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Kommentar WM-Auftakt in RusslandDer Fußball ist tot, es lebe der Fußball

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

WM2018: Muss damit nicht mal Schluss sein? Sollten wir das Werbespektakel nicht einfach ausblenden? Nein, wir lassen uns das Spiel nicht nehmen!

Wir sind ja nicht zum Spaß hier. Oder? Diese argentinischen Fans sind es schon Foto: ap

W ie oft haben wir das schon gehört: Der Fußball ist tot? Was haben wir diskutiert, als der erste Spieler für 100 Millionen Euro verkauft worden ist. Ein Brausekonzern hat zu Werbezwecken einen Fußballklub in der ersten Liga platzieren dürfen. Skandal! 2010 hat die Fifa die WM an Russland und Katar verkauft. Das Ende! Dass die deutsche Super-WM von 2006 auch gekauft war, man konnte es damals nur ahnen. Menschen werden aus ihren angestammten Siedlungen vertrieben, damit ein Stadion gebaut werden kann, das nach einer Weltmeisterschaft nicht mehr gebraucht wird – an diese Geschichten haben wir uns beinahe schon gewöhnt.

Jetzt steht die Fußball-WM in Russland an. Wir erzählen diese Geschichten wieder. Wir berichten von Korruption, von Sklavenarbeit an Stadionbaustellen, von politischen Häftlingen und Journalisten, die an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden. Wir werden sehen, wie sich Wladimir Putin feiern lässt.

Auch wenn wir es uns fest vornehmen, wir werden es – wenn der Ball rollt – nicht schaffen, immer auch daran zu denken, dass Russland in Syrien mit einem Massenmörder kollaboriert, dass sich das Land ein Stück von der Ukraine mir nichts dir nichts einverleibt hat und dass in der Ostukraine ein Krieg mit russischer Beteiligung geführt wird, der Tausenden das Leben gekostet hat.

Und dann sind da noch diese immer neuen Geschichten darüber, dass die Fifa alles dafür tut, für alle Zeiten ein intransparenter, korruptionsanfälliger Funktionärshaufen zu bleiben. Muss damit nicht mal Schluss sein? Sollten wir das Milliardenspektakel nicht einfach ausblenden. Sind wir nicht alle längst WM-urlaubsreif?

Von Putin haben wir genug, lasst uns also die WM nutzen, uns mit Russland zu beschäftigen!

Nein, wir lassen uns das Spiel nicht nehmen! Wir wollen beschreiben, wer gewinnt, wollen verstehen, warum die andere Mannschaft keine Chance hat. Wir wollen uns fragen, welche taktischen Rezepte im modernen Fußball zum Erfolg führen.

Und manchmal können wir nicht anders und genießen einfach das schöne Spiel. Wir wollen uns vielleicht auch einmal mitfreuen, wenn sich WM-Touristen und Einheimische anfreunden. Von Putin haben wir genug, lasst uns also die WM nutzen, uns mit Russland zu beschäftigen! Die Fußball-WM ermöglicht uns vier Wochen lang Zugänge, die uns sonst meist verschlossen bleiben. Nutzen wir sie! Es lebe der Fußball!

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Andreas Rüttenauer
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2 Kommentare

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  • "immer auch daran zu denken, dass Russland in Syrien mit einem Massenmörder kollaboriert"

     

    Toll wie hier so einfach Attibute verteilt werden. Wer hat denn in Syrien den Aufstand und die Gewalt unterstützt?

     

    Stellen wir uns bei aller Ablehnung der Polizeigewalt annlässlich von G20 doch mal vor ein ausländischer Geheimdienst hätte massenhaft Maschinengewehre und Raketen unters Volk gebracht. Giftgasangriffe durch die Regierung blosse Behauptung!

     

    Vergessen wir auch nicht den Putsch in der Ukraine mit all den Gefahren, dem ein Teil der Bevölkerung durch ein Referendum entkommen sind, während andere von den Putschisten mit Krieg überzogen werden, die bis heute die Minsker Vereinbarungen mißachten.

     

    Übrigens werden in der Ukraine mißliebige Journalisten verfolgt und mit dem Tode bedroht.

     

    So und jetzt denke ich an das Sportereignis und lasse es mir nicht wegen der gerade laufenden Kampagne gegen Russland kaputtmachen. Auch von der TAZ nicht.

  • Ihr habt euch das Spiel längst nehmen lassen, Leute. Von denen, die damit Ernst machen. Von denen, die viel Geld verdienen, Politik machen oder in eigener Sache Werbung betreiben wollen damit.

     

    Das ist nicht mehr eure WM. Es ist die WM der Fifa, der Spitzenpolitiker und der Sponsoren. Es ist die WM derer, denen Fußball am Arsch vorbei geht. Wenn ihr euch das Spiel wirklich zurückholen wolltet, müsstet ihr es selber organisieren. Notfalls per Crowdfunding und auf der Wiese hinterm Haus, auf die demnächst ein neuer Supermarkt gebaut werden soll.

     

    „Beschreiben, wer gewinnt“, „verstehen, warum die andere Mannschaft keine Chance hat“, danach „fragen, welche taktischen Rezepte im modernen Fußball zum Erfolg führen“ und euch mit wildfremden Menschen „anfreunden“ oder anlegen könntet ihr dann auch. Nur eben nicht so glamourös. Und genau da liegt das Problem.

     

    Ihr werdet euch den Fußball nie wieder zurück holen. So, wie das Spektakel jetzt aussieht, ist es viel zu schön um noch real zu sein. Ihr seid einfach nicht konkurrenzfähig in euren Augen. Ihr seid euch selber nicht genug. Lernt erst mal richtig spielen, Kinder!