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Kommentar Protest in FrankreichDas Sommermärchen wird gestört

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Demonstrationen und Streiks in Frankreich sind verständlich und richtig. Nur haben sie das falsche Ziel, denn das sollte Deutschland sein.

Sein Protest richtet sich gegen die Falschen Foto: ap

B ei der Fußball-EM soll die Sonne scheinen und das Bier beim Public Viewing schmecken. Doch die französischen Gewerkschaften hielten sich nicht ans Drehbuch. Von Paris bis Marseille riefen sie zu Protesten auf, um gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen zu protestieren. Frankreichs Sommermärchen wird gestört.

Die Wut der Demonstranten ist verständlich: Es schafft keine zusätzlichen Stellen, wenn man den Kündigungsschutz lockert, sondern drückt nur die Löhne. Die Proteste werden aber nichts bringen, denn sie richten sich an den Falschen. Die französischen Gewerkschaften glauben noch immer, dass ihr Gegner die eigene Regierung sei. Doch sie machen es sich zu einfach, wenn sie Präsident Hollande als „Verräter“ abstempeln. Hollande ist nur noch ein Getriebener.

Die französischen Gewerkschaften sollten lieber gen Osten blicken – und die Bundesrepublik attackieren. Denn die Arbeitslosigkeit in Frankreich steigt, weil die Deutschen ihre Arbeitslosigkeit exportiert haben. Das Symbolwort heißt „Agenda 2010“: Systematisch wurden die deutschen Reallöhne gedeckelt, um sich Wettbewerbsvorteile zu erschleichen.

Die Franzosen hingegen verhielten sich bisher fair. Sie ließen ihre Gehälter mit dem technischen Fortschritt steigen, haben also nicht über Dumpinglöhne konkurriert. Der Preis ist bitter: Durch seine Trickserei hat Deutschland jetzt einen Wettbewerbsvorteil von etwa 20 Prozent. Hier herrscht fast Vollbeschäftigung, während in Frankreich etwa 10 Prozent arbeitslos sind.

Die Lösung liegt nicht in Frankreich, sondern in Deutschland

Gegen diese deutsche Aggression ist die französische Politik machtlos. Hollande will jetzt zwar die „Agenda 2010“ ein bisschen imitieren und ebenfalls auf die Löhne drücken – aber der gigantische Wettbewerbsnachteil lässt sich nicht mehr aufholen. Die Lösung liegt nicht in Frankreich, sondern in Deutschland: Hier müssten die Gehälter so lange steigen, bis die unfaire Wettbewerbslücke wieder geschlossen ist.

Bisher sind die Deutschen nicht bereit, den Franzosen entgegenzukommen. Man wähnt sich in der Position des Stärkeren. Doch das täuscht. Die Proteste der französischen Gewerkschaften lassen sich vielleicht noch ignorieren, aber die gleiche Frustration macht auch die französischen Rechtspopulisten stark. Es ist gut, dass das Sommermärchen gestört wurde.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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38 Kommentare

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  • "Hollande will jetzt zwar die „Agenda 2010“ ein bisschen imitieren und ebenfalls auf die Löhne drücken ..."

     

    ...und was das binnenwirtschaftlich , konjunkturell bedeutet , weiß man ja auch aus Hartz IV-Deutschland . Aber das eigentliche Dumme dabei ist doch : makroökonomisch ändern solche Rezepte ("Löhne runter vs. Löhne rauf") an der Entwicklung des "warenproduzierenden Systems" (vulgo : Kapitalismus) gar nichts mehr . Das System ist nämlich unübersehbar dabei , an seiner Überproduktivität zu ersticken . Untrügliches Indiz : Null-Leitzinsen und trotzdem keine (Erweiterungs-)Investitionen - ... weil (fast) Null-Wachstum , bei langfristig anhaltendem Rückgang der Gesamtkaufkraft .

  • "Gegen diese deutsche Aggression(!) ist die französische Politik machtlos."

     

    Ziemlich vollmundig und pauschal diese "deutsche Aggression" , Frau Herrmann .

    Aber . Wen klagen Sie eigentlich konkret als Subjekt des verwerflichen Handelns an ? Haben deutsche Regierungen alle ( nur bestimmte ?) Löhne und Gehälter heruntergesetzt ? Haben deutsche Unternehmen nach Inkrafttreten der Hartz IV-Gesetze pauschal Löhne & Gehälter heruntergesetzt ? Nein und Nein - weil rechtlich nicht möglich .

    Haben es deutsche ArbeitnehmerInnen und ihre Gewerkschaften ohne entsprechende Gegenwehr hingenommen , dass

    n a c h Hartz IV bei neuen Arbeitsverträgen die Löhne nicht mehr "angemessen" stiegen oder sogar sanken ? Ja . (Deutsche sind keine Franzosen ...)

    Gefragt werden darf auch : Hatte die Lohnzurückhaltung überhaupt nennenswerte Auswirkungen auf den Export ? Der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten der Produktion beträgt in Deutschland im Schnitt unter einem Viertel (im Maschinenbau etwas mehr, in Branchen des verarbeitenden Gewerbes etwas weniger). Wie stark müssten Lohnsenkungen oder wie hoch müssten Lohnerhöhungen sein, um sich merklich auf den Preis deutscher Produkte auf dem Weltmarkt auszuwirken ?

    Und noch etwas : Im Jahr 1995 waren im produzierenden Gewerbe noch über zwölf Millionen Personen beschäftigt. Im Jahr 2010 aber waren es dann unter zehn Millionen. In der Landwirtschaft, die als einziger Zweig neben der Produktion nennenswert exportiert, sank die Zahl der Erwerbstätigen ebenfalls: von über einer Million in 1995 auf 847 000 im Jahr 2010.

    • @APOKALYPTIKER:

      Die Einkommen liegen in Deutschland durchwegs höher als in Frankreich, siehe Eurostat. Z B Ehepaar, 2 Kinder , 1 Einkommen, Deutschland 36000, Frankr 31000. Die Beschaeftigten in der Dienstleistung erhöhen sich aufgrund der vorhandenen Ressourcen und des Bedarfs, siehe mehr Senioren. Alles normal.

    • @APOKALYPTIKER:

      wie erklären Sie sich, dass nach dem Lohndumping in Deutschland (derzeit bei 20% der Arbeitsverträge wie z. B. Leiharbeit) die deutschen Exporte stark anwuchsen und derzeit bei 8% Überschuss liegen . ein Wahnsinnswert, weswegen Deutschland auf internationalen Tagungen massiv in der Kritik steht. Logisch zwingend steht einem Exportüberschuss irgendwo gleich große Exportdefizite gegenüber.Und das ist Südeuropa sowie Frankreich... Dass Lohnkürzungen die Exportchancen verbessern (bei gleichem Wechselkurs, wie etwa im Euoraum) sagen selbst Neoliberale, obwohl sie vielfach Zusammenhänge in der Volkswirtschaft nicht verstehen.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @Michael Kroker:

        Wollen wir mal ein paar Fakten klären:

        1. Nicht die deutschen Exportüberschüsse betragen 8%, sondern die Zahlungsbilanz.

        2. Die Zahlungsbilanz Deutschlands stieg bereits im Jahre 2000 (also vor den Hartz Reformen: Hartz 1/2 2003, Hartz 3 2004 und Hartz 4 2005). In der Anfangsphase war der Anstieg fallenden Investitionen geschuldet (2000 - 2003), danach den extrem stark ansteigenden Ersparnissen (ab 2003).

        Erklärung: (Hauptsächlich) Einführung des EUROS!!!

        (P.S.: Zahlungsbilanz = Ersparnis - Investitionen).

        3. Neoliberale in der VWL??? Die meisten Modelle in der VWL stammen aus der Neoklassik oder von den Neu-Keynsianern.

        4. Löhne / Lohnkosten, Wechselkurse und Wettbewerbsfähigkeit: siehe meine Kommentare weiter unten

        5. Und zum Schluss: "(...) Neoliberale, obwohl sie vielfach Zusammenhänge in der Volkswirtschaftslehre nicht verstehen". Dieser Satz trägt nichts zur Diskussion bei, ist diffamierend und zeugt von einer Arroganz, die Sie sich nicht leisten können - ich verweise auf Unterpunkte 1-4!

  • Ähm, wie? Wir haben Vollbeschäftigung?? Seit wann? Warum ist das der Arbeitsagentur bei der letzten Zahlenlegung nicht aufgefallen?

