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Kommentar Mord an Jamal KhashoggiHer mit den Beweisen!

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Die These von der Drahtzieherschaft des mächtigen Autokraten in Riad klingt schlüssig. Aber Vermutungen helfen nicht weiter.

Es gibt Hinweise, dass der Kronprinz in den Mord verwickelt ist – aber wissen tun wir es nicht Foto: reuters

E s war ein typisches Trump-Statement, das der US-Präsident am Dienstag zu der Frage abgab, ob der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman über den Mord an Jamal Khashoggi im Bilde war: „Vielleicht war er es und vielleicht war er es nicht!“ Nun hagelt es Kritik. Doch so klar, wie es viele BeobachterInnen darstellen, ist die Lage nicht.

Seit Wochen setzt sich die Darstellung durch, dass Kronprinz MbS den Mord an dem Journalisten persönlich angeordnet habe oder zumindest über den Plan informiert gewesen sei – dass die Tat also in seinem Interesse gewesen sei. Das deutet die türkische Regierung an, und davon gehen auch die CIA wie ein Großteil der internationalen Medien aus.

Von wenigen Recherchen abgesehen, basiert diese These auf Tonaufnahmen des Tathergangs sowie auf Audio-Mitschnitten von abgefangenen Telefongesprächen. Ausgewählte Informationen aus diesem Tonmaterial haben die Behörden in Ankara türkischen und amerikanischen Medien zugespielt. Im Fall Khashoggi treiben nicht die Medien die Regierungen vor sich her, sondern bestimmen Geheimdienste, was wann an die Öffentlichkeit gelangt.

Zugegeben: Die These von der Drahtzieherschaft des mächtigen Autokraten in Riad klingt schlüssig. Doch die Betonung liegt auf „klingt“. Dass „kaum mehr jemand“ an ihr zweifelt, wie etliche KommentatorInnen schreiben, ist kein Beweis.

Jeder Jura-Erstsemestler würde nur lachen

Die drei Hauptargumente, mit der die These unterfüttert wird, sind bei genauerem Hinsehen mehr als fragwürdig: Erstens haben türkische Geheimdienstler der New York Times von einem Telefonat Mahir Mutribs berichtet, eines Mitglieds des Spezialteams, das Khashoggi wohl umgebracht hat. Seinem Gesprächspartner soll Mutrib nach der Tat gesagt haben, er solle „seinem Chef“ Bescheid geben, dass die Tat vollbracht sei. Wer war der Chef? Natürlich: MbS. Jeder Jura-Erstsemestler würde über diese Beweisführung nur lachen.

Zweitens zeigen mehrere Fotos den Kronprinzen in Begleitung Mutribs. Die Aufnahmen weisen darauf hin, dass Mutrib im Sicherheitsteam des Kronprinzen tätig war. Es gibt also Verbindungen. Dass aber MbS der Auftraggeber war, ist damit aber noch lange nicht bewiesen.

Das dritte Argument ist kaum der Rede wert: Der mächtige Kronprinz muss von einer so aufwendig durchgeführten Tat gewusst haben. MbS wusste also Bescheid, weil er Bescheid gewusst haben muss. Ein Zirkelschluss.

Zusammengefasst: Es gibt Hinweise, dass MbS hinter der Tat steckt. Wissen tun wir es nicht. Was sich dagegen mit Sicherheit sagen lässt: MbS und der eigentliche König des Landes, sein Vater Salman, tragen die politische Verantwortung für die grausame Tat – egal, was genau passierte.

Ein Stop der Waffenexporte nach Saudi-Arabien ist richtig

Sollte die Ermordung tatsächlich, wie die Saudis behaupten, auf ein schiefgelaufenes Verhör zurückgehen, scheinen nicht nur ihre Verhörmethoden mehr als fragwürdig zu sein. Auch die Vertuschungsversuche nach der Tat lassen die Saudis als Partner demokratischer Staaten ausscheiden.

Sollte hinter der ganzen Aktion dagegen ein „tiefer Staat“ stecken, also ein Teil des Sicherheitsapparats, der der saudischen Führung um MbS gezielt schaden wollte, dann hat der regierende Kronprinz seinen Laden ganz offensichtlich nicht im Griff.

So oder so: Dass Deutschland Waffenexporte nach Saudi-Arabien ausgesetzt hat, ist richtig und ohnehin längst überfällig (auch wenn das nur von sehr kurzer Dauer sein dürfte). US-Präsident Trump sollte dem folgen, statt die exzellente Partnerschaft mit den Saudis zu betonen, wie er es in seiner grotesken Erklärung am Dienstag tat.

Doch statt Tag für Tag Vermutungen über die Drahtzieherschaft wiederzukäuen, bis diese so oft wiederholt worden sind, dass sie als Wahrheit erscheinen, sollten wir uns auf die Beweislage konzentrieren. Die türkische Regierung sowie das CIA müssen offenlegen, worauf sie ihre Vermutung stützen, dass MbS hinter der Tat steckt. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, all die möglichen Beweise zu Gesicht und zu Gehör zu bekommen, von denen seit Wochen die Rede ist. Also her mit den Aufnahmen!

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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2 Kommentare

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  • "Wissen tun wir es nicht."

    Im deutschen Strafrecht wird verurteilt, wenn vernünftige Zweifel ausgeschlossen sind. Fehlurteile werden damit aus Gründen der Rechtssicherheit bewusst in kauf genommen, weil die Abgrenzung "vernünftiger Zweifel" schwierig ist.

    Vernünftige Zweifel an der Anstiftung durch den Prinzen bestehen hier eigentlich nicht. Auftragsmord durch Regierungen ist so ungewöhnlich nicht (russische Giftmorde, Ermordung Bin Ladens durch Obama, etc).

    Warum sollte ein islamischer Prinz sich in Bezug auf die Behandlung seiner Gegner anders verhalten als Putin oder Obama?

  • "Sollte hinter der ganzen Aktion dagegen ein „tiefer Staat“ stecken, also ein Teil des Sicherheitsapparats, der der saudischen Führung um MbS gezielt schaden wollte, dann hat der regierende Kronprinz seinen Laden ganz offensichtlich nicht im Griff."

    Despoten haben ihr Land immer im Griff. Erst recht in SA. Es wird doch dort weiter munter geköpft, ausgepeitscht, es werden Körperteile abgehackt usw.

    Macht sich da jemand Sorgen um SA?