piwik no script img

Kommentar Quotierung bei der SPDDer Preis der Gerechtigkeit

Esther Geisslinger
Kommentar von Esther Geisslinger

Die SPD hat ihre Wahllisten quotiert, jeder zweite Platz geht an eine Frau. Das ist richtig und Ralf Stegner steht in der Causa Delara Burkhardt zu Unrecht in der Kritik.

Zwei sind einer zu viel: Die SPD muss nun ihre Fitfty-Fifty-Quote umsetzen Foto: dpa

D ie Welt ist ungerecht. Ob ein Neugeborenes 100 Jahre Gesundheit oder den Hungertod zu erwarten hat, hängt vom Zufall des Geburtsorts ab. Ob ein Kind studiert, bestimmt der Bildungsstatus der Eltern. Und noch im Jahr 2018 entscheidet die Frage des biologischen Geschlechts über Beruf und Gehalt. Die meisten Frauen werden das kennen: Egal, wie viel Wissen oder soziale Fähigkeiten eine hat, meist findet sich ein weniger kompetenter Mann, der mit weniger Einsatz schneller aufsteigt. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen.

Weil die Welt ungerecht ist, sind Quoten gerecht. In der Politik sind sie notwendig, schließlich stellen Parlamente die Weichen für das alltägliche Leben. Wenn Frauen dort fehlen, machen Männer Politik für Männer: zementieren die Unterbezahlung von Pflegeberufen, richten die Wirtschaft auf Dauerwachstum aus, halten an traditionellen Familienbildern fest. Ja, und wieder gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die SPD hat ihre Wahllisten quotiert, jeder zweite Platz geht an eine Frau. Dieses Verfahren ist von Parteitagen beschlossen worden. Und es ist richtig.

Weil aber die Welt ungerecht ist, sorgt die Quote für individuelle Härten. Sehr wahrscheinlich wird nach der Europawahl eine 26-Jährige ins EU-Parlament einziehen, die bisher wenig mit europäischen Themen am Hut hatte. Dass ihr „Dänemark näher liegt als Bayern“, wie Delara Burkhardt in einem Interview sagte, ist – sorry – eher peinlich. Denn das gilt aufgrund geografischer Bedingungen und gemeinsamer Geschichte für jeden und jede in Schleswig-Holstein. Nicht einziehen wird mutmaßlich Enrico Kreft, der sich seit Jahren mit EU-Themen befasst und der Wunschkandidat der SPD in Schleswig-Holstein ist.

Nun kritisiert die Basis den Bundesvorstand, der die Frau vorzog, und den Landesvorsitzenden Ralf Stegner, der das nicht verhinderte. Die Kritik ist unberechtigt – und ungerecht. Wie groß wäre wohl der Protest, würde die SPD ihre Quote gleich wieder kippen? So gilt das alte Motto weiter: Gleichberechtigung herrscht erst, wenn ebenso viele inkompetente Frauen wie Männer wichtige Posten besetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Esther Geisslinger
Schleswig-Holstein
Jahrgang 1968. Ist in der taz als Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein zuständig von Flensburg bis Elmshorn, von Fischerei bis Windkraft, von lokalen Streitigkeiten bis Landtagsdebatten. Schwerpunkte: Soziales, Gesundheitspolitik
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wenn Esther Geisslinger noch nicht UN-Generalsekretärin ist, hat das womöglich weniger mit fehlenden Quoten zu tun als damit, dass sie nicht gründlich genug nachdenkt bevor sie redet bzw. schreibt.

    Dass die Welt ungerecht ist (und das ist sie zweifellos), berechtigt niemanden, ebenfalls ungerecht zu handeln. Auch wenn Trump und Co. das anders sehen: Auge um Auge ist kein aktueller Rechtsgrundsatz. Nur in der Mathematik ist das Produkt aus zwei negativen Zahlen positiv. In der Politik ist die Summe aller Ungerechtigkeiten immer noch ungerecht, und zwar mehrfach. Die Folgen sind entsprechend.

    „Die Grundbedingung dafür, dass ein menschliches Verhalten als gerecht gilt, ist, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird“, hätte Esther Geisslinger bei Wikipedia erfahren können, wenn sie denn das Lexikon befragt hätte. Hat sie nur leider nicht.

