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Kommentar Urteil zur GrundsteuerNicht auf dem Rücken der Mieter

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die Neuberechnung der Grundsteuer könnte für viele Mieter hohe Kosten verursachen. Die Bundesländer müssen sie regional differenzieren.

Wenn die neue Grundsteuer kommt, sollte das Wohnen hier nicht teurer werden Foto: Dmitri Popov/Unsplash

D ie Grundsteuer ist in vielen Fällen eine Steuer auf Wohnraum. Deswegen erscheint es verständlich, wenn sich nun viele Leute – Immobilienbesitzer wie Mieter – Sorgen machen, dass die Wohnungen teurer werden. Für Millionen Häuser könnte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag, die Berechnung der Grundsteuer in der bisherigen Form sei verfassungswidrig, tatsächlich diese Wirkung entfalten. Bei der nun nötigen Reform des Gesetzes müssen Bund, Länder und Kommunen deshalb vorsichtig sein. Sie sollten das Ziel verfolgen, die regionalen Preisanhebungen in engen Grenzen zu halten.

Überraschend kam die Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht. Die sogenannten Einheitswerte für die Berechnung der Grundsteuer stammen in Ostdeutschland von 1935, im Westen von 1964. Seitdem ist einiges passiert. Die alten Maßstäbe bilden einfach nicht die aktuellen Werte vieler Immobilien ab. Frühere Mietskasernen enthalten heute oft keine Arbeiterwohnklos mehr, sondern 150-Quadratmeter-Luxuswohnungen mit entsprechender Rendite. Warum also sollten nicht die Immobilienbesitzer einen größeren Teil ihres Gewinns an die Gemeinschaft abtreten – in Gestalt der höheren Grundsteuer? Weil diese – daran ändert sich auch mit dem Karlsruher Urteil nichts – auf die Miete umgelegt werden darf. Nicht die Hausbesitzer zahlen sie, sondern die Mieter. Mehr Steuer bedeutet daher, dass es teurer wird, das Grundbedürfnis des Wohnens zu befriedigen.

Und wenn man den Immobilieneignern nun gesetzlich verböte, die Abgabe umzulegen? Das reduzierte die Gewinnmarge der Vermieter, wodurch möglicherweise weniger neue Wohnungen gebaut würden. Keine gute Idee in einer Zeit, in der Mangel an Wohnraum herrscht. Bis zu zwei Millionen Unterkünfte fehlen derzeit in Deutschland, vor allem günstige. Hohe Mieten gelten längst als die neue soziale Frage.

Trotzdem kann die Politik das Karlsruher Urteil nicht ignorieren. Gestiegene Immobilienpreise werden besonders in den Innenstädten von München, Freiburg, Stuttgart, Köln, Hamburg, Berlin, Leipzig, Dresden und anderenorts zwangsläufig zu höheren Abgaben führen. Allerdings gibt es Möglichkeiten, den Anstieg auf ein sozialverträgliches Maß zu begrenzen. Die Bundesländer könnten die Steuer regional differenzieren. Auch die Kommunen wählen ihre Hebesätze bei der Grundsteuer selbst. Und schließlich – auch das ermöglicht das Urteil des Verfassungsgerichts – sollte die Wertanpassung über einen längeren Zeitraum gestreckt werden, um zu plötzliche Sprünge zu vermeiden.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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8 Kommentare

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  • Bei vermieteteten Wohnungen wird die Grundsteuer schon jetzt wie die anderen Betriebskosten oder die Abschreibungen als Kosten seitens der Vermieter in der Steuererklärung abgesetzt. Dies heißt, bei einer erhöhten Grundsteuer vermindern die sich zu versteuernden Einnahmen des Vermieters und die daraus zu zahlende Einkommensteuer. Fazit: Was der Fiskus mehr an Grundsteuer einnimmt verliert er bei der Einkommensteuer. Somit zahlt eine erhöhte Grundsteuer die Allgemeinheit.

    Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt. Haus- und Wohnungseigentümer können, die in ihrer eigenen Immobilie wohnen, können die Grundsteuer weder umleben noch steuerlich absetzen. Von einer erhöhten Grundsteuer wäre diese zahlenmäßig nicht unerhebliche Gruppe am meisten betroffen. Wie diese Gruppe zusammen mit Dieselfahrern bei den nächsten Urnengängen votieren, möchte ich mir nicht ausmalen. Somit müßte der Grundsteuerreform auch eine Wahlrechtsreform folgen, um Schaden abzuwenden.

  • Dass Vermieter die Gundsteuer wie Betriebsausgaben umlegen können, ist verfassungsmäßig mindestens ebenso bedenklich, wie es die derzeitigen Einheitswerte für Grundstücke vielfach sind. Die Grundsteuer fällt doch als Abgabe auf ein Grundvermögen an und nicht etwa als Abgabe auf eine Vermietung von Wohnraum. Grundsteuer gehört systematisch erkennbar eben gerade eigentlich nicht zu Betriebsausgaben bei Vermietung. Sie fällt schließlich regelmäßig auch für unbebaute und ungenutzte Grundstücke an. Warum sollten Mieter sich damit abfinden, dass sie auch noch die Steuern der Grundeigentümer bezahlen müssen? Weil der Grundeigentümer dann sonst nicht mehr baut? Selten so gelacht.

  • Ich frage mich wie lange das Hamsterrad Deutschland noch funktioniert ! Es wird in fast allen Bereichen der Wirtschaft mit unterstüzung der Politik betrogen, gelogen und zugesehen ! Ob Versicherungen und Banken, Automobilindustrie, Krankenkassen, Landwirtschaft oder in der digitalen Welt ! In allen Bereichen herrscht eine Selbstbedienungsmentalität die es bisher so nicht gab oder nicht sichtbar war. Der nächste Skandal in Form von Steuererhöhungen im Grundsteuerbereich trifft doch wieder nur diejenigen am schlimmsten, die sowieso schon den größten Teil ihres Lohnes für Miete ausgeben müssen, geschweige denn auf eine Wohnung in der Stadt angewiesen sind. Das schlimme daran ist jedoch das der Politische und Bürgerliche gegenwind aus der Falschen Ecke kommt , nämlich von rechts ! Wenn die Politik es in den nächsten 5 - 8 Jahren nicht schafft den großen Konzernen und Immobilien Mogulen die Stirn zu bieten und das Geld so umzuverteilen vermag, das wieder eine Mitte entsteht die jeden mit ins Boot nimmt , glaube ich das hier kräfte frei die niemand mehr für möglich gehalten hat !

  • 7G
    7332 (Profil gelöscht)

    Statt mal wieder zu jammern, dass Mieter auch Grundsteuern (Betriebskosten) zahlen müssen, sollte man lieber fragen, warum Wohnen überhaupt versteuert werden muss!

     

    Und die Aussage, dass Vermieter und die bösen Spekulanten vermehrt Sozialwohnungen bauen würden, wenn die Steuern nicht mehr an die Mieter weitergeben werden dürften, ist barer Unsinn. Auch für Sozialwohnungen ist Grundsteuer fällig. Ich würde keine bauen, wenn ich die Steuern dafür auch noch aus der kärglichen erzielbaren Miete zahlen müsste, bei dem was Wohnungen zu bauen so kostet.

  • Mir erschließt sich der Zusammenhang zwischen einem Verbot der Umlegung der Grundsteuer mit einem erhöhten Wohnungsbedarf an sozial Wohnungen mal Null. In den Letzten Jahrzehnten wurde fast außschließlich Wohnungssanierung und bau für die oberen Schichten betrieben, weil das die größten Gewinnmargen verspricht. Also sollte man die Grundsteuer doch so gestalten das Luxuswohnungen teuer werden, da sie viel Wohnfläche für wenige Menschen verschwenden und Sozialwohnungen einen niedrigen Steuersatz bekommen, da sie den Wohraum effizent für viele Menschen nutzbar machen. Wenn man dazu noch verbietet die Grundsteuer auf die Mieter abzuwälzen, wird es doch für Vermieter, Spekulanten und Co. interessanter Sozialen Wohnraum zu schaffen.

  • Die Forderung, Mieter von der Steuer zu befreien ist vollkommen unverständlich. Weshalb sollte der Mieter zukünftig besser gesetllt werden, als der Bewohner einer eigenen, selbst genutzten Wohnung? Auch letztgenannte Bewohner haben ein Grundbedürfnis des Wohnens.

     

    Gerade in Berlin wird eine Neuberechnung zu verhältismäßig vielen Gewinnern und Verlierern führen. Hier hat es eine sehr unterschiedliche Bebauungs- und Wertentwicklung gegeben und die grundsteuerspezifische Ost/Westproblematik verläuft quer durch die Stadt. Teile Marzahns gehörten 1935 noch nicht mal zu Berlin. Da in Berlin eine Kommune ist und stadtweit ein Hebesatz gilt, lässt sich dies auch gerade nicht in der im Artikel dargestellten Form ausgleichen.

  • Warum also sollten nicht die Immobilienbesitzer einen größeren Teil ihres Gewinns an die Gemeinschaft abtreten – in Gestalt der höheren Grundsteuer? Ernsthaft? Auch ein selbsternannter Finanzexperte sollte wissen, dass Mieteinnahmen generell schon besteuert werden - nämlich als Einnahme. Die Grundsteuer kann sogar steuermindernd abgeschrieben werden.

    • @Frank Stippel:

      Ja, so hat der Bund auch was davon, wenn die Kommune den Hebesatz hochschraubt - toll, oder? Und für den Vermieter ist das neutral, aber natürlich wieder ein klein wenig mehr Aufwand, den ich spüre, die Deutsche Annington hingegen weniger.

      Das private Vermieten (Altersvorsorge und so, ja ja) wird dadurch wiederum unattraktiver. Die Immobilienkonzerne freut's.