Kommentar Seehofers ARD-Interview: Problem-Horst bleibt stur
Er hält an seinen umnebelten Bierzelt-Behauptungen fest. Und als CSU-Vorsitzender hat Seehofer im Hinblick auf die Bayern-Wahl im Fernsehen versagt.
S o wie er sich da präsentiert hat gestern Abend im ARD-Sommerinterview, sieht der bayerische Aufbruch vor der Landtagswahl und der CSU-Wahlsieg sicher nicht aus. Dabei gibt sich Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer schon etwas staatsmännischer und abgeklärter als in seinen hochnervösen letzten Wochen mit Rück- und Rückrücktritt und seiner verzweifelten Unzufriedenheit über die Bundeskanzlerin.
Angela Merkel weigert sich weiterhin stoisch, wegen eines nicht existierenden hohen Flüchtlingszuzugs quasi den Staatsnotstand auszurufen und in der Asylpolitik noch repressiver zu handeln als es bisher schon geschieht.
Als CSU-Vorsitzender mit Blick auf den Wahltermin am 14. Oktober hat Seehofer im Fernsehen versagt: Kaum ein Wort darüber, dass es den Menschen in Bayern weiter in ihrer großen Mehrheit gut geht, viel besser als anderswo. Er, der sich immer seiner Spürnase für die Befindlichkeit der Bevölkerung sicher war, zeigt auch keinerlei Reaktion auf Unmut. Wie etwa auf die riesige „#ausgehetzt“-Demo in München, wo eine breite Masse gezeigt hat, wie sehr sie den Rechtsruck der CSU ablehnt.
Er zeigt keine Nachdenklichkeit, kein Verständnis dafür, dass die rüpelhafte und rechtspopulistische Rhetorik der CSU-Granden über geflohene Menschen viele als ekelhaft und menschenverachtend empfinden, und zwar auch in der Partei selbst.
„Mörder, Terroristen, Rassisten, Nazi“
Stattdessen teilt Seehofer in seinem 70. Lebensjahr weiter aus: Er ermahnt die Kanzlerin sowie auch SPD-Chefin Andrea Nahles, die Ministerpräsidenten ihrer Parteien anzuweisen, auch Ankerzentren nach bayerischem Vorbild einzurichten. Als würden sich die Landeschefs reinreden lassen. Seinem ungeliebten Nachfolger in Bayern gibt er en passant und zum wiederholten Mal mit auf den Weg, dass er erneut die absolute Mehrheit in Bayern erreichen müsse. Er legt die Latte hoch.
Im Interview zu sehen ist ein larmoyanter Seehofer, ein bisschen ironisch und vor allem rechthaberisch. Er beklagt eine „Sprachpolizei“, die „bevormunden“ wolle. Er versteift sich darauf, dass das Wort vom „Asyltourismus“ schon von der EU verwendet worden sei. Und er hält sogar an seiner umnebelten Bierzelt-Behauptung fest, dass ihn Gegner als „Mörder, Terroristen, Rassisten, Nazi“ brandmarken würden.
Sein Rücktrittsangebot von allen Ämtern in jener Maxi-Parteivorstands-Sitzung in der Nacht auf den 2. Juli hätte die CSU lieber annehmen sollen, anstatt ihn zum Weitermachen zu überreden. Bis zur Bayern-Wahl hat man nun einen Vorsitzenden, der vor allem um sich selbst kreist und zum immer größeren Problem wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart