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Kommentar Wahlergebnis ÄgyptenPraktisch peinlich

Ein Pseudo-Parlament ist für den ägyptischen Präsidenten nützlich. Die Hoffnung auf politische Reformen ist mit diesen Wahlen aber wieder einmal im Nil baden gegangen.

W ahlbetrug ist in Ägypten eigentlich nichts Neues. Aber das, was die Regierung Hosni Mubaraks beim ersten Wahlgang der Parlamentswahlen veranstaltet hat, kam selbst für die hartgesottenen Ägypter als Überraschung. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute ist: Dank neuer Handy-Foto- und Videotechnologie ist der massive Wahlbetrug auch dutzendfach dokumentiert und tausendfach über Youtube und Facebook verbreitet.

Am Ergebnis ändert das allerdings nichts. Nachdem jetzt noch, nach dem ersten Wahlgang, die großen Oppositionsparteien aus Protest ausgestiegen sind, wird die Regierungspartei Mubaraks am Ende nach der Stichwahl nächsten Sonntag ein sozialistisches 90-Prozent-Ergebnis erreichen. Die islamistischen Muslimbrüder bleiben genauso wie die säkulare Opposition außen vor.

Das macht das Parlament unter allen demokratischen Gesichtspunkten wertlos, wenngleich für die Regierung praktisch. In einer Zeit, in der die Nachfolge des 82-jährigen Präsidenten offen ist und nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen, kommt ein Pseudo-Parlament, das nicht stört gerade recht, auch wenn das Ganze international mehr als peinlich ist. Aber was soll´s: Europa und die die USA werden im Namen der Stabilität in unmittelbarer Nachbarschaft Israels nicht allzu viel lästige Fragen stellen.

privat

Karim El-Gawhary ist Autor und taz-Nahost-Korrespondent.

Der ganze Umgang mit den Wahlen zeigt, welche Paranoia bei dem Regime in der Frage, wie es weiter gehen soll, herrscht. Nach dem Motto: politischer Stillstand birgt das geringste Risiko. Ein recht kurzfristiger Ausblick.

Denn die Hoffnung auf einen friedlichen demokratischen Wechsel und politische Reformen, ist mit diesen Wahlen wieder einmal im Nil baden gegangen. So ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die Menschen im bevölkerungsreichsten arabischen Land nach radikaleren Optionen umsehen. Das wäre dann ein Desaster – nicht nur für Ägypten.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

1 Kommentar

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  • S
    Simon

    Einfach nur beschämend!!!

     

    Man muss sich als Europäer und Deutscher für deren jetztige feige Politik in Sachen Ägypten schämen.

    Wenn der westlichen Welt ein Diktator nicht passt, ja dann maschiert man sogar ein, natürlich nur um dem Volk in Demokratie zu bringen. Und wie man sieht ist das auf

     

    diese Art gar nicht so leicht (siehe Irak und Afghanistan). Wenn aber ein Volk gegen einen Diktator aufgegehrt, dessen Diktator der westlichen Welt gut ins Kalkül passt, ja

     

    dann will man sich nicht einmischen: "Es ist schliesslich Sache des Volkes selbst".

     

    Dabei wäre es wichtig genau jetzt diese Bestebungen zu unterstützen, und die Toten nicht umsonst gewesen lassen zu sein!!!

     

    Mubarak sollte niemand auch nur 1 Meter trauen. Er hat vor seiner Wahl (VOR 30 Jahren) auch Reformen und die Abschaffung des Ausnahmezustand versprochen. Als er an

     

    der Macht war, war davon nichts mehr wahr. Wenn er jetzt von Reformen spricht, ist das nichts anderes als Zynismus!!!

     

    Es ist überhaupt unglaublich und nicht zu verstehen, wie z.B. die USA soviele Milliarden für das ägyptische Regime und Millitär ausgeben konnte, anstatt den Menschen zu

     

    helfen und der Armut zu begegnen.

     

    ICH FORDERE UNSERE REGIERUNGEN AUF, DIE LIPPENBEKENNTNISSE ZU BEENDEN, UND KLARTEXT ZU REDEN.

    MACHEN SIE DEM ÄGYPTISCHEN REGIME KLAR, DASS SIE HINTER DER BEVÖLKERUNG UND DESSEN FREIHEITSWILLEN STEHEN.

    NEHMEN SIE KONKRET KONTAKT MIT DER OPPOSITION AUF, UND BITTEN SIE JEDWELCHE HILFE AN.