Kommentar Mindestlöhne: Nicht mit dieser Koalition
Krampfhaft versucht die Union zu beweisen, dass mehr als %= Prozent der Briefträger nicht vom Tarifvertrag der Deutschen Post AG erfasst werden, um so MIndestlöhne bei den Postdienstleistern zu verhindern. Die SPD gewinnt so Profil als Gerechtigkeitshüterin
W er Großes im Schilde führt, ist im Kleinen sehr penibel. Deswegen interessiert sich CDU-Politiker Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Bundestagsfraktion, so sehr für die Zahl der Briefträger und Postangestellten in Deutschland. Jeder einzelne ist plötzlich wichtig. Wie viele sind es genau - 328.957? Die Statistikmaschine beginnt zu laufen, in Kürze wird sie hunderte DIN-A4-Seiten Erkenntnis produzieren. Aus Sicht von Norbert Röttgen dient dies einem höheren Zweck: der Verhinderung des Mindestlohns. Röttgen und andere Unionspolitiker wollen die Modernisierung der Sozialordnung vereiteln.
Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) plädiert für Mindestlöhne, damit jeder Arbeitgeber seinen Leuten wenigstens das zum Leben Notwendige zahlt. Obwohl mancher Unionspolitiker das als gefährlichen Eingriff in den freien Markt betrachtet, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich des Friedens in der Koalition willen zu einem Kompromiss durchgerungen. Die Politik könnte demnach Mindestlöhne für alle Briefträger in Deutschland einführen, wenn zuvor eine Gewerkschaft und ein Unternehmerverband selbstständig einen Tarifvertrag mit Mindestlohn beschlossen haben, der wenigstens die Hälfte der Beschäftigten der Branche erfasst. Diese 50-Prozent-Regel freilich ist eine uralte Klamotte, die sich Röttgen nun zunutze macht. Er zählt so lange, bis er genug Briefträger gefunden hat, für die der existierende Mindestlohn-Tarifvertrag der Deutschen Post AG nicht gilt. Angesichts der Tatsache, dass immer weniger Arbeitnehmer überhaupt einen Tarifvertrag haben, ist das nicht schwer. Die 50-Prozent-Regel gehört abgeschafft, doch das ist mit der Union erst recht nicht zu machen.
Für die Sozialdemokraten ist der Streit in jedem Fall gut. Sind sie erfolgreich, empfehlen sie sich ihren potenziellen Wählern als soziale Kraft der Regierung. Ist ein Kompromiss mit der Union nicht erreichbar, wird der SPD ein Wahlkampfthema geschenkt, das sich bestens zur Profilierung eignet. Die gegenwärtige Debatte weist über die große Koalition hinaus.
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