Kommentar Waffen für Krisengebiete: Manchmal bittere Notwendigkeit

Regierung und Bevölkerung sind dafür, Waffen an die Kurden im Irak zu liefern. Die deutsche Außenpolitik steht damit vor einer Neuorientierung.

Brauchen sie deutsche Waffen? Peschmerga-Kämpfer im Irak. Bild: reuters

Eine humanitäre Intervention kann immer ein Deckmantel sein für ein macht- oder geopolitisches Ränkespiel. Eine humanitäre Intervention kann aber auch eine bittere Notwendigkeit sein, um Tausende Menschenleben zu retten, um einen Genozid zu verhindern oder um eine bedrohte Minderheit vor der Ausrottung zu bewahren. Und leider kann eine humanitäre Intervention – zumal bei mehreren beteiligten Akteuren – auch immer ein bisschen von beidem sein.

Der Vormarsch der Krieger des islamistischen Kalifats in Syrien und im Irak hat Politiker in aller Welt zu einer Reaktion gezwungen. Angesichts der ebenso grausamen wie archaischen Bilder war Wegsehen keine Option mehr, selbst wenn die USA jetzt auf einen Einsatz zur Rettung eingeschlossener Flüchtlinge mit Bodentruppen verzichten. In Deutschland kulminierte diese Debatte in der Frage, ob deutsche Waffenlieferungen in akute Krisengebiete verheerend, eher zulässig oder schlicht geboten sein könnten.

Die Tendenz in der Regierungskoalition deutet auf eine Bereitschaft zum Militäreinsatz und zu Waffenlieferungen – in diesem Fall an kurdische Parteien – hin. Laut Umfragen sieht dies derzeit eine Mehrheit der Bevölkerung ähnlich. Die deutsche Außenpolitik steht damit in der Tat vor einer Neuorientierung.

Die Aussicht, in diverse Konflikte in unterschiedlichen Weltregionen verwickelt zu werden, ist weder für die deutsche Politik noch für die Bundeswehr verheißungsvoll. Beide wären schon auf mittlere Sicht überfordert. Warum die Jesiden im Irak schützen, nicht aber die Christen in Syrien oder die Rohingya in Birma oder, oder, oder. Eine Alibipolitik, die mal ein Eingreifen zusagt, mal verwehrt, kann keine Lösung sein.

Es ist andererseits grundsätzlich nachvollziehbar und aus humanitären Erwägungen geboten, dass gravierende Konflikte in der europäischen Nachbarschaft eine europäische Reaktion erfordern. Dies besagt, dass Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik nur im europäischen Rahmen einen effektiven und sinnvollen Beitrag leisten kann. Die Abstimmung mit den europäischen Partnern ist das oberste Gebot. Das gilt umgekehrt für Paris oder London, auch wenn diese sich damit schwertun. Ob Deutschland dann mal Waffen liefert oder mal Notlazarette, ist eine stets aufs Neue zu begründende und zu debattierende Maßnahme.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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