Neue Verhandlung zur „Scharia-Polizei“: Einschüchternd oder nicht?

Der BGH hebt den bisherigen Freispruch auf. Nun muss geprüft werden, wie die „Scharia-Polizei“ auf junge Muslime gewirkt haben könnte.

Der Bundesadler in silber auf einer Mauer

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Die „Scharia-Polizei“ muss neu beurteilt werden Foto: dpa

Karlsruhe taz | Ob Islamisten als „Scharia-Polizei“ durch deutsche Städte spazieren dürfen, muss neu geprüft werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob den bisherigen Freispruch des Landgerichts Wuppertal auf. Entscheidend sei die Wirkung auf junge Muslime.

Im September 2014 zogen elf junge Männer durch Wuppertal-Elberfeld. Sie trugen orangefarbene Warnwesten, auf deren Rückseite stand „Sharia Police“. Eine Polizeistreife kontrollierte die Gruppe. Der Anführer Sven Lau erklärte, man wolle junge Muslime ansprechen und vor den Gefahren von Alkohol, Drogen, Glücksspiel und Prostitution warnen. Die Polizisten fragten beim Staatsschutz nach und ließen den Aufzug dann weiterlaufen.

Für breite Empörung sorgte erst ein YouTube-Video über die Aktion, das die Gruppe nach einigen Tagen veröffentlichte. „You are entering a sharia controlled zone, islamic ­rules enforced“, war dort zu lesen. Nun ermittelte die Polizei doch.

Die Islamisten wurden angeklagt, sie hätten gegen das versammlungsrechtliche Uniformverbot verstoßen. Danach ist es verboten, öffentlich Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. Das Landgericht Wuppertal sprach die Islamisten im November 2016 jedoch frei. Die Warnwesten seien nicht geeignet gewesen, die Bevölkerung einzuschüchtern.

„Sharia-Police“ als Junggesellenabschied?

Diesen Freispruch hob der BGH nun auf und ordnete eine neue Verhandlung vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal an.

Zunächst bestimmte der Vorsitzende BGH-Richter Jörg-Peter Becker den Maßstab. „Der Wortlaut des Versammlungsgesetzes ist zu weit“, sagte Becker, „sonst wären auch Streikwesten der IG Metall strafbar.“ Das Gesetz müsse im Interesse der Grundrechte einschränkend ausgelegt werden. Das uniforme Auftreten müsse „geeignet sein, einen suggestiv-militanten einschüchternden Eindruck“ zu machen, erklärte Becker unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus den 1980er-Jahren. Es komme aber nicht darauf an, dass tatsächlich jemand durch die Kleidung eingeschüchtert wurde.

Diesen Maßstab habe das Landgericht zwar richtig erkannt, so BGH-Richter Becker, aber falsch angewandt. Die Wuppertaler Kollegen hätten „völlig außer Acht gelassen“, dass die Aktion auf „junge Muslime abzielte“. In einer neuen Verhandlung müsse deshalb geprüft werden, wie die Gruppe in ihren Warnwesten auf junge Muslime gewirkt haben könnte. Dass ein nichtmuslimischer Passant beim Vorbeiziehen der „Sharia-Police“ an einen „Junggesellenabschied“ dachte, sei nicht relevant.

Die Bundesanwaltschaft hatte in der Verhandlung im Dezember argumentiert, der Begriff „Sharia Police“ erinnere Muslime an eine Religionspolizei, die in manchen Ländern mit Gewalt zum Beispiel Bekleidungsvorschriften durchsetzt. Dagegen hatte Verteidiger Serkan Alkan behauptet, „Muslime stufen solche Leute als Spinner ein und lachen über sie.“ Wie das Landgericht Wuppertal nun prüfen soll, ob die Warnwesten geeignet waren, junge Muslime einzuschüchtern, ließ der BGH offen. Geeignete Zeugen gibt es wohl keine. „Die sind da zwei Stunden unterwegs gewesen, aber gar keinen Muslimen begegnet“ erklärte Verteidiger Klaus Sewald nach dem Urteil.

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