Kommentar Rot-Rot-Grün in Thüringen: Schluck die Oppositionskröte, CDU!
Jede demokratische Partei, auch die Linkspartei, darf einen Ministerpräsidenten stellen. Das müssen Opposition und Bürger akzeptieren.
Keine Zornesblitze fuhren auf Bodo Ramelow nieder, den „verirrten Christen“, wie er noch am Donnerstagabend auf der Angstdemo gegen Rot-Rot-Grün genannt wurde. Der Dom und die Severikirche thronen auch nach seiner Wahl zum ersten linken Ministerpräsidenten weiterhin auf ihrem Hügel über Erfurt, und das Abendland ist nicht untergegangen.
So hätte es eigentlich kommen müssen, hätte man dem Zweckpessimismus von Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) oder Teilen der Wirtschaft geglaubt. Es half auch nicht, dass mit Schmähanrufen, Drohmails oder Anschlägen auf Abgeordnetenbüros jeder demokratische Boden verlassen wurde. Und die Thüringer Allgemeine suchte vergeblich nach jedem Haar in der rot-rot-grünen Suppe, räumte zuletzt noch einem wahrnehmungsgestörten Rentner namens Wolf Biermann enormen Platz ein.
Jede demokratisch legitimierte Partei muss sich um die Macht bewerben dürfen und darf Akzeptanz erwarten, wenn dieses Werben Erfolg hat. Dann muss die machtverwöhnte CDU eben auch einmal die Oppositionskröte schlucken. Wie wichtig das für ihre Selbsterneuerung sein kann, zeigt ihr jetzt offenkundig werdender desolater Zustand.
Auch die Bürger im Land, die immer noch Bauchschmerzen mit den Erben der SED haben, müssen die Spielregeln der Demokratie beachten, die sie selbst einmal herbeidemonstriert haben.
Weiter als Bodo Ramelow kann man ihnen nicht entgegenkommen, vergleichbare Töne hat man von keinem CDU-Blockfunktionär der DDR gehört. Die reichliche Hälfte aller Deutschen findet es laut einer Forsa-Umfrage inzwischen in Ordnung, dass auch ein Linker Ministerpräsident werden kann.
Im Übrigen wird besonders in Thüringen nichts so heiß gegessen wie gekocht. Das zeigen nicht nur die öffentlich sichtbaren geradezu freundschaftlichen Gesten über Parteigrenzen hinweg, etwa die zwischen Ramelow und der bisherigen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht noch vor der Wahl.
Man kann im kleinen Thüringen im Grunde besser miteinander als anderswo und besser, als der Lärm vermuten lässt. Offen ist, ob der besondere Beobachtungsdruck, unter dem Rot-Rot-Grün nun steht, auch in einen besonderen Einigungsdruck innerhalb der Koalition mündet. „Wir sind zum Erfolg verurteilt“ – SPD-Landesparteichef Andreas Bausewein drückt es treffend aus.
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