Kommentar Volker Beck: Glaubwürdigkeit verspielt
Über einen Beitrag zur Pädophilie hat Volker Beck die Öffentlichkeit bis zuletzt getäuscht. Sich und den Grünen fügt er damit maximalen Schaden zu.
E s war eine Geschichte, die nicht beweisbar und nicht widerlegbar erschien: Sein umstrittener Beitrag zu dem Sammelband „Der pädosexuelle Komplex“ sei „im Sinn durch eine freie Redigierung vom Herausgeber verfälscht“ worden, behauptete der Grünen-Politiker Volker Beck seit geraumer Zeit auf seiner Website. Doch das Originalmanuskript sei nicht mehr auffindbar.
Auch noch mitten im Bundestagswahlkampf versicherte der profilierte grüne Realpolitiker und Schwulenrechtler den taz-LeserInnen in einem großen Interview fast wortgleich, es handele sich bei diesem 1988 erschienenen, inhaltlich „unsäglichen“ Text um eine „verfälschte Version“ dessen, was er dem Verlag eingereicht habe. Die Botschaft: Der Grünen-Promi war einem unseriösen publizistischen Projekt aufgesessen.
Unklar blieb immer, welche Zuspitzungen der Herausgeber dieser kruden Textsammlung ihm dabei ohne sein Wissen untergejubelt hatte. Nun steht fest: keine. Der Sinn des Textes wurde überhaupt nicht verändert. Die einzigen beiden Eingriffe betrafen die Überschrift und einen Zwischentitel. Beide Änderungen sind nicht grob sinnentstellend – und damit nichts Ungewöhnliches. Vor allem: Sie taugen nicht als Ausrede.
Aus der Zeit heraus lässt sich zumindest in Ansätzen nachvollziehen, dass Volker Beck als junger Politiker vor 25 Jahren Thesen verbreitet hat, die aus heutiger Sicht unhaltbar sind. Zumal er sich längst politisch von ihnen gelöst hat.
Aber Volker Beck – der an die politischen Gegner stets hohe moralische Maßstäbe anlegt – hat die Öffentlichkeit getäuscht. Mit seinem katastrophalen Krisenmanagement fügt er den Grünen nun kurz vor der Bundestagswahl den maximalen Schaden zu. Als Politiker hat er seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen