Kommentar Urteil „OldSchool Society“: Endlich wird gesehen, was ist
Die Behörden haben den Rechtsterrorismus lange ignoriert. Die Bundesanwaltschaft scheint aber entschlossen zu sein, härter vorzugehen.
Die mehrjährigen Haftstrafen, zu denen das Oberlandesgericht München die vier Mitglieder der rechtsextremen „Oldschool Society“ verurteilt hat, sind ein hartes Urteil, schließlich haben die vier noch keinen Anschlag verübt. Aber es zeigt: Die Justiz geht nicht nur gegen Islamisten hart vor, von denen eine Terrorgefahr ausgeht, sondern auch gegen Rechtsextremisten. Die Richter haben klargemacht, dass die „Oldschool Society“ eine terroristische Vereinigung ist, die sich mit dem Ziel gegründet hat, Anschläge unter anderem auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen zu begehen. Ein solches Zeichen war überfällig.
Mit der Einschätzung, dass es in Deutschland Rechtsterrorismus geben könnte, haben sich die Sicherheitsbehörden selbst nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011, der für eine Mordserie mit zehn Toten verantwortlich ist, schwergetan. Obwohl Experten seit Langem davor warnen, dass sich insbesondere im Ostteil des Landes rechtsterroristische Strukturen herausbilden, ist das Urteil in München das erste dieser Art. Im Fokus des Antiterrorkampfes standen in den vergangenen Jahren vor allem Islamisten. Das zeigt auch die Liste der sogenannten Gefährder, die die Polizei besonders im Auge hat: 602 Islamisten stehen darauf – und 22 Rechtsextreme.
Die rund 2.000 Anschläge auf Flüchtlingsheime in den vergangenen zwei Jahren wurden allzu lange als Taten Einzelner abgetan, rechtsextreme Zusammenhänge nicht ermittelt, die Urteile – wenn es überhaupt zum Prozess kam – fielen nicht selten milde aus. Auch die Verteidiger der OSS-Mitglieder versuchten, die Gefahr, die von ihren Mandanten ausgeht, herunterzuspielen: Sie stellten sie als gescheiterte Persönlichkeiten dar, die auf der Suche nach Anerkennung waren. Gut, dass das Gericht dem klar widersprochen hat.
In der Bundesanwaltschaft, die sogar noch höhere Strafen gefordert hatte, scheint sich endlich ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextremisten durchzusetzen. Dies zeigt auch die Anklage gegen die mutmaßlich rechtsterroristische „Gruppe Freital“, die derzeit in Dresden vor Gericht steht. Es ist die erste Anklage, die Anschläge auf Flüchtlingsheime als Rechtsterrorismus bezeichnet. Damit es dazu kam, musste allerdings die Bundesanwaltschaft den Fall an sich ziehen. Die Justiz in Sachsen wollte keinen Terror sehen. Das Umdenken fängt erst an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund