die heute dafür stimmen würden.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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8 Kommentare

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  • "Heikle Fragen für die Öko-Linke" von Barbara Dribbusch am 15.01.2019

    - Für eine ebenfalls als "Öko-Linke" zu vermutende Kommentarin ein enttäuschender Beitrag. Auf diesen Vorwurf wurde bereits in der Anfangsphase des Vorhabens mit unterschiedlichen Meinungen debattiert.

    - Für den Genuss eines nahen Grüns gibt es auch andere Beispiele: Gleisdreieck, Grunewald. Dieser Vorteil ist doch nicht zu verurteilen!

    - Für den Erhalt des Tempelhofer Feldes gab es im Mai 2014 übrigens einen erfolgreichen Volksentscheid

    - Als ebenfalls Öko-Linke ist eine Verurteilung dieses Volksentscheids doch sehr befremdlich!

    - Mittlerweile gibt es nach einem zweijährigen Entwicklungs- und Pflege Plan Verfahren auch die Verwirklichung komkrter Projekte auf dem Feld!

    - Neben den dortigen Freizeitmöglichkeiten gibt es Übrigens auch den wertvollen Naturscutz für Feldlerchen, Trockengrasflächen und Zauneidechsen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Hans-Ulrich Steffen

  • Seit "The Limits to Growth" (1972) wissen wir, dass leider nicht nur die soziale Frage zu benatworten ist. Die politische Lösung kann daher seit 1992 (Konferenz für Umwelt und Entwicklung) nur lauten: Bauen in der Enge muss nachhaltig sein.



    Dass Menschen, die in mehrfach umweltbelasteten Gebieten leben (vgl. taz v. 14. 12. 2014), das Tempelhofer Feld als zentrale Erholungsfläche behalten möchten, haben sie demokratisch entschieden. Solange die Verteilung der Umweltbelastungen in der Stadt ungerecht ist, ist das Tempelhof-Gesetz auch eine soziale Notwendigkeit.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...muss denn immer alles 'bebaut' werden? Und wer sagt, dass es bei der sog. Randbebauung bleibt?



    Ein Blick über'n Großen Teich, nach New York, lohnt.



    Der Central Park, eine 'Grüne Lunge', mitten in der Großstadt. Kein Mensch käme auf die Idee, diesen Park zu bebauen.



    Nicht nur für Berlin braucht es neue, städtebauliche Konzepte.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Ol Conny Adenauer - post WK II - legte den Plan Autobahnbebauung Grüngürtel - schlicht in die Schublade.



      Kölsche Lösung - & hück Grillen - gern auch türkisch/kurdisch etc unter



      “Grillen verboten“ Der Stadtdirektor.“

      kurz - “Meer muß och jünne künne.“



      Normal.

  • Qualität oder Quantität



    Die Kapitalinteressen sorgen dafür dass die Entscheidung für den Profit und damit für die Quantität im Wohnungsbau ausfällt. Die Wohnqualität wird hinten angestellt. Als Gutachter habe ich in München ein Wohnquartier mit einer GFZ von über 3 auf den Tisch bekommen. Das Ergebnis: Die unteren Geschosse sind über mehr als ein halbes Jahr ohne Sonne. O.K. Ich hätte die Planung ohne Abstriche an der Wohnfläche durch eine überlegte Höhenstaffelung verbessern können - Wollte Frau aber nicht! Das nennt sich dann „Urbane Wohngebiete“. Man sollte meinen dass die Politik und Planer aus den negativen Erfahrungen der Mietskasernen Ende des 19 Jahrhunderts etwas bleibendes gelernt hätten. Nein, der Rollback läuft - die Architektur-Bewegung der 1920-1930 „Licht, Luft, Sonne“ ist vorbei. Bauen in der Enge ist weder sozial noch umweltverträglich!

  • Tja, es ist schon ein Kreuz! Geteilte Freude mag ja doppelte Freude sein, aber geteilter Besitz ist nun mal nur noch halber Besitz. Und manchmal nicht mal das. Weil etwa eine leere Fläche, die nur noch halb so groß ist wie zuvor, zu klein ist um als Lebensraum der Feldlerche zu dienen.

    Man könnte also sagen: Geteiltes Leid kann doppeltes Leid sein. Und Leid zu verdoppeln, ist ja nicht Sinn des Teilens, oder doch?

    Nein, ist es nicht. Ich fürchte fast, das ist wie mit der Migration. Ist schon verdammt unfair, den übers stürmische Mittelmeer angereisten Habenichtsen die Tür vor ihrer Nase zuzuschlagen. Aber soll man wirklich mit ihnen teilen? Wer garantiert einem, dass man das nachher nicht bereut? Niemand kann das. "Na also!", sagt der brave Untertan.

    Neubau in der Stadt verschlechtert fast immer die Wohnqualität der Alteingesessenen. Es gibt weniger Grün, weniger Sonne, weniger Blick, weniger Frischluftschneisen, weniger Parkplätze. Kann denn weniger mehr sein? Kommt darauf an. Wenn es mehr Freude macht, ist weniger von allem wirklich mehr. Wenn es mehr Ärger macht, natürlich nicht.

    Wann ergibt Egoismus einen Sinn? Nur dann, wenn man bedenkt, dass fremde Menschen oftmals Chancen sind und nicht nur Risiken, dass also ein Gemeinschaftsleben durchaus die Selbstliebe befördern kann. Wenn die Gefahr, dass man betrogen und bestohlen wird, nicht größer scheint als der Gewinn, den man in der Gemeinschaft sieht, in ihrer Unterstützung oder Unterhaltung etwa, wird Teilen etwas sehr Vernünftiges.

    Die politische Lösung kann also nur lauten: Dämmt die Ausbeutung und den Betrug ein. Dann könnt ihr auch das Tempelhofer Feld bebauen. In der Enge muss es sozial zugehen. Es gibt sogar noch Menschen, die genau das wollen.

    • @mowgli:

      & Däh Mailtütenfrisch & Zisch

      “MOWGLI: " Geteiltes Leid kann doppeltes Leid sein." Häih! Das ist mein Satz.







      Glück Auf!



      www.taz.de/Komment...nungsbau/!5563103/

      Nu kik Di dat an. Sind es also die egoistischen „Öko-Linken“...

      Linken-Bashing klappt immer im grünen Bayernkurier.

      Beamtete grün-akademische Eiapopeia-Milieu

      (aka B90/Grüne-Wähler) kommt im Text nicht vor. - Nix Öko-Sozial..

      (hsqmyp)"

      kurz - in gut chinesisch - “wische wische popo" & "hei zung"

  • Jetzt nähern wir uns dem Kernproblem. Alle Änderungen sind willkommen, solange sie in der Ferne passieren oder unverbindlich sind. Sei es Wohnungsbau in der Stadt, sei es Stromtrassen in der Natur, sei es Bahntrassenerweiterung. Aus der Ferne ist alles zu begrüßen. Wenn man selber betroffen ist, wird eine BI dagegen organisiert.

    Aber es gibt noch etwas Gemeinsames: das Schimpfen auf das Versagen der Politik. Entweder weil die es nicht durchsetzen oder weil die es durchsetzen. Und das sich nur der negative Eindruck fest ins Gedächtnis einbrennt und sogleich flächendeckend verbreitet, nimmt die Verbitterung immer mehr zu.

    Und warum? Alles nur, weil die Gesellschaft eben doch aus Individuen besteht.