Kommentar Machtkampf in Venezuela: Guaidó spielt ein gefährliches Spiel

Caracas lässt lieber die Bevölkerung hungern als Hilfsgüter anzunehmen. Mit einer Militärintervention zu drohen, ist aber trotzdem der falsche Weg.

Drei Frauen stehen vor einer Backsteinmauer

Ruhe nach den Straßenschlachten an der venezolanisch-kolumbianischen Grenze Foto: ap

Zugegeben, für die Nachbarstaaten Venezuelas ist es ein Dilemma. Seit Monaten nehmen sie Hunderttausende Flüchtlinge auf, versorgen kranke und neugeborene VenezolanerInnen mit Nahrung und Medikamenten – und müssen hilflos mit ansehen, wie Staatschef Nicolás Maduro in seinem Land Gewaltenteilung und Bürgerrechte verhöhnt.

Nach diesem Wochenende steht endgültig fest: Das Regime in Caracas lässt lieber seine Bevölkerung hungern, als Hilfsgüter aus dem Ausland anzunehmen. Und sei es nur deshalb, weil sich Maduros gefährlichster innenpolitischer Gegner – Juan Guaidó – mit den Hilfskonvois aus Kolumbien und Brasilien als Retter der Nation profilieren will.

Doch auch für die Maduro-Kritiker im Ausland ist der selbst ernannte Interimspräsident Guaidó eine Gefahr: Vor dem Treffen der Lima-Gruppe am heutigen Montag, bei dem eine Reihe rechter lateinamerikanischer Regierungen – unter anderem Kolumbien, Brasilien, Chile und Argentinien – über die Krise in Venezuela beratschlagen wollen, drohte Guaidó implizit mit einer Militärintervention. Und US-Vize Mike Pence, der wie Guiadó am Lima-Treffen teilnimmt, ließ am Wochenende bewusst offen, was genau sich hinter den angekündigten US-Maßnahmen verbirgt.

Die lateinamerikanischen Staaten wären gut beraten, sich nicht vom Fieberwahn über eine militärischen Lösung in Venezuela anstecken zu lassen. Erstens, weil Nicolás Maduro skrupellos genug ist, die halbe Karibik in ein blutiges Schlachtfeld zu verwandeln. Zweitens, weil das politisch so gespaltene Land leicht in einen verheerenden Bürgerkrieg stürzen könnte. Und drittens, weil eine internationale Militärintervention auf Geheiß eines venezolanischen Oppositionsführers das Völkerrecht genauso mit Füßen tritt wie die Maduro-Regierung die eigene Verfassung.

Für Kolumbien & Co. kann die Schlussfolgerung deshalb nur lauten: die Regierung Maduros weiter isolieren, auf Neuwahlen beharren – und dem legitimen Präsidenten des Landes auch in Zukunft Hilfsgüter für die leidende Bevölkerung anbieten.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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