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Kommentar LinksparteiReden über die Revolution

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Mit dem Schlüsselwort „Revolution“ will die Linke neue Wählerschichten erschließen. Sie muss radikaler werden – mit Ideen und nicht mit Rhetorik.

Blumen- und Revolutionsfreunde: Bernd Riexinger und Katja Kipping Foto: dpa

D on’t you know, they’re talkin’ about a revolution“, sang Tracy Chapman einst. Ein Riesenhit, der bei Linken fast so populär ist wie die Internationale. „Revolution“ zieht eigentlich immer, sagen sich die beiden Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, und wollen mit dem Schlüsselwort neue Wählerschichten erschließen und Abtrünnige zurückgewinnen. Das mutet forsch an, gleichzeitig aber auch ein wenig gestrig.

Manche Passagen aus dem Stategiepapier der Parteivorsitzenden, überschrieben mit „Revolution für soziale Gerechtigkeit“, lesen sich, als wären sie aus dem „Kommunistischen Manifest“ abgeschrieben. Etwa wenn von „radikaler Umwälzung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse“ die Rede ist. Die Idee mag richtig sein, aber die Lyrik erinnert arg an ein Schulungsseminar der DKP.

Ob die Linke damit die Herzen von Menschen gewinnt, die sich zurzeit in Flüchtlingsinitiativen und sozialen Bewegungen tummeln? Möglich. Oder ob sie die Wähler bezirzt, denen die deutschtümelnden Parolen der „Alternative für Deutschland“ gefallen. Kaum vorstellbar.

Richtig ist, dass die Linke in der Vergangenheit wohl zu sehr als etablierte Partei wahrgenommen wurde und dass sie in ihrer praktischen Politik in Regierungskoalitionen wie in Berlin mit der SPD weit davon entfernt war, Banken zu kommunalisieren oder Reiche zu schröpfen.

Um als Alternative wahrgenommen zu werden, muss die Linke konkrete Alternativen aufzeigen. Das ist schwierig in einer Gesellschaft, die vielfältiger, aber auch unübersichtlicher geworden ist. Wie sieht ein Integrationskonzept aus für Menschen, die zu uns kommen? Welche Normen sollen gelten im Spannungsfeld von Religion und Öffentlichkeit? Welcher Einstieg in eine Umverteilung des Reichtums bietet sich an? Fragen, auf die die Linke bisher zu schwammig antwortet. Richtig ist, dass die Linke hier radikaler werden muss. Aber mit Ideen und nicht mit Rhetorik.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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12 Kommentare

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  • "...mit Ideen und nicht mit Rhetorik."

     

    Die Ideen sind schon seit Marx bekannt. Sie sind und bleiben richtig. Jeder einzelne Tag im Kapitalismus macht das deutlich.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Karl Marx ist aktueller denn je - nicht nur seine Aussagen zu Wirtschaft und Ökonomie.

  • Bernd R. und Katja K. sehen eher nach "make love not war" aus. Piep, piep, piep, wir haben uns so lieb... :-D

  • Wann wird denn nun Aldi zerschlagen?

  • „…Etwa wenn von „radikaler Umwälzung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse“ die Rede ist…“

     

    Die Strategen der Linkspartei, so wie (gefühlt) 95% aller Kapitalismuskritiker, beschränken sich wirklich nur auf Kapitalismuskritik. Keine Antwort auf die Frage: „Was kommt danach?“, falls nämlich das kapitalistische System wirklich gestürzt würde. Daran sind auch die Revolutionen der letzten Jahre im Nahen und Mittleren Osten gescheitert: Niemand hatte ein Konzept für die „Zeit danach“. Und so kehrte nach der anfänglichen Euphorie das alte System Stück für Stück zurück.

     

    Seitdem der russische Revolutionär Lenin 1917 den Kapitalismus in seiner Heimat in der Oktoberrevolution durch das von ihm erfundene kommunistische Sowjet-System ersetzte, haben mehr als die Hälfte aller Staaten der Erde mit diesem System experimentiert – und sind, außer China, Nordkorea und Kuba, allesamt gescheitert.

     

    Was nun? Hugo Chavez hatte den „Sozialismus des 21. Jh.“ deklariert und die „ganze Welt“ eingeladen, von Venezuela zu lernen. Aber dieser Sozialismus funktioniert nicht mehr, seit die Ölpreise im Keller sind und kaum noch was in die Taschen der „Armen“ umzuleiten ist. Seitdem ähnelt das, was man aus Venezuela hört, eher dem, was ehemalige DDR-Bürger auch schon kannten: Mangelwirtschaft, Unterdrückung und Verteufelung jeder Opposition und staatlich gelenkte Massenmedien, die das Leben im Land schönreden und alles „Schlechte“ dem „Ausland“ (=USA+Westeuropa) zuschieben.

  • Jedes Flopmanagement sorgt dafür, daß der Mainstream gehalten wird. Das macht die Linke alternativlos richtig. Wie es mit dem Mitgliederumgang und den Wählerschichten bestellt ist, steht dank dem Flopmanagement nicht zur Debatte.

  • Tja, was ist 2016 wohl links? Nach jahrzehntelangem Terror, Gesellschaftsumbau, Lügen und Diffamierungskampagnen durch neoliberales Establishment. Syriza - schon vergessen?

     

    Wieder ein wenig Vermögenssteuer und sonst alles supi - wie bei den Grünen? Oder Obamas "sozialistisches" Projekt einer staatlichen Krankenversicherung?

     

    Oder doch den Krieg zwischen Arm und Reich an allen Fronten führen? Der ganz gewiß nicht von Arm angezettelt wurde.

     

    Müssen erst wieder Engländer (Corbyn) und Amis (Sanders) die Mode vorgeben, bevor das Konzept auch hierzulande wieder "hoffähig" wird?

     

    Am Ende gräbt noch die SPD irgendwie links anmutende Ideen aus. Oh je, das sollten besser welche machen, die sich damit auskennen.

     

    Recht des Stärkeren oder Recht des Schwächeren?

  • "Don’t you know, they’re talkin’ about a revolution" ... ja, wie gehts denn weiter:

    "...sounds, like a whisper"

     

    Na, dann flüstert mal schöne, liebe Linke.

  • Den Linken fehlt so etwas wie eine "Themenhoheit" - die akuten für die Bevölkerung relavanten Themen werden von den anderen Parteien deutlicher kommuniziert.

  • Ja, es ist schon lange Zeit: Empört Euch, d.h. Wir haben es in der Hand!



    Wir können nicht länger Hinsehen ohne zu bemerken was mit den Menschen passiert! Wir werden Griechenland erleben. Kleine Rente mit 70 für einen der Familie https://www.dropbo...017.57.29.png?dl=0 Ludwig Erhard hatte den "Wohlstand für Alle" mit 4 Mio Migranten erreicht! Und bein Norbert Blüh waren die Einkommen besser verteilt. Heute müssen wir uns für die Regierung schämen. https://www.dropbo...017.57.29.png?dl=0



    Und die "Christliche Politik hat der SPD das Soziale verboten in dem sie mit Obama TTIP feiert. Richtig, Bernie Sanders hat das auch für die USA erkannt:



    Bernie Sanders "We Must Stop Outsourcing Jobs https://www.youtub...atch?v=pbF9nYfIOlQ



    We must put an end to the disastrous trade deals like NAFTA, CAFTA, and the TPP that outsource American jobs to countries like Mexico, China and Vietnam. Instead of paying American workers a fair wage, corporations can



    pay the citizens of those countries fifty cents an hour."



    Wir müssen uns selbst engagieren und Europa eine Demokratische Kontrolle geben! Wie Yanis Varoufakis sagt: "critisize the established order" https://yanisvarou...at-the-rsa-london/ Ich bin dabei!

  • Den Tenor des Artikels kann man nur unterschreiben. Es reicht nicht schöne und richtige Bücher zu schreiben und gelegentlich einen Kommentar ins Mikro zu sprechen..

     

    Auch wenn Charisma nicht jeder politischen Gestalt in die Wiege gelegt wurde, so fehlt doch ein zum Ausdruck gebrachter Kampfgeist der nicht im Feuilleton gefangen bleibt.

     

    Der 74-jährige Bernie Sanders erscheint wie ein Tiger im Vergleich zu den honett-zahmen hiesigen Linken welche sich zum Teil schon etwas zu sehr dem Medienzyklus ergeben haben und kaum eine über das Bestehende hinausgehende Phantasie anregen.

  • Die Revolution fällt aus, wenn es ums Regieren geht.

     

    Die Linke hat bei der Aufstellung ihrer KandidatInnen zur Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2016 alle nur halbwegs "linken" Stimmen etwa aus Neukölln systematisch eliminiert. Sämtliche kritischen Bewerberinnen wurden rausgemobbt. Aufgestellt wurde ein Team von Ja-SagerInnen zur SPD. Kritik am SPD-Regierenden Müller wegen schäbigster Versorgung der Flüchtlinge unterbleibt. Die Linke in Berlin ist zum SPD-Bettvorleger geworden.

     

    Wenn uns dann an Herbst RotRot-Grün in Berlin regieren wird, fehlt jede linke Opposition.