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Kommentar SPD vor der EuropawahlMacht geht vor Debatte

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD hätte angesichts der rechten Regression der Union gute Voraussetzungen bei der Europawahl. Allerdings nur auf den ersten Blick.

Das Reflexive liegt Katarina Barley – sie müsste es nur bei den EU-Wahlen ausnutzen Foto: ap

D ie SPD vor der Europawahl erscheint wie ein Vexierbild. Schaut man geradeaus sieht man: eine Spitzenkandidatin, die unangestrengt das Europäische verkörpert. Katharina Barley kann das Reflexive besser als Bierzelt und Parteiprosa – und passt damit in die Zeit. Der Aufstieg der Rechtspopulisten beschert der SPD ein dankbares Feindbild und sinnstiftendes Selbstbewusstsein. Und die zentralen Forderungen – europaweite, regional angepasste Mindestlöhne und Besteuerung von Digitalkonzernen – sind einleuchtend. Die EU darf nicht bloß der deutschen Exportindustrie und gut Ausgebildeten nutzen.

Zudem ist in Berlin die Post-Merkel-Zeit angebrochen. Kramp-Karrenbauer ist europapolitisch, freundlich gesagt, ohne Ehrgeiz. Der neue Junge-Union-Chef wirkt wie ein Zeitreisender, den es aus den 70er Jahren nach 2019 verschlagen hat. Auf der Folie der rechten Regression der Union wirkt die SPD strahlend.

Wenn man dieses Bild etwas kippt, sieht die Sache anders aus. Ist der Linksschwenk der SPD dauerhaft ist oder nur ein aus Not geborenes rhetorisches Manöver? Andrea Nahles umjubelte Ankündigung, die SPD werde bei der Grundrente keinen Kompromiss mit der Union eingehen, schürt die Zweifel eher. Denn genau das wird die SPD schon bald tun – es sei denn sie jagt die Große Koalition in die Luft. Und das will niemand in der Parteispitze. Auch Udo Bullmanns Versprechen, nach der Europawahl nicht wie üblich im Hinterzimmer eine Große Koalition mit der EVP auszudealen, (falls es dazu noch reicht) kann man glauben – oder auch nicht.

Zweifel schürt auch die gespenstisch geräuschlose Art wie der Parteikonvent Olaf Scholz kalte, skeptische Realpolitik in Sachen Digitalsteuer und die hochfliegenden Ziele der Partei in Formelkompromissen verbuddelte. Es gab darüber noch nicht mal eine Debatte. Der Konvent war eine halbe Stunde früher als geplant zu Ende.

Stimmt schon: Eine scharfe Kontroverse mit dem Finanzminister über die Digitalsteuer wäre als Wahlkampfauftakt suboptimal gewesen. Aber das ist die Logik einer Regierungspartei: Macht geht vor Debatte. Skeptische Ex-SPD-WählerInnen gewinnt man so kaum zurück.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • "europaweite, regional angepasste Mindestlöhne"

    Da müssten wir hier im Westen so 12.15 € haben. Haben wir? Nein. So viel dazu was das wert ist.

  • Spricht mir aus der Seele.

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Ich muss klipp und klar sagen. Es ist egal, wer an der spitze ist, ist SPD nicht wählbar. Offen gesagt AfD ist mir lieber als SPD. Ich kann AfD einigermaßen einschätzen, woran sie sind, was sie vorhaben. SPD ist unberechenbar.

  • Katarina Barley ist ein typisches SPD-Leichtgewicht, das eine ernsthafte Debatte weder sucht noch durchstehen würde. Sich munter-fröhlich auf der eigenen Herkunft, Geschlecht und Partnerwahl auszuruhen, ist sicher nicht untypisch für Wohlstandseuropäerinnen (innerhalb der SPD gibt es da einige). Es ist aber sehr wahrscheinlich nicht das, was wir in Europa zukünftig brauchen ... und das Wahlvolk hat in dieser Kategorie zahlreiche linke und grüne Alternativen.

  • „Macht geht vor Debatte“ oder auch „Machen geht vor Labern“

    Vier Jahre Opposition und dort debatieren hilft nämlich wem? Jepp: jenen die regieren.



    Die Linkspartei ist bereits seit 30 Jahren am debatieren und hat genau was erreicht? Jepp: nichts.

    Ich hoffe, die SPD bekommt beides hin: Regieren und die Erneuerung. Es wird schwer sein, abe nicht unmöglich. Bisher wurden wertvolle Debatten angestoßen.

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Nachdem Martin Schulz Kanzlerkandidat geworden war, hatte er auch zunächst getönt, die SPD müsse sozialer und gerechter werden.



    Aber innerhalb kürzester Zeit wurde er von den Seeheimern wieder zurückgepfiffen: Die SPD müsse "wirtschaftlich vernünftig" sein, sprich i. w. das tun, was die Wirtschaft, die Konzerne und die Deutsche Bank von ihr will.



    Wer glaubt, dass die SPD solche Wahlsprüche in die Tat umsetzt, ist einfach unglaublich naiv!