Kommentar Stammzellenforschung: Revolution der Geschlechter

Aus Hautfetzen kann man Eizellen oder Spermien schaffen. Homo-Paare können gemeinsame Kinder haben. Und die „biologische Uhr“ ist passé.

Schwangere hält sich den Bauch

Erstmals sind Frauen in der Familienplanung tatsächlich mit Männern gleichgestellt Foto: dpa

Ein Stück Haut wird künftig genügen, um eine Eizelle oder eine Spermie zu erschaffen – auch beim Menschen. Natürlich kann man nun beklagen, dass Missbrauch möglich ist, ein Designerbaby droht und schwerwiegende ethische Fragen aufgeworfen werden. Stellen wir uns über die Natur? Spielen wir Gott? Werden es nicht wieder nur die Wohlhabenden sein, die profitieren? Alles berechtigte Bedenken. Und ja, neue Regeln werden nötig sein.

Doch zum einen ist es ohnehin unmöglich, Innovationen aufzuhalten. Was technisch machbar ist, wird auch genutzt – wenn nicht bei uns, dann in Ländern, die legerer mit Stammzellenforschung und Reproduktionstechnik umgehen. Zum anderen bedeutet dieser Durchbruch bei der Stammzellenforschung enorme Chancen. Erstmals können homosexuelle Paare auch biologisch Eltern eines gemeinsamen Kindes werden. Bisher ist das nur mit einer Ei- oder Samenspende und damit auf Kosten des Kindes möglich gewesen, das seine biologische Herkunft nur zur Hälfte kennt.

Eine regelrechte Revolution ist die neue Technik jedoch für das Geschlechterverhältnis. Erstmals sind Frauen in der Familienplanung tatsächlich mit Männern gleichgestellt. Die biologische Uhr tickt nicht länger. Im Hier und Jetzt müssen Frauen, die Kinder wollen, zwischen ihrer Ausbildung und dem Ende der Fruchtbarkeit alles gleichzeitig leisten: sich im Job beweisen, eine Karriere aufbauen, den Menschen fürs Leben finden, Kinder bekommen und nach Möglichkeit sich auch noch sozial engagieren. Gut aussehen, Sport treiben und ohne Fertiggerichte auskommen sollen sie dabei selbstverständlich auch. Schon der Gedanke daran ist so stressig, dass die kinderlose Alternative geradezu unwiderstehlich erscheint.

Doch in Zukunft werden Frauen genauso wie Männer eine Familie gründen können, wenn der für sie richtige Zeitpunkt gekommen ist, ganz ohne Torschlusspanik. Sie werden sich auch dann noch einen Kinderwunsch erfüllen können, wenn sie den Traumpartner erst mit Anfang 40 treffen. Keine wird mehr Pech gehabt haben, weil sie mit Mitte 20 nicht an „Social Freezing“, das Einfrieren von Eizellen, gedacht hat. Nach einer Trennung eine zweite Familie gründen – das wird nicht länger Privileg der Männer sein. Wenn das keine Verheißung für die Zukunft ist.

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Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

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