    Sorry, aber der Kommentar mag thematisch richtig sein, ist aber eigentlich ganz großer Käse. Unsere Arbeitslosenzahlen sind durch "Fortbildungen" oder sonstige "Parkangebote" seit Schröder heruntergerechnet worden. Unsere offizielle Quote liegt momentan bei 4,5%, in Fr. bei 10%, das ist nicht weit auseinander, wenn man die gut 10% bedenkt, die herausgerechnet wurden. Und dass ein großer Teil prekäre und Teilzeit-Jobs sind, wird natürlich mal wieder einfach unterschlagen.

  • Die Proteste richten sich schon gegen den Richtigen, denn Hollande hat nichts, aber auch gar nichts unternommen, um der deutschen Regierung Paroli zu bieten. Stattdessen hat er die frz. Version der Agenda 2010 zusammengeschustert (Manuel Valls ist offener Fan Schröders).

  • "Systematisch wurden die deutschen Reallöhne gedeckelt, um sich Wettbewerbsvorteile zu erschleichen"

     

    Das ist wohl eher so das Deutschland enger am Osten lieft wo die Real Löhne noch niedriger sind.

     

    Abgesehen davon sollte es besser gegen die Multi-Konzerne gehen - welche an der anzisozialen Entwicklung Schuld sind.

  • Die Lösung?

    Die Lösung liegt nicht in Frankreich und auch nicht in Deutschland, sondern in der Änderung des Politischen-, Finanz- und Wirtschaftssystems, die immer prächtiger zu harmonieren scheinen. Da nützt es wenig, wenn die einen auf die anderen schimpfen und sich (von der Politik gewollt) auseinander dividieren lassen.

    Vielmehr sollten die Menschen in der EU zusammenhalten und ihre (gemeinsame) Stärke durch gegenseitige Solidarität endlich hervorbringen und untermauern . Deutsche Arbeitnehmer, sprich Gewerkschaften, müssen deshalb die Franzosen in ihrem Kampf gegen den Neoliberalismus unterstützen und helfen wo es nur geht, damit ihre eigenen Fehler, sprich Schröder - Programme, nicht noch einmal einer Arbeiterschaft aufgedrückt werden können.

    Viele Grüße

    • @tommason:

      vielleicht liegt die "Lösung" tatsächlich in Frankreich. Mit Marie le Pen wird 2017 Frankreich aus dem Euro austreten, den neuen Franc stark abwerten, die deutsche Exportindustrie bricht zusammen und die Arbeitslosigkeit steigt in Deutschland binnen 3 Monaten auf vielleicht 20% - dann werden keine Flüchtlingsheime sondern Flüchtlinge brennen

    • @tommason:

      Danke! Schliesse mich Ihrem Beitrag an!

       

      Ohne Veränderung des Geld-und Wirtschaftssystems wird es wieder Böse enden!

  • Ich finde Frau Herrmanns Kommentar absolut treffend, verstehe die ganze Aufregung vorheriger Leserkommentare nicht.

    @ICH2: Es kommt nicht primär auf den realen Wechselkurs an, sondern auf die Arbeitskosten. Also nicht der Geldmarkt, sondern der Arbeitsmarkt ist volkswirtschaftlich relevant. Das hat die taz-Kommentatorin treffend herausgearbeitet.

    @Jim Hawkins: Mit fairem Verhalten sind nicht die französischen Gewerkschaften gemeint, sondern die französische Regierung. Und tatsächlich ist es fairer, die Arbeiter/innen am technischen Fortschritt zu beteiligen, als Löhne wie hierzulande mit einem destruktiven Hartz-IV-Regime zu deckeln.

    @SFischer und Dideldidum: Es geht hier nicht um die Quantität der Arbeitskosten, sondern um die Qualität eines allgemeinen Arbeitskosten-Vorteils von Deutschland gegenüber Frankreich. Maßgeblich sind auch nicht in erster Linie Frankreichs lähmende Strukturen, sondern es ist Deutschlands Lohn- und Sozialdumping per Hartz IV. Das meint Frau Herrmann vermutlich mit "sich Wettbewerbsvorteile erschleichen". Und in der Tat: Durch Hartz IV konnten z.B. die Arbeitslosenversicherungs-Beiträge von ca. 6-7% (zur Jahrtausendwende) auf jetzt 3-4% halbiert werden. Wenn das keine Trickserei ist...

    @ Anarchie-Jetzt: Schöne Parole, ich war in jungen Jahren auch mal Anarchist. Leider nicht realitätstauglich, wenn man sich die deutschen Verhältnisse näher ansieht - und zwar seit 1848/49: ein stümperhafter Revolutionsversuch nach dem nächsten, bis die Deutschen dann 1933 den "Führer" als Erlöser ihrer Klassenkampf-Unfähigkeit feierten.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Sondermann:

      Zu Ihrem dritten Punkt:

       

      Warum hat der Arbeitskostenvorteil Deutschlands eigentlich nur gegenüber Frankreich negative Konsequenzen? Was machen Schweden und Dänemark besser, dass diese Länder von unserem Lohndumping nicht in den wirtschaftlichen Abgrund geführt werden?

       

      Mir ist die Argumentation von Frau Herrmann an dieser Stelle etwas zu monokausal.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Diese Frage kann ich nur schwer beantworten, der Focus auf Frankreich liegt im Ermessen von Frau Herrmann. Ich vermute, die effizientere Arbeitsmarktpolitik Schwedens und Dänemarks (gegenüber Frankreich) fängt einiges auf. Auch gehören beide o.g. Länder nicht zur Euro-Zone, sind also wirtschaftlich weniger eng mit Deutschland verflochten als Frankreich.

        • @Sondermann:

          Die Frage ist, welche Politik funktioniert? Die Einkommen liegen in Großbritannien, Schweden, Finnland, Deutschland höher als in Frankreich, siehe Eurostat.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Sondermann:

      Ich antworte jetzt mal nur auf den Teil Ihres Kommentars, der sich auf mich bezieht:

      Der reale Wechselkurs zwischen Frankreich und Deutschland (bzw. den restlichen EURO-Ländern) wird nicht (!) am Finanzmarkt bestimmt (weil der nominale Wechselkurs 1 ist). Also bleiben nur die unterschiedlichen Preisniveaus.

      Sinkende Arbeitskosten sollen die Wettbewerbsfähigkeit sichern, indem der Preis des Endprodukts relativ niedrig bleibt / sinkt. ABER: sinkende Arbeitskosten spiegeln sich nicht 1:1 in den sich verändernden Preisen wieder, weil diese auch von anderen Faktoren bestimmt werden. Im realen Wechselkurs (für die EUROZONE = Quotient der unterschiedlichen PREISniveaus) spiegeln sich die Arbeitskosten wider - aber als Teil gesamtwirtschaftlicher Prozesse, sprich: der tatsächliche Effekt der Arbeitskosten auf das Preisniveau.

       

      "Das hat die taz-Kommentatorin treffend herausgearbeitet". Wer so einen Satz schreibt, muss sich sehr sicher sein, dass die eigene Aussage stimmt (bzw. die Aussage von Frau Hermann). Also geh ich davon aus, dass Sie Ökonom sind: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich hauptsächlich?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Ich arbeite zurzeit nicht als Ökonom, sondern in meinem Zweitberuf Pädagoge. Hier befasse ich mich mit der Integration von berufsschulpflichtigen Asylbewerbern und Flüchtlingen.

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Wenn Sie Kaufkraft-Paritäten meinen, dann haben Sie sicherlich recht: Hier kann die Analyse von Frau Herrmann noch nachgebessert werden. Auch der Gini-Koeffizient spielt hier eine Rolle, aber das wissen Sie sicherlich. Wo ich mir - als Volkswirt - sicher bin, ist, dass man die 3 idealen Gesamtmärkte auch getrennt betrachten kann. Es hängt letztlich von der Lehrmeinung ab: ob man eher Neoklassiker oder Keynesianer ist. Als Marxist würde man vermutlich eine ganz andere Analyse vornehmen... Und Sie, sind Sie auch Ökonom?

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @Sondermann:

          Im Prinzip genau das Gegenteil: Dadurch, dass es eben keinen nominalen Wechselkurs mehr innerhalb der EURO-Zone gibt, können die unterschiedlichen Preisniveaus nicht mehr ausgeglichen werden (sprich ein realer Wechselkurs von 1 erreicht werden). Früher konnten die in den südlichen Eurostaaten stärker steigende Preise durch den nom. Wechselkurs korrigiert werden - im Eurosystem geht das nicht. Aber mit der Euroeinführung haben sich nicht die Inflationsraten innerhalb der Eurozone angepasst => die Südländer werteten real auf, u.a. Deutschland wertete real ab (jeweils bezogen auf die anderen Eurostaaten).

