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Kommentar Mord an Abdelfattah JunisDas Konzept des Überläufers

Wer immer für den Mord an Junis verantwortlich ist, Gaddafi wird sich in Tripolis ins Fäustchen lachen. Denn sein Tod wird Zwietracht unter den Rebellen säen.

A bdelfattah Junis, der militärische Chef der libyschen Rebellen, wurde ermordet. Die bisherigen Details rund um den Mord lesen sich wie der Anfang eines Krimis, bei dem der Leser nicht die geringste Ahnung hat, wer der Täter sein könnte. Die Spuren führen in viele Richtungen, zu Gaddafis Agenten, die Rache üben wollten, oder in die Reihen der Rebellen, die Junis misstrauten.

Das liegt wohl daran, dass Junis ein Überläufer war. Überläufer spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, eine Situation zu verändern, aber um sie ist stets eine Aura des Misstrauens. Ihre Erfahrung mit der Seite, der sie einst dienten, ist meist wichtig für die Seite, zu der sie überlaufen. Dort heben sie die Moral und werden als Niederlage des Gegners gedeutet.

Aber kann man jemandem trauen, der wie Junis einer von Muammar al-Gaddafis wichtigsten Vertrauten war, dem er einst als Innenminister diente? Und ist es legitim für ein neues Libyen, mit Vertretern des alten Libyens zu arbeiten?

Bild: privat
KARIM EL-GAWHARY

ist Nahost-Korrespondent der taz und lebt in Ägypten.

Junis war der wichtigste Mann, der Gaddafi den Rücken kehrte. Vierzig Jahre waren sie befreundet. Er habe einfach nicht mehr mitansehen können, wie Gaddafi gegen sein eigenes Volk kämpfe, rechtfertigte Junis seinen radikalen Schritt. Wer ihn am Ende auch ermordet hat - und das wird vielleicht immer ein Mysterium bleiben -, sicher ist: Sein Tod stellt für Gaddafis Gegner ein großes Problem dar.

Seine Ermordung wirft viele Fragen auf: Warum wurde er kurz zuvor im Auftrag der Übergangsregierung in Bengasi verhaftet? Warum hatte er ausnahmsweise wenige bewaffnete Begleiter? Warum wurde seine Leiche verbrannt? Fragen, die Zwietracht unter den Rebellen säen werden. Eines ist sicher: Wer immer für den Mord an Junis verantwortlich ist, Gaddafi wird sich in Tripolis ins Fäustchen lachen.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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2 Kommentare

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  • BG
    Bernd Goldammer

    Freie und geheime Wahlen könnte sich die NATO in Libyen nicht leisten. Dieses Volk ist nicht so dumm, dass es seinen eigenen Wohlstand abwählt! Und

    wieviele Rebellen sprechen denn überhaupt französisch? Wer sind sie, woher kommen sie, wer zaht ihre Waffen und ihren Lebensunterhalt? Davon ist in der veröffentlichten Meinung nichts zu erfahren. Vielleicht unterhält die NATO in Libyen eine Waffenbrüderschaft mit al-Qaida?

  • N
    Noblinski

    Egal ist, warum der Überläufer umgebracht wurde, wenn er eine größere Zahl von Anhängern in der Bevölkerung hatte, werden die sich nun von den Aufständischen distanzieren. Die eigentliche Gefahr für den Westen, die im libyschen Bürgerkrieg lauert, ist die Möglichkeit, daß am Ende die falschen Leute eine demokratische Wahl gewinnen. (Ist fast so sicher wie in Stuttgart demnächst bei der Volksabstimmung.)