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Kommentar TierschutzsiegelMehr ist nicht genug

Jost Maurin
Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin und Jost Maurin

Das neue Tierschutzsiegel reicht nicht aus. Die Reform der Agrarbranche muss weitergehen. Der Gesetzgeber muss die Mindeststandards erhöhen.

D as ist schon mal was: Das Siegel des Deutschen Tierschutzbundes garantiert ein Drittel mehr Platz für Mastschweine in der Agrarindustrie, Hühnermäster sollen nur langsam wachsende Rassen benutzen, die weniger Schmerzen entwickeln. Dagegen kann niemand etwas einwenden, dem es wichtig ist, wie die Tiere gelebt haben, die auf seinem Teller landen.

Aber es wäre fatal, wenn Tierschutzbund, die beteiligten Lebensmittelkonzerne wie Lidl und der Staat sich nun auf diesem Niveau ausruhten. Natürlich wäre es am besten, wenn die Menschen in den Industriestaaten nur noch wenig oder gar kein Fleisch äßen: für die Hungernden in Entwicklungsländern, denen Masttiere das Getreide wegfressen, für das Klima, das unter dem Treibhausgasausstoß der Viehbranche leidet – und für die Tiere. Doch bis dahin ist es noch weit, und deshalb ist es richtig, die Tierhaltung zunächst zu reformieren. Diese Reform muss aber weitergehen als das neue Siegel, denn bisher bietet es – wie sein Name schon sagt – nur „Mehr Tierschutz“, aber nicht genug Tierschutz.

Schließlich dürfen die meisten Label-Tiere auch weiterhin nicht ins Freie. Sauen bleiben ihr halbes Leben lang in nur körpergroßen Käfigen eingepfercht, weil die Ferkelerzeugung bislang nicht von den Labelregeln erfasst wird. Der Tierschutzbund muss an solchen Punkten in den nächsten Jahren Verbesserungen durchsetzen.

Bild: taz
Jost Maurin

ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Ökologie.

Doch auch vom besten Label wird wohl auf absehbare Zeit nur eine Minderheit der Tiere profitieren. Denn einen Billigmarkt für Fleisch gibt es trotzdem – und der geht auf Kosten der Tiere. Prognosen für artgerechter erzeugtes Schweinefleisch gehen auch trotz des Siegels von gerade mal 10 bis 15 Prozent Marktanteil aus. Und was ist mit den restlichen 85 bis 90 Prozent?

Daher muss der Staat eingreifen: Bundesländer, Bund oder EU sollten den gesetzlichen Mindeststandard erhöhen – auch für die Tiere von Billigproduzenten.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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1 Kommentar

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  • B
    Bergwerk

    "Hühnermäster sollen nur langsam wachsende Rassen benutzen, die weniger Schmerzen entwickeln. Dagegen kann niemand etwas einwenden"

    Doch.

    Das ist nämlich zynisch.

    Es gibt nur einen ethischen Weg. Wer keinen würdelosen Umgang mit Kreaturen will, muß ihn verbieten. Wenn das bedeutet, daß nur noch ein Bruchteil der bisherigen "Produktion" möglich ist, dann ist das so.

    Oder hat seinerzeit jemand vorgeschlagen, im Bergwerk nur noch besonders kleine Kinder einzusetzen, die im Dunkeln weniger Angst haben oder (genial!) von Geburt an blind sind?

    Auch diese aktuelle Regelung zeigt nur eins: wir wollen keine ethische Argrarwirtschaft.