          Weil Sie die Theorie ansprechen: In modernen TNT - Modellen spielt der reale Wechselkurs eine zentrale Rolle bei Anpassungsprozessen (auch bei dem Inputfaktor Arbeit).

          • @73176 (Profil gelöscht):

            Wir brauchen m.E. gar keine komplizierten Währungsmodelle. Es gibt in einem gemeinsamen Währungsraum ganz einfache Methoden, Lohn- und Preisgefälle zu korrigieren: im Fall der Preise durch den Markt selbst. Deutsche Niedrigpreise erklären sich z.B. durch eine weitgehende Liberalisierung im Einzelhandel. Hier müsste Frankreich tatsächlich einige verkrustete Strukturen aufbrechen. Im Lohnbereich gibt es schon EU-weit einen Mindestlohn. Dieser muss, soweit noch nicht geschehen, vereinheitlicht werden. Ansonsten sehe ich die Lohnpolitik eher als verbandliche denn als staatliche Aufgabe: d.h. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände handeln den Lohn aus, den sie für gerecht halten.

    • @Sondermann:

      Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber Sie verstehen nicht den direkten Einfluß den Wechselkurse auch auf Arbeitskosten und Warenkosten haben.

      Wenn es wirklich "Dumping"-gründe für die deutsche Überlegenheit gebe, würde ja kein Kunde kaufen, weil die Arbeitskosten so niedrig sind, sondern das Produkt und das wird sehr wohl billiger, wenn die Wechselkurse sich ändern.

       

      Und wie man die Formulierung "Wettbewerbsvorteile erschleichen" verteidigen kann ist mir auch schleierhaft, daran war ja nichts erschlichen, die Leute in diesem Land fühlen zum Teil sehr konkret die Folgen dieser Vorteile, das ist "hart erarbeitet" der Vorteil.

       

      Die Größe des Vorteils wird wie üblich auch übertrieben, die deutschen Lohnstückkosten in Exportwirtschaften sind höher (falls Sie mit höher nichts anfangen können, das heißt ein deutscher Arbeitgeber zahlt MEHR Lohn pro Stück gefertigt als ein Französischer, er muss als MEHR Lohn in den Preis einrechnen beim Export) als in Frankreich, immernoch.

       

      Und zu guter Letzt ist natürlich die Verengung auf Frankreich/Deutschland kompletter Wahnsinn, selbst in Osteuropa ist man inzwischen fähiger als in Frankreich oder auch Italien, selbst wenn wir morgen die H4-Reformen zurückrollen wird das kein französisches Problem lösen.

      • @Krähenauge:

        Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Aber Ihre Bewertung meines ökonomischen Verständnisses ist schon forsch. Der Einfluss der Wechselkurse ist nur dort maßgeblich, wo es unterschiedliche Währungen mit erlaubten Kursschwankungen gibt. Dies ist zwischen zwei Euro-Ländern wie Frankreich und Deutschland nicht der Fall. Ist der Kunde bspw. ein Automobil-Investor, so kann er ohne weiteres mittelfristig seinen Standort von Frankreich nach Deutschland verlagern, um hierzulande von den niedrigeren Arbeitskosten zu profitieren. Bei Endverbrauchern spielen die Reisekosten eine so große Rolle, dass sich ein Einkauf in Deutschland vmtl. nur für Einwohner/innen der Region Alsace-Lorraine lohnt.

        Ich wehre mich allerdings entschieden gegen die Einschätzung, der Wettbewerbsvorteil Hartz IV sei "hart erarbeitet". Richtig ist, dass er den arbeitssuchenden Menschen von oben aufgedrückt wurde, zu Zeiten der Schröder-Regierung. Ich bezweifle auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Hartz-IV-Regime gutheißt.

        Als Volkswirt dürfen Sie mir glauben, dass ich einfache Formeln wie die von Lohnstückkosten beherrsche. Wie kommen Sie aber darauf, diese seien gerade in Deutschland höher als in Frankreich?

        Wenn Sie die Länderanalyse Frankreich-Deutschland als "Verengung" bewerten, dann haben Sie vmtl. den Sinn und Zwecke solcher Analysen nicht begriffen. Es ist gerade für den binationalen Handel wichtig, sich nicht nur weltwirtschaftlich mit Exporten zu befassen, sondern genau hinzuschauen, wie sich der Außenhandel zwischen einzelnen Ländern entwickelt.

        • @Sondermann:

          Dabei habe ich es doch extra entforscht ;-).

           

          Und ich2 hatte doch gerade dargelegt, dass der Nachteil ist, dass es gerade diesen Mechanismus nicht mehr gibt und das viel problematischer ist, als das "deutsche Lohndumping", was ja sowieso kaum nachzuweisen ist statistisch.

           

          BWL-technisch sehe ich ihre mittelfristige Umwanderung von produzierendem Gewerbe eher kritisch, die Einsparungen von FR nach GER sind dafür viel zu gering um die Investitionen in ein neues Werk zu tätigen. Hier schlägt auch wieder die Verengung auf FRA und GER durch, auf dem Papier macht theoretisch eine Verlagerung vll. SInn, aber wenn ich wegen Lohnkosten meine Fabrik verlagere, dann nicht nach GER.

           

          Naja uns gefallen beiden die Wörter nicht, aber ich finde es auch schwer zu beziffern, nur "erschlichen" ist da gar nichts. Nunja das können Sie gerne bezweifeln, aber bei 80%+ Wahlergebnis für SPD/GRÜNE/CDU/CSU die alle mit den System konform gehen, dass Sie das leicht nachweisen können.

           

          Laut EU-Statistik ist sowohl der Absolut als auch die nominelle % Steigerungwert in Deutschland in 2015 höher, ich war so frei das zu glauben.

           

          Und ja ich kenne schon den Sinn und Zweck von Modellen und Vereinfachungen für Analysen in VWL und BWL, allerdings würde dieses Sinn machen würde Frau Herrmann hier Ströme zwischen den Ländern und direkte Wanderbewegungen bewerten würde, aber wenn meine breite Endaussage sein soll, dass Deutschland Frankreich vom Weltmarkt verdrängt hat muss ich schon ein paar mehr Informationen einbeziehen.

  • Die französischen Strukturen sind verkrustet. Dies gilt gerade beim mittleren und oberen Management sowie der Politik. Wer aufsteigt bestimmt noch immer der Examensrang - auch wenn das 20 Jahre her ist. Hollande sucht nicht die Diskussion sondern erlässt von oben herab und auch gegen das Parlament. Die Menschenrechte sind schon ausgesetzt, die Demokratie folgt jetzt. Der Inhalt der Reformen ist da inzwischen nebensächlich - vielleicht gehen sie in die richtige Richtung aber an den wirklichen Problemen vorbei - vielleicht sind die Reformen ja auch ganz verkehrt? Demokratie und Menschenrechte sind wichtiger als diese Reförmchen. Da befindet sich Frankreich auf Abwegen, von denen es hoffentlich bald zurück findet.

    • @Velofisch:

      Wenn sie das nächste Mal beim Arzt, Bäcker sind versuchen sie mal mit "Menschenrechte" zu zahlen.

      Wir können gerne ihren monatlichen Gehalts/Lohnzettel auf Emphatie, Mitgefühl und wegen mir auch Facebook-likes umstellen.

       

      Ja es gibt Grundwerte die wichtig sind - sie aber als alleinigen Maßstab anzusetzen ist falsch.

  • Wo kommen eigentlich diese zahlen her?

    Laut statistischem Bundesamt

    Pressemitteilung Nr. 143 vom 26.04.2016 hat Deutschland 8% weniger Arbeitskosten als Frankreich in der Privatwirtschaft. Im Verarbeitenden Gewerbe sind wir sogar teurer.

     

    Wie kommt man da auf 20%?

    zum nachlesen: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/04/PD16_143_624.html

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Dideldidum:

      Nach dieser Logik exportiert Frankreich ganz fies seine Arbeitslosigkeit nach Dänemark, Belgien und Schweden!

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Nach Österreich nun also Frankreich.

    Ich hätte ein paar Verständnisfragen:

    1. Worauf bezieht sich der "Wettbewerbsvorteil"? Es wird einfach geschrieben, es besteht ein Wettbewerbsvorteil auf Seiten der Deutschen. Auf welchen Indikator beziehen Sie sich (ich hoffe auf den realen Wechselkurs, denn nur der ist maßgeblich!!!) ?

    2. Warum nennen Sie die Hartz - Reformen eine Trickserei? Ist es verboten durch die Deckelung der realen Löhne einen Wettbewerbsvorteil einzunehmen? Ich habe noch keinen Artikel gelesen, der die Tricksereien von z.B. China thematisiert (Abwertung des nominalen Wechselkurs, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen). Wenn Sie den Verlauf des Franc zur Deutschen Mark betrachten, so kann festgestellt werden, dass dieser ständig abwertete => Wettbewerbsvorteil.

    3. Angenommen in Deutschland steigen die realen Löhne. Die Folge wäre, dass die größte Volkswirtschaft in Europa an Wettbewerbsfähigkeit verliert und somit die gesamte EWU. Dann ist die Folge: Ein Wettbewerbsverlust auf EWU Ebene gegenüber der restlichen Welt. Werden Sie sich dann auch an z.B. China wenden, in Zukunft doch bitte auf Abwertungen des Wechselkurses zu verzichten - weil das unfair ist?

    Zum Schluss: In Ihrem Artikel wird nicht einmal das Problem des EURO - Systems thematisiert. Sprich: Wettbewerbsnachteile können nicht mehr - wie früher - über den nominalen Wechselkurs berichtigt werden, sondern nun noch über das Preisniveau (sprich: Löhne). Um die Probleme in Europa zu lösen, muss der EURO entweder komplett abgeschafft werden, oder der Raum muss erheblich verkleinert werden / es müssen mehrere kleinere Währungsräume errichtet werden.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Es tut mir leid, das ist falsch. Frankreich hat im verarbeitendn Gewerbe (darum geht es in der Konkurrenzsituation F/D) einen Kostenvorteil bei den Arbeitskosten, zwar einn geringen, aber dennoch.

     

    Das französische Problem sind ewiggestrige Wirtschaftsstrukturen. Zu glauben diese könnten über Arbeitsmarktreformen aufgebrochen werden ist ein Irrtum der französischen Sozialisten. Es ist ebenfalls ein Irrtum dies mit der deutschen Agenda2010 in Verbindung zu bringen. Dies wäre nur richtig wenn Frankreich aussvhließlich mit Deutschland konkurrieren würde.

     

    Die Franzosen müssen ihre lähmenden Steuturen erneuern. Das ist ohne große soziale Einschnitte möglich, die Franzosen stehen nämlich bei den Arbeitskosten nicht sehr schlecht da. Es mangelt an Produktivität der eingesetzen Arbeitszeit, daran ändert man aber mit sozialem Kahlschlag wenig.

     

    Die Verteuerung der Arbeit in Deutschland würde den Franzosen nur wenig helfen, in einer globalisierten Wirtschaft ist es sehr zu bezweifeln das ausgerechnet die Franzosen die so geschaffene Lücke füllen würden.

     

    Bei aller Sympathie für die Kritik an der Agenda2010, an Frankreichs Problemen ist sie nur zu sehr kleinem Teil schildig.

  • KLASSENKAMPF statt Vaterland!

  • Die Proteste in Frankreich werden federführend von der CGT organisiert, zwar die zweitgrößte Gewerkschaft in F aber mit ca. 700000 Mitgliedern nicht mal halb so groß wie die IG Metall in Deutschland. Das soll ihr Anliegen nicht schmälern, allerdings repräsentieren sie nicht die Mehrheit der französischen Arbeiterschaft. Sprich, sie ist weniger in der Gesellschaft verankert als es oft dargestellt wird.

    • @charly_paganini:

      naja, bei einer million protestierender finde ich die aussage bezweifelnswert, grade der vergleich mit der ig metall hinkt - versuchen sie mal in D eine million zu mobilisieren...

    • @charly_paganini:

      ja, genau ! - Fakten helfen weiter, und genau hinschauen lohnt sich- Und überhaupt: wo steht denn, dass Arbeitslosigkeit mal einfach so 'exportiert' werden kann wie billiges Schweinefleisch, - nichts daran ist wahr ! Das Problem liegt IN Frankreich und die Lösung liegt IN Frankreich - in der Überwindung der destruktiven sozialen Beziehungen - alle Seiten sind gefordert - , das Problem ist ein extrem egoistischer öffentlicher Dienst, eine nicht eben gut funktionierenden Demokratie (Zentralismus), einem handlungsunfähigen Staat (ausser wenn es um Militärinterventionen geht) sowie einem lähmenden politischen Rechts-Links-Antagonismus ... um nur einige der Ursachen anzudeuten. - Frau Hermann, linkspopulistische Vereinfachungen helfen nicht weiter, die Wirklichkeit ist leider komplizierter, und Sie, als Philosophin und Verfasserin dieses Artikels verstehen offensichtlich nichts von Ökonomie im Allgemeinen und erst recht nichts von Frankreich im Besondern - (ich, in aller Bescheidenheit, hab' zwar nicht Philosophie sondern Ökonomie studiert und war ziemlich oft, mehr als 100 mal und auch ziemlich lang in Frankreich ... das ich natürlich sehr liebe und dessen Menschen wahrlich etwas besseres verdienten !)

  • Frankreich konnte bisher sein Niveau in etwa halten, weil es eine hohe Produktivitätsrate hat, fleissige, loyale Lohnabhängige und die hohe Arbeitslosenrate resigniert hinnimmt. Das Resultat ist der Front National und sein spektakulärer Stimmengewinn. Man konnte den Leuten erzählen, all das sei notwendig für die Konstruktion Europas und, was die Karriere-Politiker unermüdlich seit 40 Jahren predigen: morgen wird alles besser, man muss nur hoffen. Anscheinend wollen viele Bürger nicht mehr hoffen. Deutschland hat natürlich ein grosses Interesse an den Erhalt der EU und des Euros - beide Institutionen dienen der deutschen Wirtschaft und ihrer Hegemoniebestrebungen. Ebenso wie die radikalen Hartz-Gesetze.

    Frankreich ist in dieser Beziehung nicht ganz unschuldig: es wollte den Euro, es wollte die EU - um Deutschland zu binden, denn mit der Wiedervereinigung erwachte auch wieder das Misstrauen gegenüber dem Nachbarn. Man kann nur hoffen, dass das französische Volk seinen Mut zur Demokratie und gesellschaftlichen Innovation wiederentdeckt. Mit Hollande ist das nicht zu machen. Der Mann ist bereits Vergangenheit.

    • @Sysyphos:

      Das ist gut, morgen wird alles besser, man muß nur hoffen. Willkommen im Kompetenz-Center!

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ob sich die Franzosen fair verhielten, ich glaube die Formulierung ist nicht ganz richtig. Man muss wohl eher sagen, dass die französischen Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre kampfbereiten Gewerkschaften ein ganz anderes Kaliber sind als ihre deutschen Genossinnen und Genossen.

     

    Und einen Protest der sich gegen Deutschland als Verursacher richten würde, kann ich mir nur als hässliche nationalistische Veranstaltung vorstellen.

     

    Schöner wäre es die deutschen Lohnabhängigen wären solidarisch mit ihren französischen Brüdern und Schwestern und wehrten sich gegen ihre Ausbeuter, aber der Zug ist ja schon vor geraumer Zeit und ziemlich pünktlich abgefahren.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Einen Protest gegen Deutschland finde ich auch nicht gerade zielführend.

       

      Nur weil Hollande angeblich ein Getriebener ist, muss er sich dem ja nicht beugen. Er soll für das Volk regieren und das Beste für das Volk tun. Wenn das Volk meint, er tut es nicht, dann muss das Volk seine Stimme gegen ihn erheben.

      Gleichzeitig darf sich jeder Franzose natürlich darauf besinnen, französische Produkte zu kaufen um die eigene Wirtschaft zu stärken. Ich finde es aber nicht so allzu gut, dass sich die Nationen innerhalb der EU gegeneinander ausspielen.

      Wenn es in Deutschland so viel besser ist, dann sollen sie herüber kommen. Es herrscht innerhalb der EU Freizügigkeit. Jeder kann dort arbeiten wo er will.

       

      Wir sollten versuchen unsere (EU) Wettbewerbsfähigkeit hoch zu halten, damit es sich in der gesamten EU gut leben lässt. Der Franzose klagt da auf ziemlich hohem Niveau, wenn man sich andere Länder anschaut.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Mit ihrer Antwort gehe ich Konform. D ist nicht der Verursacher, er ist der Handlanger im vorauseilenden Gehorsam. Einer der typischten teutschen Charaktere. Immer ins gleiche Horn blasen. Europa wacht langsam auf. Gott sei Dank.