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Kommentar RegierungsbildungZweimal zweite Wahl

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Merkel, Seehofer und Schulz im Schloss Bellevue: Der Bundespräsident muss die entfremdeten Ex-Koalitionäre wieder zusammenkriegen. Nur wie?

Nächtliches Treiben im Schloss Bellevue: Es wird wieder gewaltig sondiert Foto: dpa

S chloss Bellevue im Dunkeln. Limousinen treffen ein, Menschen steigen aus. Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz sind am Donnerstagabend mit dem Bundespräsidenten zu einer Art Eheanbahnungsgespräch verabredet. Zwei Stunden später öffnet sich das Portal erneut, alle steigen wieder in ihre Wagen. Und ab geht es in die Berliner Nacht.

Immerhin, das Gespräch bei Frank-Walter Steinmeier hat länger gedauert als geplant. Die KandidatInnen werden also an diesem Freitag ihren Parteigremien etwas zu berichten haben. Aber ist das schon der Durchbruch? Weiß Gott nicht. Und selbst wenn sich in den kommenden Wochen Union und SPD auf eine Wiederauflage der Großen Koalition einigen – es bliebe eine Vernunftehe. Zweimal zweite Wahl. Das ist, man muss es leider sagen, keine gute Nachricht für dieses Land.

Dass CDU/CSU und SPD sich von einer Neuauflage ihrer ohnehin komplett festgefahrenen Beziehung überzeugen lassen, mag staatspolitisch das Richtige sein. Das Ganze fühlt sich jedoch an wie bei einem verkrachten Ehepaar: Wir bleiben zusammen, bis die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Das nennt man dann wohl Verantwortungsbewusstsein. Aber es bliebe damit bei jenem Weiter-So, das im zurückliegenden Wahlsommer so vehement kritisiert wurde.

Ja, die Großkoalitionäre haben das Land irgendwie durch schwere Zeiten geschifft. Aber die Kompromisse waren schal, eine kluge Antwort auf nicht länger zu ignorierende gesellschaftliche Brüche blieb aus bis zum Schluss. Das Durchwurschteln musste endlich zu einem Ende kommen. Und ja, nach der Wahl sah es gut aus für Jamaika.

Mehr als zwei Monate nach der Wahl schauen sich die Partner wieder tief in die Augen und versuchen sich an Gemeinsamkeiten zu erinnern

Aber nun, mehr als zwei Monate nach der Wahl, schauen sich die Partner doch wieder tief in die Augen und versuchen sich an Gemeinsamkeiten zu erinnern. Die SPD nun als Umfallerpartei zu schmähen, wäre unredlich. Nicht sie ist schuld an dem entstandenen Dilemma – sondern Christian Lindners FDP. Und der hochmütige Ton mancher Unions-Politiker, die Sozialdemokraten sollten jetzt nicht kiebig werden und gefälligst ihre Ansprüche im Zaum halten, gemahnt ungut an die zurückliegenden vier Jahre. Bei CDU und CSU muss die Einsicht offenbar erst noch reifen, dass unter ihrer Führung Jamaika gescheitert ist. Es wäre eine fällige Übung in Demut.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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19 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Um das von Anja Maier benutzte Bild aufzugreifen: die GroKo hat das Schiff durch schwere Zeiten geschifft. Etwas poetischer ausgedrückt: durch rauhe See. Dass das Schiff NOCH nicht untergegangen ist: ist dies bereits ein Grund zum Feiern? Das Schiff hat sich manche Dellen in Untiefen geholt, weil kein zuverlässiger Lotse an Bord war, von einem Steuermann ganz zu schweigen. Dass ein Totalcrash ausgeblieben ist: unverdiente Gnade.

     

    Einen Grund, diesen Glücksrittern nochmals das notwendige Vertrauen auszusprechen, sehe ich darin nicht.

  • So eine Koalition müsste schon wirklich die €12 Mindeststundenlohn, eine höhere Rente für alle - ohne die Degradierung über das Jobcenter und wenigstens Gewisse Einschränkungen für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes anbieten.

     

    Ich glaube, dass es nur über solche extrem populären Sozialprojekte gelingen. der Bevölkerung die Notwendigkeit eines solchen Regierungsbündnisses zu vermitteln.

     

    Und dann können zig Sachen passieren und die Koalition müsste dann Lösungen finden, die für beide Seiten passen, die sich vermitteln lassen, das könnte zu einer Art Verwaltung statt Regierung führen.

     

    Und dann sind beide Parteien sehr offen Interessenverbände - Entschlüsse und Politikmaßnahmen zu Lasten der Normalbevölkerung könnten abermals geschehen und Schaden anrichten.

     

    Ohnehin wäre so eine Koalition ein Konjunkturprogramm für die AfD. Um das auszuhebeln, müsste diese Regierung wirklich populäre Großprojekte durchführen.

     

    Auch das Bildungswesen, die duale Ausbildung und die Situation perspektivloser Jugendlicher müsste aufgegriffen werden.

     

    Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Parteien das wirklich wollen und machen.

     

    Gerade die €12 wären für die Wirtschaftsliberalen in der CDU /CSU nur schwer zuschlucken, obwohl es gute Gründe gibt, zu glauben, dass diese €12 harmloser sind, als genau diese Kreise glauben.

  • Nachdem Glyphsat Skandal sollte die SPD es sich gut überlegen nochmal in so ein Debakel rein zu galoppieren.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...erst eine relativ gute Analyse der ganzen Situation in Berlin und dann das: Die SPD solle "gefälligst ihre Ansprüche im Zaum halten".

    Das würde bedeuten, weitere vier Jahre Stillstand, wieder eine Zeit der "schalen" Kompromisse.

    Wollen wir das wirklich?

    Nein! Denn, für mindestens 40 % der Bürger dieser Republik ist Deutschland kein Land in dem sie "gut und gerne leben".

    Frau Merkel sollte dazu gedrängt werden, in einer sog. Minderheitsregierung zu zeigen, ob sie wirklich regieren kann.

    Das Ergebnis wäre allemal interessanter, als wieder vier Jahre mit einer sog. Große Koalition.

  • "Eine Minderheitsregierung wäre "staatspolitisch das Richtige". Dann hätte das Parlament endlich einmal wieder die Chance, zu zeigen, wofür Abgeordnete gewählt wurden."

     

    Was spricht gegen schnelle Neuwahlen als "staatspolitisch das Richtige"?

     

    So können die Wähler sehr schnell die Wahlkampflügen der Parteien bestrafen, unverantwortliche Parteiführer bestrafen und ihre eigenen Wahlfehler korrigieren.

     

    Eine Minderheitsregierung ist doch so gut wie unmöglich. Die CSU ist nicht regierungsfähig, ihre Minister halten sich nicht an Weisungen der CDU-Kanzlerin, weder FDP noch Grüne wollen mit ihr in eine Regierung. Die CDU müsste ihre "Minderheitsregierung" also alleine machen (absolute Minderheitsregierung) oder nur mit der FDP (Konzernregierung) oder nur mit den Grünen (Pizzaregierung). Das kann nicht funktionieren.

    • @Dorian Müller:

      Ich finde eh, dass in einer funktionellen sog. Demokratie bedeutend häufiger Wahlen stattfinden sollten, etwa jährlich oder sogar halbjährlich -- und zwar nicht als Zirkus à la guck-mal-da-ist-eine-Demokratie zelebriert, sondern einfach als Bestätigung, dass der Kurs des entsprechenden Volksvertreters den Erwartungen der Basis entspricht -- oder eben nicht, und dann als Rückruf. Mittels der neuen technischen Möglichkeiten sollte das auch deutlich unkomplizierter machbar sein, als Sonntag im Bürgeramt Schlange zu stehen. (Wenn es denn gewollt wäre.)

  • "Dass CDU/CSU und SPD sich von einer Neuauflage ihrer ohnehin komplett festgefahrenen Beziehung überzeugen lassen, mag staatspolitisch das Richtige sein. "

     

    Das muss mir jemand einmal erklären, wieso es staatspolitisch richtig ist, wenn zwei Parteien, die sich nur noch wenig zu sagen haben, eine Regierungskoalition bilden sollen.

     

    "Die SPD nun als Umfallerpartei zu schmähen, wäre unredlich. Nicht sie ist schuld an dem entstandenen Dilemma – sondern Christian Lindners FDP."

     

    Die einseitige Schuldzuweisung für das Scheitern von Koalitionsgesprächen mit vier Parteien ist wirklich nur noch peinlich und -gelinde gesagt- grüne Propaganda, wenn nicht sogar unredlich.

    Selbstverständlich ist die SPD eine Umfallerpartei, wenn sie dem Druck der Mainstreammedien nachgibt, nachdem sie vorher so gedröhnt hatte, keine GroKo zu bilden.

    Eine Minderheitsregierung wäre "staatspolitisch das Richtige". Dann hätte das Parlament endlich einmal wieder die Chance, zu zeigen, wofür Abgeordnete gewählt wurden.

  • Welch eine Schmierenkomödie! Wem geht es da wohl noch um Dinge wie Regierungsfähigkeit und Wählerwillen?

     

    Die CDU/CSU ist in weiten Teilen zur Plage geworden, und die Wähler haben es gemerkt. Da geht es schlicht und ergreifend nur noch darum, wie gut es die CDU/CSU hinbekommt, daß sich die übrigen Parteien dank dauerwirksamer Postengeilheit so weit schreddern lassen, daß letzlich und irgendwann nur noch die CDU/CSU als das vermeintlich geringste Übel übrigbleibt, das dann notgedrungen gewählt wird.

     

    Ich empfinde das gegenwärtige Dilemma der Politik insgesamt wie den Kampf der Ratten um den Kornspeicher, bei dem als einziges feststeht, daß diejenigen, denen das Korn gehört, es auf gar keinen Fall bekommen sollen.

  • "Der Bundespräsident muss die entfremdeten Ex-Koalitionäre wieder zusammenkriegen."

     

    "muss"?

    • @agerwiese:

      "Der Bundespräsident muss die entfremdeten Ex-Koalitionäre wieder zusammenkriegen. Nur wie?"

       

      Nur warum?

  • Der Bundespräsident muss niemanden zusammen bringen. Er soll es versuchen, ja. Doch wenn es nicht sinnvoll funktioniert, weist die Verfassung einen Weg, wie es weiter geht. Calm down.

     

    Und es mag unredlich sein, die SPD des Umfallens zu bezichtigen. Ebenso unredlich wäre es, der FDP eine „Schuld“ anhängen zu wollen. Wenn bei einer Bundestagswahl gleich zwei Parteien neu ins Parlament kommen, mit zusammen fast einem Viertel der gültigen Wählerstimmen, dann muss man „Schuld“, wenn man denn möchte, an anderer Stelle suchen: 18. Deutscher Bundestag, ich guck in deine Richtung.

  • Die Regierung von Luxemburg könnte doch Deutschland einfach mitregieren!

    Und schon sind alle Probleme gelöst.

    ...

    • @Hartz:

      So, wie die GroKo regierte, könnte man das auch kommissarisch dem Präsidenten der EU Kommission Juncker übertragen, der sich als politischer Hütchenspieler bestens bewährt hat.

      • @Rolf B.:

        Mugabe würde auch noch ein paar Jährchen durchhalten und ist gerade ablösefrei zu haben.

        • 8G
          81331 (Profil gelöscht)
          @jhwh:

          ...Mugabe und Merkel ergäben sogar eine Stabreim.

      • @Rolf B.:

        Warum nicht einen arbeitslosen Präsidenten anheuern? Obama wäre frei.

         

        Das Traurige an dieser Variante ist, dass er in D wahrscheinlich gewählt würde...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Was ist daran traurig? Lieber Obama als Merkel oder Schulz!

          • @Flipper:

            Ach was, Obama... Hamid Karzai! Der Mann hat einfach Stil!

          • @Flipper:

            Ich habe schon einige amerikanische Präsidenten kommen und gehen sehen. Und ich hatte große Hoffnungen in Obama gesetzt. Er hat sich aber als der größte Versager entpuppt, den ich bis jetzt im Weißen Haus erlebt habe. Man sollte auch nicht vergessen, dass er (unfreiwillig) Trump den Weg geebnet hat.