Kommentar Waffenruhe in der Ukraine: Krieg an der Propagandafront
Erhebliche Zweifel sind angebracht, ob die Feuerpause wenigstens soweit hält, um die Chancen auf einen Friedensschluss zu wahren.
G etötete Zivilisten, Schießereien im Donbass und Explosionen am Flughafen von Donezk: Zwar ist es noch zu früh, das Minsker Protokoll zwischen der Kiewer Regierung und den prorussischen Kämpfern vom vergangenen Freitag als komplett hinfällig zu bezeichnen. Dennoch sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die Feuerpause wenigstens insoweit hält, um die Chancen auf einen Friedensschluss zu wahren.
So wie immer in diesem Krieg, der nicht nur im Osten der Ukraine, sondern auch an der Propagandafront ausgefochten wird, bezichtigen sich die Konfliktparteien gegenseitig, die Vereinbarung gebrochen zu haben. Doch wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet – es liegt die Vermutung nahe, dass es auf beiden Seiten Kampfeinheiten gibt, die in Eigenregie unterwegs sind. Und denen ist es herzlich egal, worauf sich Unterhändler des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und der Rebellen einigen. Das wiederum würde die Behauptung des Kreml stützen, mit den prorussischen Kämpfern nichts zu tun zu haben und ergo auch keinen Einfluss auf sie ausüben zu können.
Zum jetzigen Zeitpunkt können sich die Rebellen als Sieger betrachten. Denn das in der Minsker Vereinbarung erwähnte Gesetz über einen Sonderstatus für den Donbass könnte auf ein quasi staatliches Gebilde ähnlich wie das von der Republik Moldau abtrünnige Transnistrien hinauslaufen. Dort könnten die Rebellen dann schalten und walten, wie sie wollen.
Entgegenkommen dürfte ihnen auch, dass diejenigen, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, straffrei ausgehen sollen. Das ist ein Schlag gegen alle, die auch durch die ukrainische Armee Opfer von Folter, Entführung und willkürlichem Beschuss geworden sind. Und es dürfte den Weg zum Frieden alles andere als befördern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“