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Kommentar Verbot von KurdengruppenDas PKK-Verbot stiftet viel Unheil

Kommentar von Rolf Gössner

Trotz des Wandels der PKK zu friedlichen Forderungen bleibt sie verboten. So werden viele Aktivisten, die verfolgt wurden, erneut kriminalisiert.

Repressalien für symbolische Taten: Am Wochenende wurde eine Demo wegen Öcalan-Flaggen aufgelöst Foto: dpa

D as vor 25 Jahren erlassene Betätigungsverbot für die kurdische Ar­beiterpartei PKK und andere kurdische Organisationen hat viel Unheil gestiftet. Mit diesem Verbot und der Aufnahme der PKK in die Terrorliste der Europäischen Union folgten die Bundesrepublik Deutschland und die EU dem Drängen des Nato-Partners Türkei – eines Staates, der sich selbst gravierender Menschenrechtsverletzungen schuldig macht und der sich daraufhin legitimiert fühlen konnte, rücksichtslos mit Unterdrückung und Staatsterror gegen Kurden und ihre Organisationen vorzugehen.

Trotz des Wandels, den die einst gewaltorientierte PKK in Europa in Richtung einer friedlich-demokratischen Lösung des Konflikts vollzogen hat, besteht ihr Verbot bis heute fort, ist sogar 2017 noch ausgeweitet worden – auf Symbole bislang legaler Gruppen. Dies hat Zigtausende politisch aktiver Kurden, die vor Verfolgung und Folter aus der Türkei geflohen waren, hierzulande kriminalisiert – oft genug nur wegen verbaler oder symbolischer „Taten“.

Mit diesem Verbot werden die Grundrechte der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, der ­Meinungs- und Pressefreiheit und damit die freie politische Betätigung massiv beschränkt.

Auf Grundlage des europaweit einmaligen PKK-Verbots werden Geld- und Freiheitsstrafen verhängt, Einbürgerungen abgelehnt, Staatsbürgerschaften aberkannt, Aufenthaltserlaubnisse nicht verlängert, Asylanerkennungen widerrufen oder Ausweisungen verfügt. Doch längst ist das Verbot zum kontraproduktiven Anachronismus geworden und gehört – auch nach Auffassung namhafter Bürger- und Menschen­rechtsorgani­sationen – schleunigst aufgehoben.

Erst kürzlich hat ein belgisches Berufungsgericht entschieden, dass die PKK keine terroristische Organisation sei, sondern eine legitime Partei in einem innerstaatlichen Konflikt in der Türkei; sie könne deshalb auch nicht mit Antiterrorgesetzen verfolgt werden, genauso wenig wie deren Mitglieder und Unterstützer.

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7 Kommentare

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  • Dieser Artikel hat sich vom ernstzunehmenden Journalismus veabschiedet.

     

    Der letzte Anschlag, zu dem sich die PKK bekannte, fand am 17. April 2017 statt.

     

    2017 und 2016 gab es eine Reihe von Anschlägen der PKK und von kurdischen Splittergruppen.

     

    Die PKK ist auch verboten worden, weil sie in Europa sich Geld über Schutzgelderpressung und Drogenandel beschafft.

     

    Im belgischen Hasselt wurde im Setember erst ein solcher Drogenring zerschlagen:

    //http://www.hbvl.be/cnt/dmf20170901_03047278/hasseltse-drugsbende-bevoorraadde-half-europa

     

    Die undifferenzierte Einseitigkeit macht den Artikel zu einem Stück Propaganda.

  • Friedlich. Schon klar. //http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/tuerkei-suruc-pkk-polizisten

  • Natürlich ist die PKK eine terroristische Vereinigung und Öcalan ein gefährlicher Terrorist -- man muss sich nur mal durchlesen, was er in den letzten Jahrzehnten so geschrieben hat: Er will eine dezentralisierte ökologische Gesellschaft ohne Kapitalismus, Sexismus und Rassismus. Das ist brandgefährlich für alle, die ihre Macht auf genau das stützen: Nationalismus, Patriarchalismus, Zentralismus, Kapital...

     

    Aber im Ernst: Es gibt durchaus viele Kurden, auch in der PKK, die die radikalen Ansätze von Öcalan (die übrigens auf den öko-anarchistischen Ideen von Murray Bookchin basieren, auf die er während seiner Haft gestossen ist) überhaupt nicht teilen und schlicht bewaffnet kämpfen bzw. sich wehren wollen.

     

    Selbst bei einem durchgreifenden radikalpazifistischen Wandel würde Erdogan jeden einzelnen Schuss, der dann doch noch fällt, als Anlass dafür nehmen, gegen die PKK vorzugehen. Oder noch genauer: Gegen JEDE politische Organisation, die nicht die seine ist.

     

    Die Frage ist natürlich, ob und warum andere Staaten wie dieser hier z.B. das unterstützen sollte. Die Antwort darauf ist ziemlich banale Realpolitik, befürchte ich.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Was sagt denn der SPD- Justizminister oder dazu?

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Leider ist jede Hoffnung dass die SPD irgendetwas anders macht als die Union (außer anders zu reden) völlig vergebens, egal um welches Politikfeld es geht.

  • Danke für diesen Beitrag, der meine Fragen beantwortet. Öcalan hat 2013, wenn ich mich recht erinnere, erklärt, dass kein eigener Kurdenstaat mehr beabsichtigt ist und damit wäre meiner Ansicht nach das Verbot der PKK auch aufzuheben, zumindest was die Einstufung als terroristische Vereinigung in Europa angeht.

    • @siri nihil:

      Meine Fragen lässt der Artikel leider offen.

       

      Da war zum Beispiel die Frage nach dem letzten Anschlag der PKK. Das musste ich woanders nachlesen.

       

      Der letzte Anschlag war übrigens am 17. April 2017 in Diyarbakir.

       

      Wo ist da jetzt der Wandel zu friedlichen Forderungen?