Kommentar Merkel in der Türkei: Kleine Münze, schnelles Geschäft
Die Türkei wird von Angela Merkel weiterhin vor den Türen Brüssels gehalten. Um Wähler zu gewinnen, bietet sie Ankara dennoch ein paar Brosamen an.
D ie deutsche Kanzlerin kann in der Türkei keinen Blumentopf gewinnen. Ganz gleich ob sie nun den Begriff „privilegierte Partnerschaft“ vermeidet und stattdessen von „ergebnisoffenen Verhandlungen“ der Türkei mit der EU redet: In Ankara weiß jeder, dass, solange Merkel Kanzlerin ist, eine EU-Mitgliedschaft in allerweitester Ferne bleibt. Der Unterschied zu ihrem Besuch vor drei Jahren ist, dass sich selbst einige hellsichtige CDU-Politiker allmählich fragen, ob das nicht der EU mehr schadet als der Türkei. Merkel selbst ist vor solchen Selbstzweifeln sicher weiterhin gefeit.
So können auch kleine rhetorische Retuschen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei Merkels Türkei-Besuchen nie um den großen Wurf, sondern immer nur um die kleine Münze des schnellen Geschäfts geht. Ein paar Wirtschaftsabschlüsse unter Dach und Fach bringen, ein bisschen über Syrien lamentieren und noch einmal versichern, dass die NSU-Morde „rückhaltlos“ aufgeklärt werden – mehr ist von Merkel nicht zu erwarten. Erdogan will wenigstens pragmatisch etwas herausholen. Er könnte bei seinen Wählern punkten, wenn Merkel einverstanden wäre, die teilweise demütigenden Hürden vor einer Visaerteilung zu senken und mindestens Geschäftsleuten problemlos Reisen nach Deutschland zu ermöglichen.
Der eigentliche Sinn des Besuchs dürfte für Merkel aber sein, ein paar nette Bilder für den bevorstehenden Wahlkampf zu generieren. Wenn es knapp werden sollte, könnten eben auch türkischstämmige Wähler wichtig werden. Sigmar Gabriel kommt deshalb zwei Tage später in die Türkei. Sein Versprechen, die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Türken zu ermöglichen, verschafft ihm ohnehin erst einmal einen Sympathievorsprung, den Merkel kaum aufholen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen