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Kommentar Tag der Deutschen EinheitHier gibt es nichts zu feiern

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Dresden zeigte, welche Fronten einer kollektiven Identität entgegenstehen. Die Beschwörung der Einheit kann die Spaltung nicht überdecken.

Schwer, mit dem glücklich sein in diesen Tagen Foto: dpa

D er „Tag der Deutschen Einheit“ verdient seine Bezeichnung bestenfalls noch historisch. Spätestens seit Montag sollte treffender von einem Tag der Spaltung die Rede sein. Weniger, weil auch nach 26 Jahren ökonomische Interessen und mentale Entwicklungsunterschiede zwischen Ost und West über den nationalen Wiedervereinigungsgedanken dominieren. Dresden demonstrierte vielmehr, welche neuen Fronten quer durch das Land die Beschwörungen einer kollektiven Identität konterkarieren.

Denn viele Deutsche, die mit sich einigermaßen im Reinen sind, möchten mit jenen Deutschen, die am Montag ihre Neurosen, ihre Phobien und ihren Hass sogar gegen die ihnen fremde eigene Kultur herausbrüllten, nichts zu tun haben. Wer Beethovens „Fidelio“-Ouvertüre, mit der am 7. Oktober 1989 in der Semperoper auch ein Zeichen für den damaligen Aufbruch gesetzt wurde, und Lessings Ringparabel aus dem „Nathan“ mit Trillerpfeifen und infantilen „Merkel muss weg“-Rufen erstickt, will zurück in die Barbarei.

Dresden sah in den drei Jubeltagen die innerdeutschen Parallelgesellschaften, die faktisch eine Multikultur und leider auch eine Multi-Unkultur konstituieren. Die indifferente Masse aß Bratwurst, trank ihr Bier und ließ sich von den Bühnen unterhalten. Die eine Minderheit schaute sogar mal im Pavillon des Bundestages vorbei und hörte sich eine Podiumsdiskussion oder einen Poetry Slam an.

Auf dem Theaterplatz traf man sogar noch ehrliche Patrioten. Neben ihnen eine weitere Minderheit, schwarzhaarig und dunkelhäutig, die beim „Feiertag“ des Gastlandes dabei sein wollte. Und dann eben jene Edeldeutschen von Pegida, die dunkelhäutigen Ehrengästen Affenlaute hinterherbrüllen und einen Kreuzkantor als „Volksverräter“ beschimpfen.

Gewiss, Dresden ist nicht von ungefähr zur Hauptstadt der „Bewegung“ rückwärts avanciert. Aber die Stadt verdient deshalb ebenso wenig eine kollektive Denunziation wie die Deutschen ein einheitliches Volk sind. Hier in Sachsen zeigt sich der Zustand der gesamten Nation wie im Fokus. Die penetrante Beschwörung des anachronistischen Begriffs der Einheit indiziert nur die tiefe Verunsicherung über eine sich immer weiter aufspaltende Gesellschaft.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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5 Kommentare

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  • „Denn viele Deutsche, die mit sich einigermaßen im Reinen sind, möchten mit jenen Deutschen, die am Montag ihre Neurosen, ihre Phobien und ihren Hass sogar gegen die ihnen fremde eigene Kultur herausbrüllten, nichts zu tun haben.

    Gewiss, Dresden ist nicht von ungefähr zur Hauptstadt der „Bewegung“ rückwärts avanciert. Aber die Stadt verdient deshalb ebenso wenig eine kollektive Denunziation …“

     

    Stimme Ihnen ausdrücklich zu.

     

    Fröhlich und bunt wollte sich Dresden und Sachsen am Einheitswochenende geben, wahrgenommen wurde Dresden (Deutschland und auch im Ausland) aber in erster Line als Bühne und Inszenierung von Pegida und der ihr nahestehenden Parteien!

    Da nutzt es wenig, wenn man konstatiert, dass die Inhalte und Rhetorik von Pegida (die teilweise Parolen aus der Nazi-Zeit schrien) und ihren nahestehenden Parteien sehr armselig waren.

    Gleichwohl sollte man achtsam sein, dass durch Berichterstattung (Dresden) Pegida nicht zur Medienpräsenz wird, weil Pegida und Co. davon „leben“, sie erscheinen so wesentlich stärker, als sie in Wirklichkeit sind!

     

    Auch sollten wir nicht vergessen, dass in Dresden ca. 540 000 Menschen leben, und am Montag mehr als 99 % der Dresdener keinen Hass herausbrüllten! Sondern es nicht mal 1 % Pegida und Co. waren, „die am Montag ihre Neurosen, ihre Phobien und ihren Hass sogar gegen die ihnen fremde und eigene Kultur herausbrüllten“.

    • @D-h. Beckmann:

      Vorausgesetzt, dass alle dortigen Pegida-Teilnehmer überhaupt alle aus Dresden kommen.

    • @D-h. Beckmann:

      Danke für Ihren letzten Absatz.

       

      Ich lebe in Dresden und die Präsenz der Pegidisten stört mich schon lang. So bekommen diese noch mehr Raum und Plattform, die ihnen nicht zusteht.

  • Die konsequente Bekämpfung von allen linken Gruppierungen durch die sächsische Landesregierung zeigt Wirkung, rechte Gruppen dürfen sich stark fühlen!

    Auch das massive Sparen bei den Bürgern ist eine der Ursachen.

  • Mein Kommentar zu den Geschehnissen in Dresden in den letzten 3 Tagen:







    ZEITGEISTER







    Der Hass ist auf den Straßen,



    Marschiert durch jede Stadt,



    Brüllt wütend laut Parolen,



    Die man vergessen hat.







    Die Dummheit in Gefolgschaft



    Als Menschenfängerin



    Ruft Massen laut zusammen,



    Stumpft ab der Menschen Sinn.







    Der Neid hetzt gegen jene,



    Die schwach und hilflos sind.



    Er geifert, bleckt die Zähne.



    Die Menschen rasen blind.







    Der Tod mit blanker Sense,



    Er schaut zum Schluss herein,



    Reibt kichernd seine Hände



    Und fährt die Leichen ein.