    Was macht einen guten Politiker aus? Sein Y-Chromosom ist es nicht. Es sind andere Qualitäten. Die Fähigkeit etwa zu erkennen, was dem Gemeinwohl dient, die Kenntnis gewisser Regeln und Sachverhalte oder die Fähigkeit, sich so auszudrücken, dass Andere folgen können. Nur diese Fähigkeiten sollten verglichen werden vor der Vergabe der Listenplätze.

    Frauen dürfen nicht benachteiligt werden. Wenn sie also alle Qualitäten haben, die einen guten Politiker auszeichnen (oder jedenfalls mehr davon als ihre männlichen Konkurrenten), sind sie den Männern vorzuziehen. Und zwar nur dann und nur so lange, wie es noch mehr Männer in der Politik gibt als Frauen. Keinen Tag länger.

    Gleichberechtigung ist, wenn weder Frauen noch Männer das Recht haben zu diskriminieren. Irgendwann, schließlich, soll die „Frage des biologischen Geschlechts“ nicht mehr entscheiden über Beruf oder Gehalt. Vielleicht erleben wir dann endlich kompetente Politiker, die tatsächlich Wissen und soziale Fähigkeiten haben und nicht nur starke Seilschaften. Vielleicht wird Politik dann endlich, was sie seit 5000 Jahren schon sein sollte.

  • Ich unterstütze diese Quotenregelung voll und ganz, aber "richten die Wirtschaft auf Dauerwachstum aus, halten an traditionellen Familienbildern fest" trifft genauso auf Frauen wie Thatcher, Merkel und Clinton zu.

    • @BigRed:

      Nicht nur auf die. Es trifft auf ALLE Frauen (und Männer) zu, die weiter gerne ihr Leben nach diesen Zielen und Rollenbildern ausrichten. Vergessen Sie nicht, dass die von Ihnen gennanten Frauen nur politische Macht haben/hatten, weil ihre Politik mehrheitsfähig ist/war. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass die bereits vorhandenen Möglichkeiten, "gleichgestellte" Lebensläufe zu realisieren genutzt werden oder solche Modelle im Einzelfall gesellschaftliche Anerkennung finden: Frauen, die sich NICHT durch Kinder am beruflichen Fortkommen hindern lassen oder Männer, die familientauglich kürzer treten, erhalten wenig Respekt dafür. Bei echten Umkehrungen der Rollen werden sogar noch vielfach im Umfeld die Nasen gerümpft.

      Also: Wenn Frauen sich weniger häufig um die beruflichen Aussichten eines potenziellen Partners scheren und ihren eigenen Werdegang weniger an der Möglichkeit, in die Rolle der Mutter und Hausfrau zu wechseln, ausrichten und Männer umgekehrt weniger stringent das Bild des (Haupt-)Familienernährers bei Karriereplanung verfolgen, dann wäre auch der Boden für eine politische Aufrechterhaltung der alten Verhältnisse schnell verschwunden. Ohne diese Paradigmenwechsel müssen dagegen selbst voll auf Gleichstellung gepolte Politiker (jedweden Geschlechts) versuchen herbeizuregeln, was im Volk zwar abstrakt gutgeheißen, konkret aber selten gewünscht oder umgesetzt wird. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen.

      • @Normalo:

        Joah.. und mit genau diesen Hinterfragungen von sexistischen Rollenklischees in den Köpfen von Männern UND Frauen beschäftigt sich Feminismus. Der aber hier im Forum in jedweder Form auch immer nur männliches Geheule auslöst.

        Nun erklären Sie uns also, dass :heul: Quoten für Frauen furchtbar sind, weil man ja eigentlich die Indoktrination in den Köpfen beseitigen müsste.



        Gerade vorher erklärten Sie mir aber, dass die Frauen und Männer sich ja "freiwillig" dafür entscheiden, in die Politik zu gehen oder nicht. Und dass Versuche, daran was zu ändern, irgendwie komische Planwirtschaft seien oder so.

        Ja was denn nun? Es ist doch vollkommen egal, ob man hier für top-down-Lösungen oder bottom-up-Lösungen plädiert: Unter jedem Artikel häufen sich die Kommentare, dass jede Art der Veränderung am sexistischen Status Quo ganzganz furchtbar ungerecht für die Männer sei.



        Dass ihr euch dabei gerne selbst innerhalb der selben Posts oder zumindest von einem zum nächsten komplett selbst widersprecht: Geschenkt, merkt ja keiner. Und von Lowandorder gibt's dann noch'n Kompliment für's Dranbleiben, newahr, njorp njorp, ha ha.

