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Kommentar Wahl in NiedersachsenDebakel eines Abgehalfterten

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

In Niedersachsen ist das Kalkül der CDU nicht aufgegangen, die SPD im Abwärtsstrudel zu treffen. Althusmann dürfte in der Versenkung verschwinden.

Schlecht gelaufen: Mit Spitzenkandidat Althusmann fährt die CDU ihr miesestes Ergebnis seit einem halben Jahrhundert ein Foto: dpa

D ie SPD hat mit Stephan Weil in Niedersachsen einen strahlenden Sieg eingefahren. Das ist erstaunlich, denn wenige Wochen nach der Bundestagswahl hätte vieles dafür gesprochen, dass die negative Dynamik des Schulz-Effekts die Genossen in Hannover mit in den Abgrund reißt.

Aber Landtagswahlen sind und bleiben nun mal Landtagswahlen, das wurde Weil selbst in den vergangenen Wochen nicht müde zu betonen. Und Weil ist ein auf seine hemdsärmelige Art im Wortsinn populärer Landesvater, einer der zum Volk geht, zuhört, mitmacht – und das nicht nur im Wahlkampf. Er hat das Land in den vergangenen Jahren ordentlich gemanagt und strahlt die Ruhe aus, die man im Norden schätzt.

Sicher, Vergabeaffäre hier, VW-Kuschelkurs dort – aber jeder im Land weiß, dass die vorherige schwarz-gelbe Regierung an diesen Punkten exakt genauso fragwürdig agiert hat wie zuletzt die SPD

Das Kalkül der CDU ist nicht aufgegangen: Indem sie den vorzeitigen Wahltermin erzwang, der maximal dicht am damals schon absehbaren SPD-Debakel bei der Bundestagswahl lag, wollte sie die SPD im Abwärtsstrudel treffen. Aber dazu braucht man eben auch eine überzeugende Alternative. Und das ist diese Niedersachsen-CDU einfach nicht.

Schon dass sie den abgehalfterten Bernd Althusmann aus Namibia holen musste, hat überdeutlich gemacht, dass es ihr nach David McAllisters Flucht nach Brüssel an präsentablem Spitzenpersonal fehlt. Althusmann musste Wahlkampf gegen seine eigene Schulreform machen und hatte in seinem Fachgebiet Bildung auch sonst eher irrlichterne Vorschläge zu bieten. Sein Pleiten-Pech-und-Pannen-Wahlkampf macht dieses schlechteste Ergebnis seit einem halben Jahrhundert endgültig zu seinem persönlichen Debakel.

In der CDU werden schon die Messer gewetzt. Von Althusmann wird nur in Erinnerung bleiben, wie man seinen Namen richtig ausspricht. Wenn er Glück hat.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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12 Kommentare

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  • Ob nun Wahlsieger oder Wahlverlierer, auffällig ist hier nur, daß es kein Problem ist, sich auch dann zum Wahlsieger zu erklären oder erklären zu lassen, wenn man von 63 Prozent der Wähler nicht gewählt wurden ist, und daß die Umsetzung des Volkswillens auch dadurch erfolgt, indem man sich mit anderen Parteien verbindet, die von um die 85 bis 90 Prozent der Wähler ausdrücklich nicht gewollt sind.

    • @wxyz:

      Ich halte würfeln mittlerweile auch für die demokratischere Variante.

  • Althus-was?

     

    Vielleicht Zeit für eine Jung-hus-Frau!

  • War was?

  • Ich glaube, da freut sich Herr Kahlcke zu früh. Die FDP hat eine Koalition mit der SPD bereits ausgeschlossen und somit wird es wohl ein Jamaika-Bündnis geben. Dann kann sich Weil seinen Wahlsieg einrahmen und übers Bett hängen...

    • @Tom Berger:

      Ach komm, die FDP war letztlich immer zur Stelle, wenn es um Machtbeteiligung geht. Sie möchten jetzt gebeten werden und wenn keiner bittet - auch egal.

      Als kleinste Partei hat die FDP doch hier genau so jahrzehtelang die bundesdeutsche Richtung bestimmt. Man nennt es wohl „Demokratie“.

  • Immerhin hat es bei der Wahl auch eine Rolle gespielt, wie herzlich die CDU die abtrünnige Elke Twesten aufgenommen hat. Für deren Austritt aus der Fraktion der Grünen spieleten die Konservativen wohl keine Rolle, aber eigentlich sollte es der Anstand gebieten, aus solch einer Situation keinen Gewinn zu verbuchen. JETZT KAM auch dafürn DIE QUITTUNG!

