piwik no script img

Kommentar Vermögen in DeutschlandCooler Blick auf die Wohlhabenden

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Reichtumskritik ist zum erwartbaren Austausch von Klischees verkommen. Politische Konsequenzen fehlen. Eine nüchterne Betrachtung hilft.

Erstmal ganz nüchtern: weg mit dem Wasser, Schampus für alle! Bild: dpa

D ie Reichtumsdebatte in Deutschland droht zur Folklore zu werden. Und das ist kein gutes Zeichen. Die neue Studie des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, die sich auf den Beststeller des Franzosen Thomas Piketty bezieht und eine wachsende Ungleichheit beklagt, reiht sich nahtlos in den Kampf um Statistiken ein.

Alles dreht sich um die Frage, ob die Ungleichheit zunimmt oder stagniert, was auch von der Datenbasis abhängt. Der Reiche, der immer reicher wird, ist längst Teil der Folklore geworden, dem erwartbaren Austausch von Klischees – aus dem leider keine politischen Konsequenzen folgen.

Der Reiche erscheint in der Öffentlichkeit quasi in einer Doppelrolle: Einmal gilt reich zu sein fast schon als Charakterfehler, als Zeichen von Gier. Andererseits erscheinen Reiche als tragende Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen und mitsamt ihrer Firma in die Schweiz flüchten würden, wenn in Deutschland die Besitzsteuern stiegen.

Die Mittelschicht ist den Reichen gegenüber ambivalent: Sie fühlt sich zwar nicht reich, würde es aber gerne werden, und deshalb gelten ihr höhere Erbschafts- und Besitzsteuern als Gift, weil diese den Vermögensaufbau der Familie hemmen könnten.

Statt dieser immergleichen Rollenspiele wäre ein cooler Blick auf den Reichtum angesagt. Klar kann man die Erbschaftssteuer erhöhen, die derzeitigen Freibeträge sind aberwitzig hoch. Natürlich könnte man eine Vermögenssteuer wieder einführen, gab es früher auch schon.

Und was den Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer von 42 beziehungsweise 45 Prozent für sehr hohe Einkommen betrifft: In den 70er und 80er Jahren lag der Spitzensteuersatz bei 56 Prozent und der deutschen Wirtschaft ging es blendend. Aber kein Politiker, der Mehrheiten will, wird derzeit wagen, deutliche Steuererhöhungen zu fordern. Die Reich-und-Arm-Folklore ist ungefährlicher. Und folgenlos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Das Kapital -- in Deutschland -- ungeschminkt.

     

    Zur staatlich-juristisch forcierten Enteignung der werktätigen Bevölkerungsmehrheit in Deutschland!

     

    Die fünf Reichsten in Deutschland verfügen -- laut Oxfam -- über ein Vermögen, das dem der ärmeren 40 Prozent der Bevölkerung entspricht (immerhin rund 32 Millionen Menschen).

     

    - Karl Albrecht: 18,3 Milliarden Euro.

     

    - Dieter Schwarz (Lidl): 15,4 Mrd. Euro.

     

    - Theo & Familie Albrecht: 14,1 Mrd. Euro.

     

    - Michael & Familie Otto: 13,5 Mrd. Euro.

     

    - Susanne Klatten (aus der Quandt-Familie, u.a. BMW-Hauptaktionäre): 12,7 Mrd. Euro.

     

    Sie verfügen über ein Privat- und Geschäftsvermögen von 74 Milliarden Euro im Jahr 2014.

     

    Rund 73 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland verfügt über kein Kapitalvermögen. // Rund 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland verfügt über 60 Prozent aller Vermögen! // Die Häfte davon, ca. 5 % (von 100 %) verfügen über nahezu 50 Prozent aller Privat- und Kapitalvermögen in Deutschland.

     

    Auch hier -- mit der GroKo-forcierten sozialen Ungleichheit -- ist Deutschland Spitze in Europa!

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Bayerische Verfassung

    Artikel 123 Angemessene Besteuerung

    (3) Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu staffeln.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Erbschaftsteuer_in_Deutschland

  • Solange Deutsche SPD und CSU/CDU wählen, wird der Spitzensteuersatz kein Thema sein.

     

    Die Mittelschicht wählt sich Parteien, die sich bei der Steuer auf die untere Mittelschicht fokussieren, also auf eher untere Einkommen. Hier schlägt der Fiskus zu, während sein Appetit mit steigenden Einkünften stark sinkt, bis dann schließlich Schwerreiche sich gegen Null rechnen können. Mit Folklore hat das aber wenig zu tun, sondern mit geschickten Ausspielen von Vorurteilen, Teile-und-Herrsche-Strategien.

     

    Alleine die Vorurteilsmaschine gegen Arbeitslose und Arme durch Rot-Grün, vor allem hier Schröder, Müntefering, Scholz und Clement haben ganze Arbeit geleistet. Die nicht-stattfindende Reichtumsdiskusion ist m.M. vor allem die gerade ablaufende Armutsdisukssion. Wir müssen unser Hartz gegen Rumänen, Zigeuern (Roma und Sinti) gegen was auch immer schützen, weil das so toll, so viel, zu viel, was auch immer ist.

     

    Auf der sachlichen Ebene ist die Besteuerung in Deutschland längst geklärt: Hier werden die falschen Menschen zu stark und die richtigen fast gar nicht besteuert, denn auch die 40 bis 46 Prozent Spitzensteuersatz kommen in den seltensten Fällen vor.

    • @Andreas_2020:

      "denn auch die 40 bis 46 Prozent Spitzensteuersatz kommen in den seltensten Fällen vor."