        • @kami:

          Der Feminismus ist nicht der einzige, der sich mit sowas beschäftigt. Nur ist halt "Hinterfragen" nicht gleich "Abschaffen".

          Wie schon die Kommunisten feststellen mussten, hat auch bei durchgängiger obrigkeitlicher Indoktrination am Ende doch jeder Mensch einen eigenen Willen und eigene Vorstellungen, wie er sein Leben leben möchte. Er schert sich dabei wenig um die Weisheiten irgendeines "-ismus" und hat in der Masse weit mehr Gestaltungsmacht als jede Ideologie.

          Dass diese Vorstellungen zumindest teilweise auch formbar sind, mag also sein. Aber am Ende kann niemand gegen die Mehrheit regieren. Und ich habe nirgends gesagt, dass "man" ja nur mit der Indoktrination aufhören müsste. Das ist Ihre Lesart, weil Sie augenscheinlich glauben, dass jede Form von Verhalten indorktrinierbar ist und jedes reale Verhalten auf Indoktrination beruht.

          Diese Dogmatik halte ich - wie oben erwähnt - für durch die Realität widerlegt. Ich nehme die Menschen lieber, wie sie aktuell sind, und schaue, was "man" in der Zukunft realistisch ändern könnte - nicht ohne auch mal darüber nachzudenken, wer "man" denn sein müsste, um diese Änderungen tatsächlich zu bewirken.

          Und dazu war meine These: Von oben (also z. B. durch pauschale, nmur an der Statistik orientierte Zwangsmaßnahmen wie Quoten) kommt man nicht so tief in die Köpfe der einzelnen Leute rein, dass die Rollenverständnisse auf einmal Geschichte wären. Der Feminismus macht insofern den Fehler, eine Gesellschaft herstellen zu wollen, die Ergebnisgleichheit erzwingt, aber keine Rücksicht darauf nimmt, dass vielleicht zahlreiche Menschen das gar nicht wollen. Der Proporz in den Parteien ist so ein Ding: In eine Partei einzutreten, ist völlig freiwillig und nun wirklich nicht mit einen Auswahlprozess verbunden, der sexistisch gestaltet werden könnte. Trotzdem gibt es keine Ergebnisgleichheit zwischen den Geschlechtern.

          Lowandorder und ich sind übrigens wahnsinnig selten einer Meinung. Wenn es also schon soo weit kommt,... ;-)

      • @Normalo:

        Find Sie tapfer.

        Wie wär’s mal mit nem Sancho Panza -



        So als sidekick!;) - Newahr.



        Besser is - wg Mund fusselig & in Fransen.;)



        &



        Danke - daß Sie dran bleiben.

  • Der Artikel gefällt sich in der Gegenüberstellung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit - und beweist gleichzeitig, wie man mit diesem Pärchen bei hinreichend einseitiger Betrachtung so ziemlich Alles rechtfertigen kann.

    Denn aus leicht anderer Sicht ist es ein klarer Fall von "Der Zweck heiligt die Mittel.", eine Quote als "gerecht" zu bezeichnen. Tatsächlich ist sie an sich fundamental ungerecht, wie der angeführte Fall zeigt. Sie trägt die Ungerechtigkeiten der Vergangenenheit auf dem Rücken der gegenwärtig Betroffenen aus: Herr Kreft ist sicher NICHT schuld am Gender Pay Gap oder anderen - vermeintlichen oder realen - Symptomen der Geschlechterdiskriminierung. Er WIRD nur unstreitig wegen seines Geschlechts diskriminiert.

    Nun kann man natürlich in guter preußischer Tradition - sehr männlicher Tradition - schnarren: "Tja, persönliches Pech, muss halt sein, alter Knabe, wo gehobelt wird...". Aber ich dachte eigentlich, dass genau diese Mentalität das Gift wäre, auf dem unter anderem die Frauendiskriminierung aufgebaut ist. Von einer Linken würde ich erwarten, dass sie sich etwas mehr Mühe gibt, dem Einzelnen, den das "neue System" eiskalt durch die Maschen fallen lässt, zu erklären, warum er das ersatzlos zu schlucken hat.

    Es ist ja nicht so, dass es keine guten Gründe für Quoten gäbe. Aber es ist leider auch nicht so, dass die Gründe, die dieser Artikel nennt, zu den guten gehören würden. Stattdessen versucht er es auf der apodiktischen Schiene und erklärt für "wahr", was wahr sein muss, für "gerecht", was nicht gerecht sein kann, und für unabdingbar, was vielleicht auch anders gelöst werden könnte.

    Wenn man sich auf den gefährlichen Weg traut, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, dann sollte man zumindest das Selbstbewusstsein besitzen, das zuzugeben.

    • @Normalo:

      Faß mal zusammen -

      Truppeninspektion - General:



      “Mir scheißegal - wo die Sonne aufgeht!



      Hauptsache einheitlich!“



      &/oder



      Innere Führung Kettenreaktion -



      www.youtube.com/watch?v=kmKkU5G5B3k

      Danke. Danke. Danke.



      Dat war eindeutig - kerr.

      unterm——-Uni Mbg/Lahn - 1968 -



      Schon Prof. Ernst Wolf - ließ mich 1.Sem wg Rechtsphilosophie leise den Saal verlassen. Auf den Einwand eines seiner (wenigen claquer)Studis:



      “Aber Herr Professor Wolf - das ist ja ein unmögliches Ergebnis!“ donnerte er



      “Was interessiert mich das Ergebnis.



      Hauptsache ich bin in meinem Sytem richtig!“

      kurz - "Tja, persönliches Pech, muss halt sein, alter Knabe, wo gehobelt wird..." & “Weggetreten!“



      & Däh! nochens -



      “Ein Parteisoldat beschwert sich nicht!“



      Jawollja!

      Na bitte - Geht doch*!*

      Ende des Vorstehenden

      (oder mit’em ollen Willem Busch -



      “Jeder Manichäer - ist auch ein Grobian!“;)(

    • @Normalo:

      Was bitte ist denn an einer 50:50-Quote ungerecht? Ist ja nicht so, als ob hier den Männern die Jobs vorenthalten würden, um sie Frauen zuzuschustern (wie es vorher umgekehrt der Fall war!). Sondern es geht nur darum, dass Frauen *entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil* auch in politischen Repräsentationsposten vertreten sind. An diesem Verhältnis ist also schon mal garnix ungerecht - ungerecht wäre vielmehr, wenn weiterhin Männer nur wegen ihres Geschlechts in Machtpositionen überrepräsentiert sind

      Bevor Sie nun schreiben, dass in einem gerechten System unabhängig von Geschlecht einfach immer nur der oder die Beste gewinnen sollte, hier aber doch eine unqualifizierte Frau dem armen qualifizierten Mann den Job weggenommen hat, schalten Sie bitte mal Ihre Hormone und Weinerlichkeit beiseite und bedenken Sie ganz rational Folgendes:

      Sind Frauen irgendwie genetisch bzw. von ihrer Natur her unqualifizierter für Europapolitik als Männer? Nein, natürlich nicht. Also gibt es hier nur zwei Möglichkeiten:

      1. Entweder, der SPD stehen trotz gleicher EU-Qualifikationsfähigkeit von Frauen leider keine EU-qualifizierten Frauen zur Verfügung. Dann ist das aber kein Problem der gerechten 50:50-Quote, sondern es bestünde das Problem, dass die Gesellschaft bzw. die SPD nicht genug Frauen qualifiziert und gefördert hat. Ergo also nicht die Männer die Opfer wären.

      2. Die wahrscheinlichere Lösung: Auch in der SPD gibt es selbstverständlich hervorragende EU-Politikerinnen. Wenn die Partei also diesen Listenplatz mit einer Unqualifizierten besetzt, dann ist das offensichtlich kein Problem einer ungerechten Frauenquote, sondern das Problem bescheuerter Besetzungsprozesse.

      3. Last but not least: Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, dass unabhängig vom Geschlecht einfach nur die Besten gewinnen sollten: Warum heulen Sie dann nie über die Ungerechtigkeit von haufenweise unqualifizierten und überrepräsentierten Männern? Tun Sie nie. Also heucheln Sie doch nix von Gerechtigkeitssinn.

      • @kami:

        Was bei all dem Statistik-Geschmeiße rund um Quote und Gender-Pay-Gap gerne vergessen wird: Diskriminierung findet in unserem Rechtssystem nicht gruppenhaft sondern IMMER im Einzelfall statt. Es ist die einzlene Entscheidung, bei der diskrimiert wird, sei es die über eine Stellenbesetzung oder die Vergabe eines Listenplatzes.

