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Kommentar Rentenreform in RusslandPutin sollte gewarnt sein

Kommentar von Barbara Oertel

Tausende protestieren gegen ein höheres Renteneintrittsalter. Geht es um soziale Einschnitte, hört bei vielen Russen die Vaterlandsliebe auf.

„Echte Gerechtigkeit!“, fordern Teilnehmer einer Demonstration gegen die Rentenreform in Russland Foto: dpa

N a bitte, es geht doch! Was die wenigen russischen Oppositionellen, die sich unermüdlich für Demokratie und Menschenrechte in ihrem Land einsetzen, nicht zustande bringen, schafft eine geplante Rentenreform. Landesweit gehen seit Wochen Tausende gegen die neuen Regelungen, die eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters für Männer und Frauen vorsehen, auf die Straße – das letzte Mal am vergangenen Samstag.

Der Volkszorn der Massen ist verständlich. Keinem Menschen, der noch halbwegs bei Verstand ist, leuchtet es ein, warum sich jemand nach jahrzehntelanger harter Arbeit noch länger kaputt schuften soll, und das für ein Altersruhegeld, das oft nicht reicht, um in Würde leben und altern zu können.

Was jedoch noch schwerer wiegt und nur ein weiterer Beleg für den Zynismus der Staatsmacht ist: Viele Männer, die perspektivisch mit 65 Jahren in Rente gehen sollen, werden ihren wohl verdienten Ruhestand allenfalls noch auf dem Friedhof „genießen“ können. Denn ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt vor allem in den Regionen der Russischen Föderation gerade einmal bei 62 Jahren. Sozial verträgliches Frühableben à la Wladimir Putin eben.

Festnahmen nach dem Protest

Nach einer Demonstration gegen die geplante Rentenreform in Russland sind drei Organisatoren des Protests festgenommen worden. Ein Spitzenberater von Oppositionsführer Alexej Nawalny berichtete auf Twitter über seine Festnahme, wenige Minuten nach dem Ende der Demonstration am Sonntag. Er postete ein Foto von sich selbst und zwei weiteren Personen, das offenbar in einem Polizeifahrzeug aufgenommen wurde. (ap)

Doch Russlands Staatschef, der selbst ernannte Líder der Nation, sollte gewarnt sein. Denn wenn es um soziale Einschnitte geht, hören bei vielen Russen die Vaterlandsliebe und der Spaß auf. Das war schon einmal vor einigen Jahren der Fall, als es Pläne gab, für RentnerInnen die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs abzuschaffen. Auch damals hagelte es Proteste, was die Regierung letztendlich dazu veranlasste, ihr Projekt fallen zu lassen.

Ob das auch jetzt wieder der Fall sein wird, ist noch nicht ausgemacht. Erschwerend hinzu kommt noch, dass Putin vor einiger Zeit großspurig verkündet hatte, dass es eine Erhöhung des Rentenalters unter seiner Ägide nicht geben werde. Im September geht die Rentenreform im russischen Unterhaus, der Duma, in die zweite Lesung. Die Demonstranten dürften sich diesen Termin vorgemerkt haben.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    "Geht es um soziale Einschnitte, hört bei vielen Russen die Vaterlandsliebe auf."

    Von Russen lernen!!!

  • Rentendiskussionen sind immer die große Zeit der Populisten, die mit ungedeckten Schecks handeln.



    Wünschen wir den Russen, daß in 2028, wenn die Reform abgeschlossen ist, sich auch bei ihnen die Lebenserwartung um ein paar Jahre erhöht hat. Sie liegt z.Zt. bei 71 Jahren (in D ungefähr bei 81). Wenn man bis dahin das Rentenalter für Männer und Frauen angleicht, dann werden die wenigen Mittel zumindest halbwegs gerecht verteilt.

  • Also, was gut für uns ist, soll scheinbar für Russen schlecht sein. Gut, dass wir unser Land lieben unabhängig vom Rentenalter...

    • @agerwiese:

      Ich empfehle Ihnen, folgende Textpassage, RU betreffend, nochmals zu lesen: „Viele Männer, die perspektivisch mit 65 Jahren in Rente gehen sollen, werden ihren wohl verdienten Ruhestand allenfalls noch auf dem Friedhof „genießen“ können. Denn ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt … gerade einmal bei 62 Jahren“.



      Dagegen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in D. bei fast 80 Jahren. Das sollten Sie bedenken, wenn Sie das Renteneintrittsalter von D. und RU vergleichen!

      • @Pfanni:

        Dass die Lebenserwartung von russischen Männern bei 62 Jahren liegen soll, ist frei erfunden.



        Der Vorwurf gilt jedoch nicht Ihnen. Sie sind lediglich auf diese Fake News (wie man das heutzutage wohl nennt) hereingefallen.



        de.statista.com/st...nnern-in-russland/

        Das "Sozial verträgliche Frühableben à la Wladimir Putin" beinhaltet auch, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Russland nie höher war als heute. Vorbei sind die Zeiten in denen es gesunken ist, wie zu den düsteren Jelzin-Zeiten.

        Die steigende Lebenserwartung ist sicher auch ein Grund für die hohe Popularität von Putin.



        Ich wünsche den russischen Rentnern mehr Erfolg, als es den deutschen beschieden war, die ja bekanntlich massive Einbußen hinnehmen müssen.

        Da es den Rentnern schon einmal gelungen ist, Kürzungen abzuwenden, stehen die Chancen ja nicht schlecht, dies zu wiederholen. Schön zu sehen, wie Demokratie funktioniert.