Dresdner Prozess gegen „Gruppe Freital“: „Ich wollte an seiner Seite sein“
Der mutmaßliche Rädelsführer der „Gruppe Freital“ wird durch einen ehemaligen Komplizen belastet. Zeugen drohte Timo S. schon zuvor mit Racheakten.

Der Angeklagte Timo S. sitzt zu Prozessbeginn am 07.03.2017 im Verhandlungssaal der JVA Dresden Foto: dpa
DRESDEN taz | Timo S., der mutmaßliche Anführer der „Gruppe Freital“, wurde am Freitag von einem ehemaligen Komplizen als sehr gewalttätig beschrieben. „Der geht über Leichen“, sagte Felix W. vor Gericht. „Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so viel Hass in sich hatte. Hätte der eine Waffe gehabt, hätte er sie genutzt.“
In Dresden läuft gerade ein Prozess gegen sieben Männer und eine Frau, die im Sommer und Herbst 2015 eine Reihe von Anschlägen im sächsischen Freital begangen haben sollen. Die Anklage lautet auf Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchten Mord. Sie sollen Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, ein alternatives Wohnprojekt, ein Linken-Parteibüro und das Auto eines Linken-Stadtrats aus Freital verübt haben.
Seit drei Wochen wird jetzt verhandelt, am Freitag war der sechste Prozesstag. Der Zeuge Felix W. erzählte, dass er Timo S. kennenlernte, als sie gemeinsam gegen die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Hotel Leonardo in Freital protestierten. Er habe damals zu Timo S. aufgeschaut und ihn als Vorbild gesehen. „Ich wollte an seiner Seite sein, wie ein Mitläufer – oder ein Hund.“
Er habe gemeinsam mit Timo S. linke Demonstranten angegriffen, erzählte der Zeuge. Einmal hielten sie in Freital gemeinsam einen Zug auf, der von Demonstranten besetzt war. Ein anderes Mal verfolgten sie nach einer Demonstration ein Auto mit Flüchtlingsaktivisten und drängten es fast von der Straße. Ein Komplize schlug mit einem Baseballschläger die Frontscheibe des Autos ein und verletzte die Aktivisten durch die Splitter. Sie entkamen nur knapp.
Es folgten Drohungen
Nach diesem Vorfall distanzierte sich Felix W. von der Gruppe. Es war ein Fehler, dass er da mitgemacht habe, sagte er am Freitag. Er könne deshalb nicht mehr schlafen. Nach dem Baseballschläger-Angriff auf die Flüchtlingsaktivisten sagte Felix W. bei der Polizei gegen Timo S. aus.
Obwohl ihm die Beamten versichert hatten, dass seine Aussage nicht an Timo S. weitergeleitet werden würde, kursierte sie bald unter Mitgliedern der „Gruppe Freital“ in einem Chatprogramm. Sie wurde auch ausgedruckt herumgereicht. Timo S. sagte, dass man Felix W. umbringen müsse, erzählte Justin S., der jüngste Angeklagte.
Er ist der einzige Angeklagte, der bisher im Prozess ausgesagt hatte. Auch Justin S. wurde von Timo S. bedroht. Sein Anwalt las am Freitag eine E-Mail vor, die die Justizvollzugsanstalt Zwickau an das Gericht geschrieben hatte. Darin stand, dass der mutmaßliche Rädelsführer Timo S. Geld dafür geboten habe, dass jemand Justin S. „die Zähne ausschlägt“.
„Herr S. hat Angst, dass er abgestraft wird“, sagte sein Anwalt. „Er fürchtet, dass ihm körperlich etwas passiert.“ Justin S. hatte vorige Woche mit seiner Aussage Timo S. und andere Angeklagte schwer belastet. Die Bundesanwaltschaft gab außerdem bekannt, dass inzwischen auch gegen den Freitaler NPD-Stadtrat Dirk Abraham wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird. Er verweigerte deshalb am Freitag seine Zeugenaussage.