Kommentar Rekordspenden bei Grünen: Was unbezahlbar ist
Das Risiko einer direkten Beeinflussung ist in dem Fall aus Baden-Württemberg überschaubar. Also alles in Ordnung? Nicht ganz.
E s ging alles mit rechten Dingen zu: Ein Unternehmer spendete den Grünen in Baden-Württemberg 300.000 Euro. Die Summe ist zwar ungewöhnlich hoch, aber das Verfahren korrekt. Arme Parteien nutzen der Demokratie nicht. Der Schatzmeister, der Hunderttausende legal verbuchte Euro ablehnt, muss erst noch geboren werden.
Überdies ist das Risiko der direkten Beeinflussung in diesem Fall überschaubar. Falls ein grüner Staatssekretär den Ökoinvestor Jochen Wermuth irgendwann allzu freundlich behandelte, wäre das ein Skandal, der das moralische Kapital beider ruinieren würde. Also alles in Ordnung?
Nicht ganz. Man kann mutmaßen, dass der spendable Unternehmer sich von der Kretschmann-Regierung ein günstigeres Klima für Ökoenergie erhofft als von einer CDU-Regierung. Der Mann finanziert immerhin ein gutes Viertel des grünen Wahlkampfes im Ländle. Zugegeben: Für einen Wirtschaftszweig, der sympathisch ist. Aber es geht ums Grundsätzliche.
Was würden die Grünen sagen, wenn ein Kohleunternehmer den SPD-Wahlkampf in NRW oder ein Schweinemastmillionär den der CDU in Niedersachsen zahlen würde? Diese Spende verletzt das Prinzip der Chancengleichheit – ebenso wie die 150.000 Euro, die ein Stuttgarter Unternehmer gerade an die CDU überwiesen hat. Natürlich kann man in Deutschland keine Wahlsiege kaufen. Aber Wahlen sind ein Kernelement der Demokratie, da ist es nötig, korrekt bis zum Kleinlichen zu sein.
Als Opposition im Bund fordern die Grünen schon lange, Unternehmensspenden an Parteien auf 100.000 Euro pro Jahr zu begrenzen. Das ist ein vernünftiger Vorschlag. Die Grünen im Südwesten nehmen seit Jahren nonchalant Geld der Metallarbeitgeber an, zu denen auch Waffenfirmen gehören. Das ist keine vernünftige Praxis.
Wo die Grünen regieren, ist es mit ihrer Moral nicht weit her. Für das Geld, das sie einnehmen, verlieren sie etwas, das mit Geld nicht zu bezahlen ist: Glaubwürdigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee