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Kommentar Rot-Rot-GrünIn weiter Ferne, so nah

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Neue Mehrheiten? Nein. In allen drei Parteien sind die Kräfte, die Rot-Rot-Grün möglich machen wollen, noch immer zu schwach.

Hat Rot-Rot-Grün auf Bundesebene ins Gespräch gebracht: Linken-Fraktionschef Gregor Gysi Bild: reuters

W enn nichts Umstürzendes passiert, werden bei den Bundestagswahlen 2017 zwei Möglichkeiten zur Wahl stehen: Union und SPD und Union und Grüne. Die Frage wird lauten, wer mit der CDU-Kanzlerin regieren darf. Denn trotz zaghafter Lockerungen herrscht zwischen SPD und Grüne und Linkspartei Blockade. In allen drei Parteien sind die Kräfte, die Rot-Rot-Grün möglich machen wollen, zu schwach.

Die Linkspartei bräuchte dafür ein strategisches Zentrum, das die Sektierer aus der Partei treibt. Doch dazu fehlt es an allem. Die Parteiführung Katja Kipping und Bernd Riexinger geht bislang allen innerparteilichen Kontrovesen elegant aus dem Weg und scheint dies nicht ändern zu wollen. Gysi spielt im Zweifel den Integrator. Ohne innerparteiliche Verständigung, unter welchen Bedingungen die Linkspartei regieren will, geht nichts.

Der Glaube, dass man 2017 nach der Wahl im Hinterzimmer eine Koalition aus dem Boden stampft, ist Illusion. Schwarz-Grün konnte nach dem Motto „Immer dran denken, nie drüber reden“ gelingen. Bei Rot-Rot-Grün wird das nicht funktionieren - schon wegen des bedauerlicherweise erwartbaren Sturms medialer Erregung, den Linksparteiminister in Berlin auslösen würden.

Allerdings sind die Fundis in der Linkspartei nicht die einzige Hürde. Die schroffe, Ablehnung von Gysis Vorschlag durch Cem Özdemir und Fahimi zeigt, dass bei Grüne und SPD Antilinksparteireflexe noch immer automatisch einrasten. Das ist kurzsichtig. SPD und Grüne werden 2017 ein ähnliches Problem haben wie 2013: Ihnen wird die Machtperspektive fehlen, die sich brauchen, um ihre Klientel zu mobilisieren. Vor allem die SPD wird sich schwer tun, wenn es noch nicht mal die vage Chance gibt, den Kanzler zu stellen.

2017 wird die erste Bundestagswahl ohne Koalitionsaussage. Da ist es klug, flexibel in viele Richtungen zu sein. SPD und Grüne scheinen das nicht verstanden zu haben.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • Jetzt mal ganz davon abgesehen, wie man die Regierungsfähigkeit der Linken einschätzt: Wer zusammen mit Parteien regieren will, die andere Positionen vertreten, muss auf so ziemlich allen davon betroffenen Gebieten Kompromisse eingehen, also Positionen zumindest teilweise aufgeben. Geht das nicht, gibt es keinen Raum für eine Koalition, und man kann das auch ruhig offen und schnörkellos sagen.

     

    Nichts Anderes tun Özdemir und Fahimi. Denn wo wäre das Kompromisspotenzial zwischen Rot-Grün und Linkspartei bei Hartz IV, NATO-Zugehörigkeit, Kampfeinsätzen und anderen Klassikern? Ich sehe es nicht. Da ist doch auf beiden Seiten Einigungswille nur in der Form vorhanden, dass die jeweils ANDERE Seite den Irrtum ihrer Position erkennen und sich der eigenen bitteschön anschließen möge.

  • Die SPD ist keine linke Parteil, will keine sein oder werden. Deswegen sind solche Spekulationen vor allem eben dies: Überlegegungen.

     

    Die SPD aber geht lieber in die Opposition, als ihr sauber gezüchtetes Image als bürgerlich-rechte Partei wieder aufzugeben.

     

    Und die Linken erzeugen auch hohe Kosten für die SPD: Mit denen müsste es eine massive Änderung in der Arbeits- und Sozialpolitik geben, die der SPD ihr Image schreddern würde. Momentan könnte die SPD mit der Union ganz problemlos die vielen Baustellen und Probleme der Hartz- und Riester-Reform bereinigen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es herrscht eisiger Stillstand und selbst die Minireform, der Mindestlohn stellt schon ein Problem für die SPD und CDU dar.

     

    Wie so eine sozialdemokratische Partei dann plötzlich sich komplett drehen kann, um eine Rot-Rot-Grün-Konstellation zu ermöglichen, erschließt sich mir nicht. Oder: Ich glaube das einfach nicht.

     

    Außerdem betrachten Grüne und SPD nicht sich als Problemstellung, sondern einzig und alleine die Linken, sprich: Diese beiden Parteien glauben an sich selbst, egal, welche Symptome für eigene Probleme sie haben.

    Bei der SPD gibt's einen nachgewiesenen Verlust an Wählern und Mitgliedern, der intern aber gar keine Rolle spielt. Die SPD könnte auch noch weiter absteigen, ohne dass sie dadurch alarmiert oder aufgeschreckt würden. Bei den Grünen hat sich mancherorts eine tödliche Saturiertheit breit gemacht.

  • "... dass bei Grüne und SPD Antilinksparteireflexe noch immer automatisch einrasten."

     

    Einrastende Reflexe? Problematisch könnten die doch nur werden, wenn sie umgekehrt ausgelöst werden.