  • Das typische,bräsige,übersatte CDU-Gesicht hat nicht gewonnen?

     

    Das erstaunt in diesen Tagen wirklich.

  • Die CDU hat die SPD aber mit der AfD doch noch erwischt und es gibt einen Politiktrend nach Rechts: Die Linken draußen, die AfD drinnen - das wird nicht schön werden. Als Konstellation bieten sich afrikanische Verhältnisse an: Rot, Gelb und Grün, wie in der Fahne Äthiopiens. Und da müsste die SPD sich dann selbst überbieten, um wirklich zu guten Ergebnissen zu kommen. Eines dürfte aber klar geworden sein: Die SPD muss große Koalitionen meiden und eigene Stärken entwickeln. Wie das gegen die AfD gehen soll, dass muss die Partei wohl nich ausbaldowern, aber der Druck ist hoch, auch wenn die AfD sich im Landtag zerlegen könnte, bzw. das ist wohl der Weg. Aber der Frust der AfD braucht Antworten, damit dieses Phänomen aufgelöst werden kann. Und da fehlt mir momentan noch ein guter Ansatzpunkt, habe ich doch Angst, dass die SPD sich jetzt in ihrem Ergebnis sonnt und vergißt, dass sie weit von 50 Prozent entfernt ist ...

  • Heutzutage versucht anscheinend jede Partei mit unlauteren Mitteln der Anderen eins reinzuwürgen, Deutschgesprochen, aber dass kann eben auch nach hinten losgehen, wie man bei der Abwerbung von Frau Twesten sehen konnte.

     

    Auch den Österreichern, SPÖ, ist es ja so ergangen, wenn man an ihre Schmutzkampagne denkt.

     

    Solche Geschichten sorgen nicht gerade dafür, die Politikverdrossenheit der Menschen zu verringern.

     

    Aber man weiter so, lernen werden unsere Politikasse nicht aus diesen Geschichten, "Alten Hunden bringt man keine neuen Tricks mehr bei", es sei denn, sie würden tatsächlich über den eigenen Schatten springen und mal jüngere ran lassen.

    Allerdings wüsste man bei den meisten Parteien nicht wer das sein sollte!?!

  • Herr Althusmann hatte die Bundeskanzlerin vor allem wegen ihrer menschenfreundlichen Politik kritisiert. Und das hat ihm persönlich nicht geholfen. Sein Kalkül ist nicht aufgegangen.

     

    Erklärungen stichpunktartig:

     

    - Position zwischen 2 Stühlen nach Prof. Porter. CDU in Niedersachsen hat in den letzten Monaten massiv verloren, wo die CDU Politik auch auf Bundesebene immer mehr rechte Rhetorik (Familien-Nachzug, Obergrenze ...) aufgenommen hat;

     

    - USP (Alleinstellungsmerkmal) bei der AfD bei diesem Produkt, und man wählt bekanntlich das Original und nicht eine Kopie.

     

    Zitat von Focus über Herrn Althusmann und seiner Kritik in Richtung Bundeskanzlerin: „Solche Aussagen wirken, als wollte sich der niedersächsische CDU-Spitzenkandidat plötzlich von Merkel distanzieren. Eine gefährliche Strategie, mit der einige andere Unionspolitiker schon baden gegangen sind. Man denke an Julia Klöckner, die sich vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2016 deutlich von Merkels „Wir schaffen das“-Credo distanziert hatte. Das Ergebnis: Die CDU fuhr empfindliche Verluste ein, die SPD gewann dazu und das seit 2011 amtierende rot-grüne Bündnis regiert im Südwesten weiter. Dabei waren der ehemaligen Weinkönigin anfangs gute Chancen prophezeit worden.“

    http://www.focus.de/politik/deutschland/landtagswahl-in-niedersachsen-die-anti-merkel-falle-cdu-landeschef-setzt-auf-gefaehrliche-last-minute-strategie_id_7707549.html

  • „Das Kalkül der CDU ist nicht aufgegangen: Indem sie den vorzeitigen Wahltermin erzwang...“

     

    Die vorgezogenen Wahlen in Niedersachsen und der Grund dafür erinnern irgend wie an die erzwungene Abstimmung vor der Bundestagswahl über die gleichgeschlechtlichen Ehen. Man würde schon denken, als wäre das eine Reaktion darauf. Die Abstimmung hat damals vor allem den Grünen geholfen. Einige Politiker sprachen damals ganz leise und indirekt über einen bestimmten Kalkül, der nicht aufgegangen ist.