        Die statistisch unterschiedliche Häufigkeit von Männern und Frauen in bestimmten Bereichen ist dagegen nie mehr als ein Indiz dafür, dass dort Diskriminierung stattfindet. Es gibt haufenweise Gegenbeispiele (Grundschulpädagogik, Müllabfuhr...), wo dieses Indiz nicht zieht.

        Trotzdem haben wir immer diesen Fokus auf die Statistik, und der geht scheinbar soweit, dass die Diskriminierung vielfach IN der Statistik gesehen wird - und ergo jede Maßnahme, die die Statistik ändern kann, daher als "antidiskriminierend", also gerecht, gilt. Aber das ist ein Fehlschluss. Diskriminierung ist weiterhin ein Phänomen, dass im Einzelfall stattfindet und daher nicht abgeschafft werden kann, indem man den Einzelfall zur vorgeschriebenen Regel macht.

        Dies vorangestellt:

      • @kami:

        Auch aus meiner Sicht ist nichts ungerecht daran, wenn Männer und Frauen irgendwo 50:50 respräsentiert SIND. Die Frage ist der Weg dahin, und wenn der Auswahlmechanismen enthält, bei denen das Geschlecht eines Bewerbers ein ausschlaggebendes Kriterium ist, dann IST das diskriminierend.

        Gleiches gilt natürlich auch, wenn Menschen derart nach Geschlecht diskriminiert werden, OHNE dass damit das hehre Ziel einer gleichmäßigen Repräsentation verfolgt wird, und ich finde das erst recht ungerecht. Aber dass jemand sowas offen gutheißen und gerne zur allgemeinen Regel erheben würde (wie die Quote), kommt - gerade hier bei taz.de - schlicht nicht vor. Deshalb sehe ich auch wenig Anlass, dazu ständig Stellung zu beziehen.

        Zu Ihren Möglichkeiten:



        1. Menschen sind keine Werkstücke, die "die Gesellschaft" mit industrieller Präzision bearbeiten kann, um die politisch gewünschte "Produktpalette" zu fertigen. Dazu wiegt die menschliche Fähigkeit, sich selbst für Fachrichtungen zu entscheiden, viel zu schwer. Menschen sind auch nicht so rein ökonomisch gepolt, dass sie ihre eigene Qualifikation ausschließlich entsprechend der Nachfrage am Markt betreiben würden. Von daher ist Ihre Kausalkette "Nicht genügend qualifizierte EuropapolitikerINNEN = Versagen der gesellschaftlichen Qualifikationsprozesse" allenfalls von einer autoritär-planwirtschaftlichen Warte aus logisch.

        2. Klar gibt es in der SPD Europaexpertinnen. Die Frage ist: Wie viele, und reicht das, um die Listen für den Europawahlkampf mit denen paritätisch besetzen? Da nunmal wesentlich mehr Frauen als Männer sich (trotz Quote und anderer Aufstiegshilfen) NICHT entschlossen haben, der SPD beizutreten, gibt es dort mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen, also im Zweifel auch einen größeren männlichen Talentpool. Auch hier kann man aber nicht alle Entscheidungen, die Frauen treffen, als von Männern oder "der Gesellschaft" fremdbestimmt darstellen - z. B. eben auch nicht die über das persönliche politische Engagement.

        • @Normalo:

          So ein Quatsch. Erstens argumentieren Sie hier immer noch so, als ob eine Frau einem Mann den Platz weggenommen hätte. Dem ist aber nicht so. Wenn Frauen rein vom gesellschaftlichen Proporz her gerechterweise 50% der Stellen zustehen würden, dann nimmt sie vielleicht einer anderen Frau die Position weg, aber keinem Mann. Dem gehört sie nämlich nicht. Diese Stelle steht ihm nicht zu.

          Zweitens bestätigt das Beispiel hier leider mal wieder das komplett falsche Klischee, dass Frauen den Männern nicht nur "deren" Stellen wegnehmen, sondern auch noch angeblich die "unqualifizierten" Frauen jetzt alle Jobs nachgeschmissen bekommen auf Kosten der qualifizierten Männer. Das ist gleich doppelter Bullshit. Erstens funktioniert das gros der Quoten so, dass Frauen bevorzugt eingestellt werden bei MINDESTENS GLEICHER Qualifikation. Die Vorstellung, dass ein männlicher Prof oder Chef seinen Posten hat, weil er was kann, und die weiblichen Pendants "nur weil sie Frauen sind", ist einfach komplett unwahr. (Und die diversen unqualifizierten Männer fallen Ihnen schon wieder überhaupt nicht auf!)

          Zur SPD und dem Fall hier : Schauen Sie doch mal die Anzahl der SPD Mitglieder an und vergleichen Sie die mit der Anzahl der Listenplätze. Und da wollen Sie ernsthaft behaupten, die SPD bekäme keine 30 Frauen zusammen, die was von Europa verstehen? (Komisch, die Grünen z.B. haben damit keine Probleme.) Oder dass die Mädels selbst schuld sind, wenn sie sich nicht melden?

          Quatsch mit Sauce ist auch das Gerede von der freien Entscheidung, die Frauen angeblich massenweise in sozialpädagogische Berufe und Männer auf die Baustelle und in die Politik treibt. Jungs werden von Babybeinen an dazu indoktriniert, harte Kerls zu sein. Mädchen dagegen, sich für rosa Prinzessinnenkrams und Püppchenumsorgen zu interessieren. Und das Resultat von 20 Jahren solcher Indoktrination ist dann also individuell und freiwillig, ja?



          Das wurde mit Ihnen und den Herren hier nun aber schon tausend Mal durchgekaut.

          • @kami:

            Mal der Reihe nach: "Die Besetzung nach Quote nimmt keinem Mann einen Platz weg, weil die Plätze ja quotiert zu vergeben sind, ergo dieser Platz nur an eine Frau gehen konnte - ist ein klassischer Kreisschluss. Das fällt Ihnen hoffentlich auch auf, wenn Sie es nochmal lesen.

            Zum Zweiten: Es gibt "weiche " Quoten - wie die, die Sie zitieren -, die zumindest gleiche Qualifikation erfordern, und es gibt harte Quoten, denen es schnurzegal ist, wer von zwei Kandidaten qualifizierter ist, solange einer eine Frau ist und einer nicht. Gegen die habe ich was, und die Listenquote ist, wie Sie selbst schön ausführen, eine solche harte Quote: Dieser Platz geht an einen Menschen ohne Y-Chromosom, komme, was da wolle. Ein Mann kann noch so viel besser qualifiziert sein, er fällt durch. Diese harten Quoten sind aktuell auf dem Vormarsch, die Aufsichtsratsquote ist z. B. auch eine.

            Zur SPD: Es will auch nicht notwendigerweise Jede(r), wo europapolitisch qualifiziert ist, unbedingt nach Brüssel. Für Viele ist das immer noch ein politisches Abstellgleis, und es bedeutet viel Reisetätigkeit. Davon abgesehen ist es doch ganz klar: Wenn Stellen mit unqualifizierten Männern besetzt werden, um die sich auch qualifizierte Frauen bewerben, dann ist das idR Diskriminierung. Warum sollte es umgekehrt anders sein - zumal wenn es tatsächlich eine REGEL gibt, die eine nach Geschlecht diskriminierende Platzvergabe vorschreibt?

            Und Ihre "Menschen sind konditionierte Roboter"-Rhetorik können Sie bitte gerne im Teekreis Anderen vorführen. Wer Menschen nicht für mündig hält, solche Vorgaben zu reflektieren und selbst zu entscheiden, was davon sie übernehmen wollen, der hat in einer Demokratie nichts verloren. Was wollen sie denn als nächstes machen? Den Leuten das Wahlrecht entziehen, weil sie ja eh nur wählen, wozu man sie konditioniert hat (und nicht wovon drüberstehende Weise wie Sie besser wissen, dass es gut für sie ist)??

            • @Normalo:

              Sie können ja gerne eine andere Meinung haben. Aber wenn Sie schon gegen die Punkte anderer andiskutieren, wär's schön, wenn Sie diese Punkte überhaupt erstmal kapiert hätten, statt so einen Quatsch wie zu den "konditionierten Robotern" zu verfassen.

              Wir gehen hier seit Jahren unter jedem Artikel zu Frauenthemen, zu gender pay gap, zu sexuellen Übergriffen etc. pp. die absoluten basics durch und es kommt einfach nichts davon an bei den einschlägigen Foristen.



              Stattdessen wird unter jedem Artikel des Ausgangsproblem weggeleugnet und jedwede Ansätze zur Lösung des Problems zum eigentlichen Problem erklärt. Sorry, so wird das nix.

              • @kami:

                1. Das Ausgangsposting stammte, glaube ich, von mir. Sie haben darauf geantwortet. Die "Verständnisobliegenheit" läge also nach Ihrer Argumentation bei Ihnen. Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen können, dieses erste Posting wirklich verstanden zu haben, können Sie ja mal darüber nachdenken, ob "nicht verstanden" vielleicht auch mal ein Resultat von "schlecht erklärt" sein kann... ;-)

                2. Sie haben - außer dem eindeutigen Kreisschluss vor zwei Postings - bislang keine inhaltliche Antwort auf meine Ausgangsthese gegeben, dass eine Regel, die die Vergabe von Stellen oder Listenplätzen nach dem primären Kriterium des Geschlechts vorsieht, per se diskriminierend ist.

                3. Vielleicht LIEGT der Dissens ja bei den Basics? Wer Gerechtigkeit über Ergebnisgleichheit definiert, kommt zwangsläufig in Konflikt mit jemandem, der Chancengleichheit in den Vordergrund stellt. Vor allem "harte" Quoten zielen wirkungsmäßig auf Ergebnisgleichheit und machen dafür Abstriche bei der Chancengleichheit. Dass ihr eigentliches Ziel eine globale Chancengleichheit ist, mag ja sein, aber das Mittel zum Zweck ist ein eindeutiger Eingriff in die Chancengleichheit. Das bedarf der Erklärung und der wachen Beobachtung. Mir graut es vor einer Entwicklung, die NUR noch auf die Ergebnisgleichheit schielt.

                4. Wenn Sie das Konzept der freien Entscheidung des Individuums als "Quatsch mit Sauce" abtun, kann ich natürlich eigentlich keine differenzierten Äußerungen zum Gegenstück, dem vom freien Willen gänzlich befreiten Roboter, erwarten. Da haben Sie Recht. Aber vielleicht denken Sie nochmal nach, wo genau zwischen dem "Quatsch mit Sauce" und dem (einfach nur) "Quatsch" auf der anderen Seite Sie das menschliche Individuum einordnen würden - eher selbst- oder eher fremdbestimmt?

                5. Ich habe versucht, mal auf Grundsätze des Problems (Maßnahmen zur Änderung des statistischen Ergebnisbildes vs. Gerechtigkeit im Einzelfall) einzugehen. Sie leider nicht.

  • wenn 32,5 % der Parteimitglieder 50% der Plätze auf den Wahllisten bekommen ist das ... gerecht? Na ja, dann haben wir ein komplett unterschiedliches Verständnis von Gerechtigkeit.

    (Quelle: de.statista.com/st...tischen-parteien/)

    • @Weiße Blase:

      Wieso stört Sie, dass 32,5% 50% der Stellen bekommen... aber nicht die Tatsache, dass vorher von 50%+ der Bevölkerung nur 32,5% in Positionen gelangen, die als Sprungbrett zu diesen Stellen führen?

      Ihr Jungs hier argumentiert alle so wie diese Neoliberalen, die seit zig Jahren krasseste Vermögensumverteilung von unten nach oben betreiben, aber immer dann das Geheule über böse Umverteilung anfangen, wenn mal ein bisschen von oben nach unten rückverteilt werden soll.

      • @kami:

        Euch Mädels ist aber schon klar, dass Ihr nur auf die Homepage der jeweiligen Partei gehen und einen Aufnahmeantrag stellen müsst - und schwupps seid Ihr Parteimitglied und habt das einzig Sinnvolle gegen die ungleiche Verteilung in der Mitgliederschaft getan. Da gibt's kein Bewerbungsgespräch mit unpassenden Fragen zur Familienplanung, da ist man sofort stimmberechtigt dabei wie jeder Mann auch.

        Ich weiß nicht, warum die zig Millionen Frauen, die NICHT Mitglied einer Partei sind, an diesem Zustand nichts ändern, obwohl DAS ja mal ein Punkt wäre, an dem Gleichstellung ganz zwanglos und in Eigenregie zu erzielen wäre. Aber eins ist klar: Parteien sind der ultimative Do-It- Yourself-Haufen. Wofür deren Mitglieder an der Basis sich nicht engagieren wollen, dafür haben die oben dann auch kein Mandat.

        Aber vielleicht ist diese Gleichstellung, die frau sich einfach nur nehmen müsste, zu einfach. Vielleicht braucht es die sichtbare Verrenkung zur Frauenförderung, damit sich das ganze wie Gleichstellung "anfühlt". Was meinen Sie?