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Kommentar Rüstungspolitik der USATrump weckt alte Atomkrieg-Ängste

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Es droht ein neues Wettrüsten zwischen den USA und Russland. Deshalb braucht Europa dringend eine eigenständige Außenpolitik.

22. Oktober 1983: Nato-Soldaten in Bonn. 500.000 Menschen kamen zu der Großdemo Foto: imago/Sven Simon

D as hat Europa gerade noch gefehlt. Sollte US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung wahr machen, den INF-Vertrag zur Abschaffung atomarer Mittelstreckenraketen zu kündigen, dann droht ein neues Wettrüsten zwischen den einstigen Gegnern im Kalten Krieg. Ein Gedanke, der nach dem Ende der bipolaren Welt undenkbar schien. Bei Teilen der älteren Generation, die mit der Friedensbewegung politisch erwachsen wurde, werden vergessen geglaubte Ängste neu erweckt.

Zu Recht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren die globalen politischen Verhältnisse unübersichtlicher geworden, zumindest aber – und das war ein großer Grund zur Freude – schien die unmittelbare Bedrohung der atomaren Vernichtung Europas gebannt zu sein. Beim INF-Vertrag ging es stets mehr um die Sicherheit Europas als um die militärischen Kräfteverhältnisse im Rest der Welt. Daran hat sich nichts geändert.

Und nun also das! Die Ankündigung des US-Präsidenten hätte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Brexit, Krim-Konflikt, mögliche neue Finanzkrise innerhalb der EU und der Vormarsch autoritärer, nationalistischer Parteien – Europa hat derzeit genug Probleme. Übrigens nicht nur die Europäische Union, sondern auch deren Anrainerstaaten und besonders ehemalige Teilrepubliken der Sowjetunion.

Wie sieht es derzeit eigentlich in Georgien aus? Wie in den Balkanstaaten, die nicht zur EU gehören? Und wie ist die Lage im Baltikum, das sowohl Mitglied der EU als auch der Nato ist? Angesichts der Entwicklung gewinnen diese Fragen eine neue, brennende Aktualität. Denn überall dort sind militärische Konfrontationen nicht ausgeschlossen. Seit Jahren werfen sich Moskau und Washington gegenseitig vor, gegen den INF-Vertrag zu verstoßen, und vieles spricht dafür, dass die Vorwürfe beider Seiten berechtigt sind. So etwas kommt vor.

Über Trumps Motive zu spekulieren, ist müßig

Wer das politische Handwerk im Kalten Krieg gelernt hat, wusste, dass Annäherung zwischen Gegnern oder sogar Feinden nur dann möglich ist, wenn nicht jedes Fehlverhalten zum Anlass für dramatische Schritte genommen wird. Ohne einen sehr langen Atem beider Seiten wäre es während des Kalten Krieges zu überhaupt keinem Abrüstungsvertrag gekommen.

Über die Motive von Donald Trump zu spekulieren, ist müßig. Dafür hat sich seine Außenpolitik bislang als zu erratisch gezeigt. Europa kann es sich nicht mehr leisten, alleine auf die USA als Schutzherrin zu vertrauen. Es muss endlich den Weg zu einer eigenen, selbständigen Außenpolitik finden – so verunsichernd das auch sein mag. Wie wäre es mit einem russisch-europäischen Gipfeltreffen?

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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2 Kommentare

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  • Ja Frau Gauss.. ".. vergessen geglaubte , alte Ängste , werden neu erweckt.." durch Präs. Trumps Ankündigung des USA Austritts aus dem INF Vertrag von 1987 ! .. und es gibt ja Schuldzuweisungen gegen die Nichteinhaltung des INF Vertrags auf beiden Seiten : bei USA/NATO/EU als auch bei Russland..



    Durch Veränderungen in der geopolitischen Struktur : dem Ende der UDSSR , die militärische Ausweitung der NATO gen Osten , der russischen Angst wegen dem Ukraine Disaster , die Krim.. dem verlorenen diplomatischem Vertrauen , dem (bisher) unterschwelligen neuen Kalten Krieg , die Isolation Russlands etc... als auch die neu entstandenen militärischen Staaten die dem INF Vertrag von 1987 nicht verpflichtet sind !



    Herr Donath , der TAZ Korrespondent für Russland hat ja die Haltung der russischen Führung zum Austritt der USA aus dem INF (gestern in der TAZ !) objektiv dargestellt : Russland will den INF Vertrag erhalten , räumt aber ein , das der INF von 1987 `politisch veraltet´ist und neu formuliert werden muss , um dem Frieden zu dienen ! Und am heutigen Tag findet in Moskau ein Gespräch zwischen Mr. Bolton (USA) und Präs. Putin statt , mit dem INF Vertrag als Thema (irgendwie ohne Beteiligung der EU !)



    Ich teile ihre Idee :



    ".. die EU.. muss endlich den Weg zu einer eigenen, selbständigen Außenpolitik finden – so verunsichernd das auch sein mag. Wie wäre es mit einem russisch-europäischen Gipfeltreffen?"

  • "Beim INF-Vertrag ging es stets mehr um die Sicherheit Europas als um die militärischen Kräfteverhältnisse im Rest der Welt. Daran hat sich nichts geändert."



    Andersherum wird ein Schuh daraus: Die Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Europa setzt das Kalkül seiner atomaren Zerstörung voraus.