Kommentar Reform Paragraf 219a: Der Paragraf gehört gestrichen

Die Reform von 219a bringt nichts außer maximaler Rechtsunsicherheit. Das Bundesverfassungsgericht muss Klarheit schaffen.

Eine Frau hält ein "Weg mit 219a" Plakat und zeigt das Victory-Zeichen

Amtsgericht Berlin: Während des Prozesses gegen zwei Gynäkologinnen zeigen Protestierende Haltung Foto: Christian Ditsch

Jetzt ist klar, dass nichts klar ist. Die Reform des Paragrafen 219a im Februar hat weder dazu geführt, dass ÄrztInnen verstehen können, ob und in welcher Form sie auf ihren Websites darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche machen. Noch hat sie dazu geführt, dass Gerichte einheitlich über diesen Umstand urteilen. Und schon gar nicht hat sie dazu geführt, dass Frauen Zugang zu Informationen haben, die in Notlagen wie ungewollten Schwangerschaften dringend nötig sind.

Am Freitag ist das Strafverfahren gegen zwei Kasseler Ärztinnen eingestellt worden. Die Begründung: Nach altem Recht sei die „Tat“, den Halbsatz „Schwangerschaftsabbruch, operativ oder medikamentös“ auf ihre Website zu stellen, strafbar gewesen – nach neuem Recht aber nicht. Schön für die ÄrztInnen, sollte man meinen.

Das Problem: Erst vor drei Wochen wurden zwei Berliner Ärztinnen zu einer Geldstrafe von jeweils 2.000 Euro verurteilt – wegen einer ähnlichen Mitteilung und ebenfalls nach der neuen Rechtslage. Und das Verfahren gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde gerade ans Landgericht zurückverwiesen, weil dieses noch nach altem Recht geurteilt hatte. Hänels Anwalt geht davon aus, dass sie nach neuem Recht erneut verurteilt werden wird.

Was also bleibt von der Reform des Paragrafen 219a, ist maximale Rechtsunsicherheit. ÄrztInnen, auch diejenigen, deren Verfahren gerade eingestellt wurde, können immer wieder aufs Neue von militanten AbtreibungsgegnerInnen angezeigt werden. Der nächste Richter, die nächste Richterin könnte anders entscheiden und doch verurteilen. Diese Situation schreit geradezu nach einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht.

ÄrztInnen haben das Recht, über ihre Leistungen zu informieren, und Frauen haben ein Recht auf Zugang zu diesen Informationen. Sollte das Bundesverfassungsgericht dies respektieren, bleibt nur eins: den Paragrafen 219a endlich zu streichen.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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