Kommentar Neuwahl in Israel: Knast oder Knesset
Im September kann Israel zwischen Netanjahu und Rechtsstaatlichkeit entscheiden. Zu lange schon manipuliert der Regierungschef die Öffentlichkeit.
B enjamin Netanjahu wird in diesen Tagen viel an seine Anfangszeit als Politiker zurückgedacht haben. Damals stand ihm Avigdor Lieberman als Berater zur Seite, manchmal als Fahrer und als Mann, der seinem Chef den Rücken von politischen Gegnern freizuhalten wusste. Zum Dank machte Netanjahu den früheren Türsteher aus Moldawien zum Generaldirektor im Regierungshaus und ebnete ihm von hieraus bald eine unabhängige Karriere als Chef der Immigrantenpartei Israel Beitenu.
Es war der Anfang vom Ende einer wunderbaren Freundschaft. Niemand weiß Netanjahu schärfer Kontra zu geben als Lieberman. Der Likud hingegen steht geschlossen zu Netanjahu und macht das schmutzige Spiel des Parteivorsitzenden mit, der kein anderes Ziel verfolgt, als sich selbst vor dem Gefängnis zu retten. Bei den kommenden Wahlen geht es um nicht weniger als Israels Demokratie.
Im September sind Israels Bürger aufgerufen, zwischen Netanjahu auf der einen und der Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Informations- und Meinungsfreiheit auf der anderen Seite zu entscheiden. Viel zu lange schon manipuliert der amtierende Regierungschef, der gleichzeitig das Amt des Kommunikationsministers innehält, die Öffentlichkeit mit seinen Märchen über eine Verfolgungsjagd der Medien gegen ihn. Wer unschuldig ist, muss die Richter nicht fürchten. Netanjahu aber lässt nichts aus, um den ihm drohenden Korruptionsverfahren zu entkommen.
Wie ein Geschenk des Himmels kommen die unerwarteten Neuwahlen für die arabischen Bürger im Land. Ihre Spaltung vor dem letzten Urnengang kostete die Minderheit zahlreiche Mandate im Parlament. Israels Araber und Antizionisten lassen sich ihre Niederlage eine Lehre sein und begannen noch in der Nacht zum Donnerstag mit Beratungen über ein erneutes Zusammengehen. Als Vereinte Liste stellten sie in der letzten Knesset immerhin die drittstärkste Fraktion.
Die politischen Herausforderungen werden nicht kleiner. All jene, die sich Israel als einen gerechten Staat für alle Bürger wünschen, sollten nicht darauf warten, dass andere die Arbeit tun – sondern gerade in Zeiten wie diesen ihre Kräfte im Parlament vereinen, um für gleiche Rechte für alle zu streiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen