Kommentar Studiengebühren: Angst vor dem Plebiszit
Die Abschaffung der Studiengebühren ist inhaltlich richtig. Aber sie erfolgt nur aus Anst vor einem Volksbegehren. Das macht klar: Seehofer pfeift auf Inhalte.
V ieles spricht dafür, dass die CSU die Studiengebühren für ein Erststudium in Bayern bald abschafft – nicht aus politischer Überzeugung, sondern aus wahltaktischem Kalkül. Im Koalitionsvertrag hatten CSU und FDP ein Festhalten an den Studiengebühren verankert.
Bislang galten sie als unverzichtbar, um die Qualität der Lehre an bayerischen Universitäten garantieren zu können. Doch nun hat der bayerische Verfassungsgerichtshof überraschend ein von den Freien Wählern angestrebtes Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren für zulässig erklärt. Damit sind die Zahlungen der Studenten zu einem Thema geworden, das für die CSU im Wahlkampf zu einer Bedrohung avancieren könnte.
Dass die Opposition genügend Unterschriften sammelt, um einen Volksentscheid herbeizuführen, gilt als sicher. Stimmen die bayerischen BürgerInnen gegen die Gebühren, wäre das eine peinliche Schlappe, die die CSU nicht brauchen kann. Außerdem gibt es kein Thema, bei dem das Oppositionsbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern, das sich anschickt, die CSU bei der Landtagswahl 2013 zu stürzen, so einig ist wie bei diesem.
ist Bayern-Korrespondentin der taz.
Zwar wollten sich SPD und Grüne nicht an der Initiative der Freien Wähler beteiligen. Auch sie hielten es für unwahrscheinlich, dass ein Volksbegehren zu diesem Thema zulässig ist, weil es den Staatshaushalt betrifft. Über den darf es in Bayern gemäß der Landesverfassung kein Plebiszit geben. Inhaltlich zieht die Opposition aber an einem Strang – anders als zuvor etwa beim Ausbau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen.
Für die Studierenden ist der Schwenk der CSU erfreulich, weil die Gebühren Kinder aus weniger gut situierten Elternhäusern benachteiligen. Die Abschaffung ist inhaltlich richtig. Aber dass sie nun wohl aus Angst vor einem Volksbegehren erfolgt, macht ein weiteres Mal deutlich, dass Ministerpräsident Horst Seehofer auf Inhalte pfeift – so lange er sich die Macht in Bayern sichern kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben