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Kommentar Rechtsstaat in PolenStrauchelnde Demokratie

Kommentar von Gabriele Lesser

Polens Regierungspartei will die Gewaltenteilung abschaffen. Bleibt nur zu hoffen, dass Präsident Duda Vernunft zeigt.

Ohne Amt der mächtigste Mann im Staat: der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski Foto: reuters

P olen steht kurz davon, sich erneut in eine autokratische Diktatur zu verwandeln. Doch eine kleine Hoffnung besteht noch. Polens Präsident Andrzej Duda könnte im letzten Moment sein Veto gegen das Gesetz einlegen, mit dem das bisherige Oberste Gericht abgeschafft werden soll.

Die nationalpopulistische Partei „Recht und Gerechtigkeit (PiS) will die Gewaltenteilung und damit Polens demokratischen Rechtsstaat abschaffen. Offiziell verkündet die Partei, die seit Ende 2015 mit absoluter Mehrheit in Polen regiert, sie wolle „dem Volk“ die Kontrolle über die Gerichte „zurückgeben“.

In Wirklichkeit zentriert sich alle Gewalt in den Händen weniger Parteimitglieder. Schon jetzt ist der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski der mächtigste Mann im Staate, obwohl er formal lediglich ein einfacher Sejm-Abgeordneter ist. Offiziell verkündet Kaczynski, dass „das Volk“ seine Partei mit dem „Systemwandel“ beauftragt habe – weg von der von ihm so verhassten Demokratie des Jahres 1989 hin zu einer neuen „Herrschaft der Gerechten“, der „IV. Republik“.

Doch das Mandat zur Verfassungsänderung und damit zum Systemwandel wurde der Partei nie erteilt. Gerade mal 37 Prozent der Wähler stimmten 2015 für die PiS oder – anders ausgedrückt – 19 Prozent aller Wahlberechtigten. Das ist nicht „das Volk“. Da alle linken Parteien an der 5-Prozent bzw 8-Prozent-Hürde für Parteienbündnisse scheiterten, wurden deren Sejm-Sitze proportional auf alle Parteien im Sejm verteilt. So kam die PiS zu ihrer absoluten Mehrheit.

Finis Poloniae

Um den „Systemwandel“ durchführen zu können, musste die Partei nicht nur die gesamte bisherige Elite gegen PiS-Partei-Soldaten austauchen, sondern auch das Verfassungsgericht aus dem Weg räumen. Nach monatelanger Attacke mit immer neuen Gesetzen zur Arbeitswiese des Verfassungsgericht ist davon heute nur noch der Name übrig.

Einer der neuen Verfassungsrichter gab unlängst freimütig zu, dass er für die Regierung arbeite. Die neuen Richter prüfen die Gesetze nicht mehr auf ihre Verfassungsmäßigkeit, sondern nur noch darauf, ob sie die Macht der PiS stärken.

Die Hoffnung auf den Präsidenten ist nicht allzu groß, hat er doch bisher skrupellos fast alle PiS-Gesetze zum Abbau der Demokratie unterschreiben. Sollte er auch dieses unterschreiben, wäre die das Ende der polnischen Demokratie: Finis Poloniae.

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Auslandskorrespondentin Polen
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8 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Polens Präsident Andrzej Duda könnte im letzten Moment sein Veto gegen das Gesetz einlegen, mit dem das bisherige Oberste Gericht abgeschafft werden soll."

     

    Könnte. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv. Leider ist Präsident Duda eine Marionette von Kaczyński wie Premier Szydło. Es würde mich stark positiv überaschen, wenn Duda tatsächlich eine eigenständige Entscheidung träfe...

  • Die kleine Hoffnung - dürfte keine sein.

    https://www.wsws.org/de/articles/2016/12/28/pole-d28.html?view=article_mobile

    Polen: Regierung entmachtet Parlament und Verfassungsgericht

    Von Clara Weiss

    28. Dezember 2016

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Das ist Bedenklich und gefährlich, denn es ist Aufweichung des Prinzips der Gewaltenteilung. Aber das ist noch lange nicht das Ende der polnischen Demokratie und schon gar nicht das Ende Polens (Finis Poloniae).

    • @4845 (Profil gelöscht):

      Das Ende Polens ist es bestimmt nicht. Aber Pan Kaczynski schnitzt sich das Land schon sehr zurecht. Für angehende Autokraten ist die "Anpassung" der Justiz immer ein wichtiger Schritt.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Selbstverständlich ist das Besorgniserregend weil ganz klar der Versuch der PiS ist, autokratisch durchzuregieren. Aber ein Volk dass die sozialistisch-kommunistische Terrordiktatur zu ins Wacken und zu Fall gebracht hat, hat genug Widerstandsgeist im Blut um auch mit dieser Krise letztlich fertig zu werden.

  • "Doch das Mandat zur Verfassungsänderung und damit zum Systemwandel wurde der Partei nie erteilt."

     

    Wie soll die das auch anstellen? In Polen gilt, genauso wie hierzulande, eine 2/3 Mehrheit bei Verfassungsänderungen.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Die 2/3 im Parlament bekommt Kaczynski schon zusammen, wer soll ihn daran hindern? Das zeigt mal wieder die Bedeutung des Wahlrechts. Das Wahlrecht entscheidet darüber, wie demokratisch die Institutionen in einem Staat sind, wie wir es ja auch bei den Parlamentswahlen in Frankreich beobachten konnten, wo Macrons Wanderer mit 15% der Wahlberechtigten die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen haben plus den konstruktiven Untersützern von den Konservativen und Sozialisten, die wird es im Sejm ja wohl auch geben, um das Mass voll zu machen.

      • @82236 (Profil gelöscht):

        Nein.

         

        460 Sitze, d.h. 307 benötigt für 2/3.

        PiS hat 235. Parteien die in einer totalen Opposition zu PiS stehen haben 166. Der Rest stimmt fast immer gegen PiS.

         

        Ich sehe da

        a) keine 2/3-Mehrheit

        b) keine Möglichkeit der Veränderungen der konstitutionellen Staatsstrukturen.