       

      Stimmt nicht. Wer studiert hat und noch nicht verheiratet ist, landet fast sicher im Grenzsteuerstatz von 42%, nämlich schon ab ca 52.000 Euro brutto im Jahr. Die Grenze wurde nämlich trotz vieler Jahre Inflation kaum nach oben angepasst.

  • Offen gesagt finde ich die Gier nach dem Geld der anderen deplatziert. Der Reichtum des einen schadet dem anderen in der Regel nicht. Wichtig ist nur, dass faire und transparente Regeln für alle gelten und wer damit reich wird, dem sei es gegönnt.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Ein einheitlicher Steuersatz auf alle Arten von Einkommen ist doch die einfachste Lösung.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Einheitlicher Steuersatz klingt gut. Genaugenommen verliert aber Bargeld auch noch durch Inflation an Wert, in diesem einen Punkt wäre eine Andersbehandlung also sogar gerecht. Wenn also jemand für 100 Euro nur 50 Cent Zinsen bekommen, aber 2 Euro Kaufkraft durch Inflation verliert, ist eine Besteuerung nicht unbedingt richtig, da er ja im Grunde Verlust macht.

  • 1G
    12671 (Profil gelöscht)

    Ich sehe es genau wie Willi. Weitere Fakten, die Willi stützen unter: "201 gute Gründe in Deutschland keine Kinder zu bekommen" - siehe http://analogo.de/2014/10/17/1248/

     

    Punkte 1, 2, 10, 11, 26, 56, 62, 63, 66, 71, 72, 74, 79, 87, 88 und 89

  • Ganz so negativ wie Sie sehe ich die Dinge nicht. Zum Beispiel wird Steuerhinterziehung nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen. Uli Hoeneß sitzt hinter Gittern, und tausende Steuersünder zeigen sich selber an, um der Strafe zu entgehen. Genügend, dass man inzwischen schon die Strafzahlungen nach Selbstanzeige signifikant heraufsetzen konnte. Diese Strafen sind jetzt keine symbolischen Beträge mehr, sondern tun schon ein kleines bisschen weh.

     

    Es hat sich durchaus etwas geändert. Es mag zu langsam gehen, mehr ist definitiv nötig; aber die Annahme, dass sich nichts ändert, ist schlicht falsch.

  • Niemand kann sagen, wie reich die Reichen in Deutschland wirklich sind. Man weiß zwar, dass das Privatvermögen der Deutschen mehr als 8 Billionen Euro beträgt. Das kann die Bundesbank noch ausrechnen. Aber wer sie hat? Große Sendepause. Denn eine Vermögenssteuer gibt es in Deutschland ja nicht – und also auch keine Vollerhebung.

    Stattdessen behilft man sich mit punktuellen Haushaltsbefragungen, von denen noch nicht einmal das Statistische Bundesamt behauptet, dass sie repräsentativ seien. Denn die reichsten Haushalte werden nicht befragt und nicht erfasst. Weil sie nicht wahrheitsgemäß Auskunft geben würden, wie sich das Bundesamt vornehm ausdrückt. Hart übersetzt: Die Reichen lügen – und deswegen werden sie nicht befragt. Was wiederum dazu führt, dass Billionen aus der Statistik verschwinden. Nicht Milliarden, Billionen.

    Es gibt nur Anhaltspunkte, und sie sind erschreckend: Die reichsten 10 Prozent der Deutschen dürften über zwei Drittel des Volksvermögens verfügen. Mindestens. Denn dies ist eine konservative Schätzung. Wahrscheinlich ist es noch krasser.

    Für die Vermögenden ist es praktisch, dass niemand weiß, wie reich sie wirklich sind. Mühelos können sie sich arm rechnen und damit jede zusätzliche Belastung abwehren. Mit diesem Trick waren sie überaus erfolgreich: Die Dauerklage hat dazu geführt, dass der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt wurde, dass milliardenschwere Familienunternehmen faktisch steuerfrei vererbt werden können – und dass Kapitalerträge nur noch mit 25 Prozent belastet werden, während viele Arbeitnehmer deutlich höhere Sätze zahlen.

    Dieser Wahnsinn hat übrigens einen Namen: SPD und Grüne tun noch immer so, als sei es ein bedauerlicher Zufall, dass ausgerechnet seit dem Jahr 2000 Reichtum und Armut in Deutschland so stark auseinander driften. Aber es war kein Zufall, dass die Mittelschicht schrumpft. Es war auch ihre Politik.

  • Die Partei DIE LINKE will mehr Steuergerechtigkeit. Nicht die "Mitte" soll alles bezahlen sondern die 10 %, denen fast das gesamte Vermögen gehört, sollen ein wenig mehr zahlen. Laut EU-Bericht ist in Deutschland die Besteuerung der Arbeitnehmer und der gesamten Mittelschicht zu hoch, während die Besteuerung von Kapitaleinkünften,

    insbesondere von hohen Kapitaleinkünften zu niedrig ist.

    Vergleich Deutschland zur EU:

    So betragen in Deutschland die Steuern auf Löhne/Gehälter 56,6 % des gesamten

    Steueraufkommens, der EU-Durchschnitt liegt jedoch nur bei 51 %.

    Die Steuern auf Kapitaleinkünfte, insbesondere auf hohen Kapitaleinkünfte liegen in

    Deutschland bei 16 % der EU-Durchschnitt liegt jedoch bei 20,8 %.

    Fazit: Deutsche Gesetzgeber (CDU/CSU-FDP-SPD-GRÜNE) besteuern die Menschen grob

    ungerecht. Und nur die Partei DIE LINKE will das ändern.