Kommentar Ministerin über Ende Gelände: Populismus statt Politik
Bei Protesten gegen Braunkohle-Abbau sind Klimaschützer über zwei Felder gelaufen. Julia Klöckner hat sich nun empört darüber geäußert.
H urra! Endlich nimmt CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Sorgen der Bauern im Rheinland ernst und spricht sich mit klaren Worten gegen die landwirtschaftlichen Schäden durch Klimawandel und Tagebaue aus …
Ach nein, sorry: gegen die landwirtschaftlichen Schäden durch Gegner von Klimawandel und Tagebauen. Denn die haben etwas Skandalöses getan: Bei ihren Protesten gegen die Klima- und Landschaftszerstörung, die mit dem Abbau der Braunkohle einhergeht, sind sie doch tatsächlich über ein Petersilien- und ein Karottenfeld gelaufen. Landwirtschaftliche Ressourcen zu zerstören sei ein „elitäres, ignorantes Verhalten“, zürnte Klöckner in einer Pressemitteilung und bescheinigte den Klimaaktivisten ein „Glaubwürdigkeitsproblem“.
Das hat allerdings eher die Ministerin selbst. Denn die durch die Proteste von Ende Gelände entstandenen Schäden sind minimal: Die Petersilie war längst abgeerntet, die Schneise durchs Karottenfeld ist gerade mal wenige Meter breit. Insgesamt dürfte etwa ein Zehntel Hektar betroffen sein.
Durch die Braunkohletagebaue im Rheinland, gegen die protestiert wird, sind in den letzten Jahrzehnten dagegen rund 17.000 Hektar Fläche abgebaggert worden, ein großer Teil davon wertvolles Ackerland. Nur ein Bruchteil davon entsteht später auf den renaturierten Flächen neu, und das meist mit weitaus schlechterer Bodenqualität.
Gegen diese gewaltige Zerstörung landwirtschaftlicher Ressourcen, für die viele Landwirte zwangsweise enteignet und umgesiedelt werden, war von Klöckner bisher kein Wort zu hören. Das entlarvt ihre angebliche Sorge um die Bauern als reinen Populismus gegen die Klimaaktivisten. Der mag bei vielen Landwirten gut ankommen. Doch von der klimabewegten Jugend entfremdet Klöckner ihre Partei mit solcher Polemik noch stärker. Und auch den Bauern würde sie mit einer konsequenten Klimapolitik mehr helfen als mit Kritik an jenen, die sich dafür einsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau