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Kommentar Urteil für Sven LauProblematische Zeugen

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Salafisten zu verurteilen, ist schwer: Viele Zeugen aus der Szene sind narzisstisch und nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau.

Sven Lau am Mittwoch im Gerichtssaal Foto: dpa

S alafistenprediger Sven Lau muss für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht, denn der Mann ist gefährlich. Er ist einer der erfolgreichsten Verführer der radikal-islamistischen Szene. Und auch in diese sendet das Urteil ein starkes Signal. Der Prozess gegen den Konvertiten hat aber auch gezeigt, wie schwierig Verfahren gegen Mitglieder dieser Szene sind. Ein Grund dafür sind die Zeugen.

In der Regel reden Salafisten nicht mit Sicherheitsbehörden, denn sie erkennen diese schlicht nicht an. V-Leute in der Szene anzuwerben fällt den Sicherheitsbehörden extrem schwer. Und diejenigen, die auspacken, haben häufig „narzisstische Persönlichkeiten“, wie es Frank Schreiber, der Vorsitzende Richter im Lau-Prozess, es in der Urteilsbegründung nennt. Man könnte auch sagen: Sie sind Wichtigtuer, die es mitunter mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Schwierige Zeugen also.

Überraschend ist das nicht. Denn diejenigen, die sich von Salafisten verführen lassen, sind oft labile Menschen mit wenig Selbstbewusstsein, die nach Aufmerksamkeit und Selbstermächtigung lechzen. Das gilt eben auch für die, die irgendwann die Seiten wechseln. Auch die beiden Männer, die mit Laus Hilfe zur syrischen Terrororganisation Jamwa ausgereist sind, gehören in diese Kategorie. Insbesondere Ismail I., der während des Prozesses Lau schwer belastet hat, hat viel geredet, sich widersprochen und auch nachweislich die Unwahrheit gesagt.

Andere Zeugen aber gebe nun einmal nicht, hat der Richter in der Urteilsbegründung gesagt. Dass niemand immer die Wahrheit sage oder immer lüge. Und dass die Strafverfolger auf die Informationen aus der Szene angewiesen sind. Aufgabe des Gerichts sei es, die Aussagen zu überprüfen und einzuordnen. Das stimmt. Aber es ist ein auch Dilemma, wenn für die Verurteilung die Aussagen von Wichtigtuern und Lügnern eine zentrale Grundlage sind.

Wer will schon schuld sein, wenn etwas passiert?

In einem anderen Terrorprozess hat die Lüge eines Salafisten gerade dazu geführt, dass ein Mitangeklagter vielleicht über ein Jahr lang unschuldig in Untersuchungshaft saß. Saleh A., Hauptangeklagter und Kronzeuge im Fall der mutmaßlichen Anschlagspläne in der Düsseldorfer Altstadt, der in eine Pariser Polizeiwache spaziert war und dort von den Anschlagsplänen berichtet hatte, hat jüngst der Richterin erklärt, er habe die Unwahrheit gesagt. Die Mitangeklagten hätten mit dem Plot gar nichts zu tun. Als Grund für die Lüge gab er an, er sei von den französischen Sicherheitsbehörden enttäuscht. Die Mitangeklagten waren vor der Festnahme überwacht worden – ohne Ergebnis. In Untersuchungshaft kam auch der, gegen den sonst nicht viel vorlag.

Mit der hohen Terrorgefahr steigt der Druck auf Polizei und Justiz, auch fragwürdigen Zeugen zu glauben und gegen jene vorzugehen, die gefährlich sein könnten. Wer will schon schuld daran sein, wenn am Ende etwas Schreckliches passiert? Der politische Druck jedenfalls ist groß. Der neue nordrhein-westfälische Innenminister konnte am Mittwoch nicht einmal die Urteilsbegründung abwarten, bis er das Urteil gegen Lau begrüßte.

Schreiber, der Richter im Lau-Prozess, hat ausgeführt, dass die Aussage der beiden Zeugen bei weitem nicht die alleinige Grundlage für Laus Verurteilung als Terrorunterstützer ist; er hat andere Zeugen und zahlreiche Sachbeweise angeführt. Das ist gut so. Dass Lau gefährlich ist, wird niemand bestreiten. Doch wenn er als Terrorunterstützer verurteilt wird, dann sollte er dies auch sicher sein.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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9 Kommentare

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  • Ein sehr guter Artikel, der sich an Fakten orientiert und nicht an Emotionen. Mann muss jeden gerecht behandeln, auch, wenn man den Angeklagten hasst oder ihn ihm das Böse sieht. Dem Gericht ist bewusst, dass ihr Urteil nicht gerecht ist, weil im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden ist. Jedoch ist der Druck enorm und eine Verurteilung wird von der Gesellschaft und der Politik erwartet. Der Richter kann sich also sicher sein, nach der Verurteilung von allen Seiten zustimmung zu erhalten, weshalb er woll eher im Zweifel gegen den Angeklagten entschieden hat. Wenn man glaubt mit der Verurteilung einen Sieg davongetragen zu haben, so täuscht man sich, denn der Angeklagte ist in kurzer Zeit wieder draußen und die Justiz verliert an Glaubwürdigkeit, wenn behauptet wird nach dem Recht zu handeln. Dieses Verhalten zeigt auf, dass der Staat bereit ist über die Grenzen des Gesetzes zu gehen und letzendlich wird er verlieren, wenn er nicht die Gerechtigkeit auch gegen den Strom durchzusetzen will.

  • "Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht, denn der Mann ist gefährlich. Er ist einer der erfolgreichsten Verführer der radikal-islamistischen Szene."

     

    Das hätte von Herodes bzgl. Jesus stammen können. Ein Prediger verführt erfolgreich die Jugend. Wenn man Religionsfreiheit will, muss man Missionare wie Lau in kauf nehmen.

    • 9G
      96173 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Ich habe auf YOUTUBE eine "Predigt"

      dieses Herrn gesehen, bin froh das er verurteilt wurde!

    • @A. Müllermilch:

      Also doch ein bärtiger junger Mann mit Herz...oder wie soll man ihren Kommentar verstehen? Herodes,Jesus,Antifa oderwie? Unterstützung einer Terroristischen Vereinigung. Reicht das nicht?

      • @tinn:

        "Unterstützung einer Terroristischen Vereinigung."

         

        ... in Syrien. Auf der einen Seite Assad, für die einen gewählter Präsident, für die anderen Schlächter und Kriegsverbrecher.

         

        Auf der anderen Seite Freischärler, für die einen Menschenrechtler für die anderen Kopfabschneider.

         

        Was geht es uns an? Woher nehmen wir das Recht zu entscheiden, welche Seite in Syrien gut und welche böse ist?

         

        Im Strafrecht haben objektive Maßstäbe zu gelten. Bereits die gibt es in bezug auf Syrien nicht.

         

        Lau hält sich und seine Kumpanen vermutlich für einen Widerstandskämpfer gegen das verbrecherische Assad-System und gegen die Unterdrückung des Islams durch den Westen.

         

        Ich teile diese Auffassung nicht. Aber eine strafrechtliche Verurtewilung setzt die moralische Bewertung der kämpfenden Seiten in Syrien voraus. Das würde ich mir nicht antun wollen.

        • @A. Müllermilch:

          Mit Ihrer Einschätzung ist es wirklich nicht weit her.Kann mir das Zitat an dieser Stelle nicht Verkneifen.

           

          US-amerikanische Straftäter gelten als moralisch schlecht, das US-Strafrecht kennt im Gegensatz zu Europa auch deutlich den Rachegedanken.

           

          [...] Der Souveränitätsverzicht der Staaten hat in Europa die Ueberwindung des moralischen Rasters von "gut und böse" ermöglicht. Wenn westeuropäische Staaten heute Interessengegensätze austragen, so qualifizieren sie sich gegenseitig nicht als "böse", diese Kategorie ist definitiv überwunden.

           

          Ohne Souveränitätsverzicht ist es nicht möglich, das Freund-Feind-Schema zu überwinden, und dieses wurzelt letztlich im moralischen Gegensatz von "gut" und "böse".

           

          Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU

           

          von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg

  • Hassprediger in Haft? Ich befürchte, dass ich als Antifaschist dann zu schnell wegen deutlicher Abkehnung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verurteilt würde ... ich erinnere an Polizeimassnahmen gegen Transparente "Nazis bekämpfen".

  • 3G
    39562 (Profil gelöscht)

    Ja, das ist ein sehr plausibler Kommentar, der unseren Rechtsstaat abgewogen repräsentiert. Aber angesichts der Herausforderungen durch eben jene Wichtigtuer und Täter stellt sich die Frage, wie man ihnen zugunsten von mehr Sicherheit begegnen kann. Prävention allein wird nicht gelingen, dazu fehlen in einer globalisierten kapitalistischen Welt Grundlagen und Ressourcen, zumal das System - wie auch andere - die Wichtigtuerei ja geradezu fördert.

    Ich denke, dass unser Strafrecht und die Umsetzung kurzfristig verändert werden müssen. Es sollte bereits reichen, dass ein Hassprediger Hass predigt, um ihn für einige Zeit unschädlich zu machen (Gewahrsam/Arrest/Haft). Das hätte ggf. abschreckende Wirkung. Diese Wichtigtuer müssen zunächst in ihrer Sprache und Denkweise abgeholt werden. Und dann - das ist meine Hoffnung - geht der Wichtigtuer vielleicht eher zum Boxen ...

    Klar ist, dass diese Idee nicht alle Gefahren beseitigt, zumal fehlgeleitete religiöse Fanatiker damit eher nicht erreicht werden können. Aber es ist vielleicht auch an der Zeit, einmal großflächig über Glauben, Religion und unterdrückte Sexualität nachzudenken. Da schlummert aggressionsförderndes Potential, das sich ggf. anders entladen möchte als durch Terror und Gewalt...

    • @39562 (Profil gelöscht):

      "Es sollte bereits reichen, dass ein Hassprediger Hass predigt, um ihn für einige Zeit unschädlich zu machen (Gewahrsam/Arrest/Haft)."

       

      Was ist ein Hassprediger. Jede Religion führt zu einer Differenzierung nach Gläubigen/Ungläubigen. Gläubige werden von Gott/Göttern belohnt - Ungläubige bestraft. Ohne diese Überzeugung ist man Agnostiker.

       

      Es gehört zur Religionsfreiheit, dass wir als Ungläubige die Abwertung durch die Religiösen aushalten müsse. "Gott wird/soll dich für deinen Unglauben strafen" muss erlaubt sein. Die Grenze ist erst "ich werde dich im Auftrag Gottes strafen".