Kommentar Taliban-Anschlag in Pakistan: Perverses Aufrechnen von Opfern
Die pakistanischen Taliban rechtfertigen den Angriff auf eine Schule mit Rache. Dabei müssten sie ein Interesse daran haben, zivile Opfer zu vermeiden.
W ie menschenverachtend müssen Rebellen sein, die gezielt und massenhaft Kinder angreifen und töten? Die pakistanischen Taliban rechtfertigen den Angriff auf eine Schule in Peschawar und die Tötung von mehr als hundert Kindern mit Angriffen der Armee auf die Taliban-Verstecke im Grenzgebiet zu Afghanistan in den letzten Monaten. Dabei – wie bei den wiederholten Angriffen mit US-Drohnen – seien Kinder getötet worden, so ein Talibansprecher. Dies sei jetzt die Rache dafür.
Diese perverse Argumentation wurde offenbar nachgeschoben. Zunächst hatte der Talibansprecher erklärt, die Kämpfer seien angewiesen worden, Kindern nichts anzutun und „nur“ ältere Jugendliche und Militärpersonal in dieser von der Armee betriebenen öffentlichen Schule zu töten.
Opfer gegeneinander aufzurechnen ist so menschenverachtend, wie gezielt Kinder zu töten. Dabei müssten die Rebellen auch ein Interesse daran haben, zivile Opfer zu vermeiden. Wollen sie nicht als Terroristen angesehen werden, darf ihnen das Schicksal der Bevölkerung nicht egal sein.
Dies gilt natürlich auch für die Gegenseite, in dem Fall die pakistanische Armee und das US-Militär mit seinen Drohnen. Denn es ist auch menschenverachtend, sich nur über die Kinderopfer der Taliban zu empören und sich für Kinderopfer der US-Drohnen nicht zu interessieren. Trotzdem sind die Fälle nicht direkt vergleichbar.
Dass US-Drohnen gezielt auf vollbesetzte Schulen schießen, haben bisher nicht einmal Feinde der USA behauptet. Die von Drohnen getöteten Kinder sind sogenannte Kollateralschäden: Opfer von Falschinformationen, mangelnder Sorgfalt oder schlicht riskanter Kriegsführung, die den Tod von Kindern billigend in Kauf nimmt. Für diese Opfer interessiert sich im Westen kaum jemand. Die Betroffenen zu unterstützen ist so wichtig, wie künftig solche Opfer zu vermeiden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Tötung von mehr als einhundert Schulkindern wenigstens den Menschen in Pakistan verdeutlicht, dass die Taliban und ihre Methoden keine Sympathien verdienen. Dies könnte den Rückhalt der Taliban reduzieren und damit vielleicht auch solche Angriffe.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel